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Die Zeiten verfliegen wie im Rausch (Wissen & Leben)

Eine kurzweilige Geschichte von Alkohol, Drogen und ihren Konsumenten

AutorThomas Köhler
VerlagSchattauer
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl259 Seiten
ISBN9783608191738
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
- Berauschend vielschichtig: Alkohol und Drogen evolutionär, historisch, gesellschaftlich und medizinisch betrachtet - Aktuell: Wie gefährlich sind moderne Drogen? Der Rausch ist universell betörend: Nicht nur Menschen, auch Tiere wissen Substanzen zu schätzen, die 'high' machen. So turnen sich Delfine mit kleinen Mengen Kugelfisch-Gift an, und viele Pflanzenfresser lieben in besonderem Maße Früchte, die teils vergoren sind. Erwiesen ist, dass unsere Vorfahren seit den frühen Anfängen der Menschheit diverse pflanzliche Produkte nicht nur zu rituellen oder therapeutischen Zwecken, sondern auch zum Heben der Stimmung konsumierten. Das Buch schildert zum einen die Wirkungen und Wirkweisen psychotroper Substanzen, zum anderen die Geschichte ihres Gebrauchs und Missbrauchs. Ein zentrales Kapitel ist dem Alkohol gewidmet, der bekanntlich nicht nur fröhliche Feste mitgestaltet, sondern auch zu schwersten Abhängigkeiten und Erkrankungen führt. Der Autor berichtet über die Trunksuchtepidemien zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Ländern sowie die staatlichen Maßnahmen gegen sie. Und dass geniale Schriftsteller wie E.T.A. Hoffmann, Hans Fallada, Joseph Roth oder Ernest Hemingway zugleich berühmte Trinker waren, zeigt, wie nah Genie und Sucht beieinanderliegen können. Geraten Sie in einen Leserausch über Halluzinogene bei magischen Praktiken, als Bestandteil der Hexensalben, als biologische Erklärung des Werwolf-Mythos und als Verursacher von 'Massenpsychosen'. Lernen Sie die körperlichen und psychischen Folgen des Konsums von modernen Psychostimulanzien wie Kokain, Amphetamin oder Crystal Meth kennen und sehen Sie an Opiaten, Cannabis und Narkosemitteln, wie sie zugleich schaden und nutzen. Dieses Buch richtet sich an Alle kulturhistorisch, psychologisch und psychiatrisch interessierten Leser; Psychiater und Psychotherapeuten

Thomas Köhler, Prof. Dr. med. Dr. phil. Dipl.-Psych. Dipl.-Math. Privatdozent am Psychologischen Institut der Universität Hamburg, Dozent an verschiedenen Ausbildungsinstituten für Psychotherapeuten; Verfasser zahlreicher Monographien, u.a. zu Psychosomatik, Biopsychologie und biologischen Grundlagen psychischer Störungen. Autor von 'Ruhm und Wahnsinn' bei Schattauer (Wissen & Leben).

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Leseprobe

2 Alkohol: Sein Segen und sein Fluch


2.1 Was ist Alkohol?


Die Bezeichnung Alkohol bezieht sich streng genommen auf eine ganze Stoffklasse, nämlich Kohlenwasserstoffverbindungen, bei denen (mindestens) ein H-Atom durch eine OH-Gruppe (Hydroxygruppe) ersetzt ist. Dazu gehört u. a. Methanol (Methylalkohol) mit der Summenformel CH3OH, Ethanol (Ethylalkohol, Äthanol) mit der Summenformel C2H5OH, weiter etwa Propanol oder Propylalkohol (C3H7OH). Wesentliche Bedeutung als psychotrope Substanz hat lediglich Ethanol, sodass man oft in gewisser Nachlässigkeit Ethanol (Äthanol) mit Alkohol gleichsetzt.

Wer es genauer wissen will . . .

Bei der Gärung fällt in unbedenklichen Mengen auch Methanol an. Beim Destillieren schlägt dieser sich aufgrund seines tieferen Siedepunkts zuerst nieder. Dieser »Vorlauf« muss verworfen werden, was bei unsachgemäßem Brennen häufig nicht geschieht. Die Gefahr geht v. a. von den Metaboliten Formaldehyd und Ameisensäure aus. Speziell Formaldehyd stellt ein starkes Nervengift dar und führt oft zum Tode, in geringeren Dosen zur Erblindung.

Ethanol hat ein spezifisches Gewicht von 0,79 g/ml, ist somit etwa um 20 % leichter als Wasser. Die Konzentration alkoholischer Getränke wird üblicherweise in Volumenprozent (Vol %) angegeben. Ein Liter eines Getränkes mit 40 % enthält also 400 ml Alkohol; die dort enthaltene Alkoholmenge beträgt dementsprechend 0,79 × 400 g = 316 g.

Während die Herstellung von Industriealkohol (beispielsweise für Reinigungsmittel) durch Anlagerung von H2O an Ethen geschieht, werden alkoholische Getränke mittels natürlicher Gärung gewonnen. Dabei wird die in Früchten oder anderen Pflanzen enthaltene Glukose (C6H12O6) bzw. andere Monosaccharide (oft erst nach Aufbereitung aus Stärke, der Lagerform von Sacchariden) schrittweise in Ethanol umgewandelt. Der Vorgang geschieht mithilfe von Enzymen, die sich in Hefepilzen finden. Da diese in der Natur in größeren Mengen vorkommen (etwa an der Schale von Weintrauben), gären Früchte häufig spontan – man riecht dies oft, wenn man an Fallobst vorbeigeht, und viele Tiere berauschen sich auf diese Weise, warten nicht selten sogar mit dem Verzehr so lange, bis die Früchte ausreichend Alkohol enthalten.

Zur systematischen Alkoholvergärung wird Hefe zugesetzt. Nachdem Hefepilze ab einer Alkoholkonzentration von etwa 18 Vol % absterben, ist eine vollständige Durchgärung nicht möglich. Zur Gewinnung hochprozentiger Getränke bedient man sich deswegen der Destillation, der Erhitzung der alkoholhaltigen Flüssigkeit. Da Ethanol einen niedrigeren Siedepunkt als Wasser besitzt, entweicht Alkoholdampf zuerst und kann in geeigneten Gefäßen zum Niederschlag gebracht werden (zur Verwerfung des methanolhaltigen Vorlaufs s. oben).

Bei der Charakterisierung alkoholischer Getränke sind zunächst einige definitorische Vorbemerkungen angebracht: Wein ist nur in unserem Kulturkreis identisch mit vergorenem Traubenmost (auch hierzulande finden sich übrigens auf Getränkekarten unter der Rubrik Weine zuweilen Beerenweine, z. B. aus Erdbeeren). Bier ist nicht automatisch identisch mit vergorenem und mit Hopfen aufgekochtem Getreidemalz, sondern allgemeiner zu definieren.

Unter Wein versteht man vergorene Produkte von Früchten (bzw. bei Honigwein die von Insekten), wobei im Ausgangsprodukt der Zucker bereits in Form von freier Glukose (seltener: anderer Zuckermoleküle) vorliegt. Eines von vielen Beispielen wäre der Palmwein, indem die glukosehaltige, aus dem Stamm oder den Früchten diverser Palmarten gewonnene Flüssigkeit einem Gärungsprozess unterworfen wird (durch Destillation würde daraus Arrak).

Von Bier spricht man, wenn die Stärke (Polysaccharide als Speicherform von Zucker) erst aus Getreide, Reis, Kartoffel, Maniok oder Sorgum (einer Hirseart) herausgebrochen werden muss, damit die einzelnen Zuckermoleküle gären können. Dafür gibt es unterschiedlichste Möglichkeiten. Eine (teilweise bei Naturvölkern noch heute übliche) Methode ist, die Wurzel zu zerkauen und das Produkt, das Dank der Speichelenzyme mittlerweile freie Zuckermoleküle enthält, in einen Topf zu spucken, wo dann die Gärung einsetzt. Appetitlichere und effizientere Methoden bestehen in Zerkleinerung der stärkehaltigen Frucht, wonach man sie scharf röstet, verschimmeln lässt, durch Feuchtigkeit zum Treiben bringt oder Zuckerwasser zugibt, was ebenfalls die Polysaccharide zerlegt (zur Gewinnung des heimischen Bieres, s. unten).

Destilliert man die vergorene Flüssigkeit, erhält man Schnäpse (Brände); angesichts ihres hohen Ethanolgehalts spricht man auch von Spirituosen.

Wein wird hierzulande und in vielen anderen Teilen der Welt bekanntlich durch Vergärung von Weintrauben gewonnen. Ausgangsprodukt von Weißwein sind grüne Trauben; auch rötliche ergeben weißen Wein (z. B. Zierfandel aus Niederösterreich). Rotwein gewinnt man hingegen aus sehr dunklen, blauen Trauben. Auch der Rosé-Wein entsteht aus blauen Trauben, bei denen schon früh im Herstellungsprozess die farbgebende Schale entfernt wurde. Sehr glukosehaltige Traubenpressungen mit hohem Mostgewicht liefern bei vollständiger Durchgärung starke Weine. Sowohl die Süße wie der Alkoholgehalt lassen sich während des Gärungsprozesses beeinflussen, sei es durch Hinzufügung von Glukose (beispielsweise in Form von Rohrzucker), sei es durch vorzeitige Unterbrechung der Gärung. Zu umfangreich wäre es zu behandeln, welche dieser Vorgänge gesetzlich zulässig sind bzw. wie Ausgangsprodukt, Herstellungsprozess und Charakteristika des Endprodukts sich in der Bezeichnung niederschlagen (etwa Kabinett, Auslese, Spätlese, Crianza, Reserva).

Der Alkoholgehalt von Weißweinen schwankt im Allgemeinen zwischen 8 und 12 Vol %; der von Rotweinen reicht meist von 10 bis 15 Vol %. Im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Annahme sind junge Weine (Beaujolais Nouveau, Heuriger) oder sehr junge Weine (Federweißer, Sauser) oft nur unwesentlich schwächer. Stärkere Produkte mit mehr als 20 Vol % (Portwein, Sherry) sind gespritet; mit anderen Worten: Dem Endprodukt wurde destillierter Alkohol zugesetzt.

Für die gesundheitlich keineswegs nur negativen Wirkungen des Weines sind neben dem Alkohol weitere Inhaltsstoffe verantwortlich. So enthalten insbesondere Rotweine eine Anzahl von Polyphenolen (etwa Resveratrol), antioxidativ wirksamen Stoffen, die als »Radikalenfänger« fungieren und möglicherweise sowohl die Entwicklung von Atherosklerose (Arterienverkalkung) wie die Bildung bösartiger Zellen unterdrücken, zudem die Thrombozyten-Aggregation (Verklebung der Blutplättchen) hemmen.

Brände (Schnäpse) werden durch Destillieren (»Brennen«) des bereits gegorenen Produkts erzeugt, beispielsweise Weinbrände (etwa Kognak) aus Wein, Calvados aus Äpfeln. Andere Schnäpse gewinnt man – nachdem die Stärke zerlegt wurde und die Glukosemoleküle vergoren wurden – aus Wurzeln, etwa der des Enzians, oder Feldfrüchten, z. B. Rum aus Zuckerrohr, Wodka aus Kartoffeln oder Getreide, Tequila aus Agaven. Zahlreich sind die Kornbrände, etwa Whisky (Whiskey). Diese »Spirituosen« haben im Allgemeinen einen sehr hohen Alkoholgehalt, oft deutlich über 40 Vol %, manche Rumsorten über 80 Vol %. Nach der Destillation behalten sie häufig die Aromen des Ausgangsprodukts; Inhaltsstoffe wie beispielsweise die Polyphenole gehen jedoch teilweise verloren.

Einen besonders neutralen Geschmack hat Wodka, der deshalb nicht nur Bestandteil vieler Cocktails ist, sondern auch oft Fruchtsäften beigemischt wird, um die Konsumenten betrunken zu machen.

Biere (im landläufigen Verständnis) sind gegorenes Malz, das aus Getreide (etwa Gerste, Weizen) gewonnen wird. Das Gemisch aus Malz und Wasser wird mit Hopfen aufgekocht, die entstehende »Würze« bei niedriger Temperatur mit Hefe vergoren. Der Alkoholgehalt bewegt sich etwa zwischen 4 und 7 Vol % (zur allgemeineren Definition von Bieren s. oben).

2.2 Historisches


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