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Das CC©-Konzept

Integratives Therapiekonzept für Menschen mit Gedächtnisverlust und neurokognitiven Störungen

AutorAndreas Niepel, Ann Scholz
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl328 Seiten
ISBN9783456759005
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,99 EUR
Wie kann man Menschen mit neurokognitiven Störungen, die infolge eines Unfalls oder neurodegenerativer Prozesse an schweren Gedächtnisverlusten leiden in geschlossenen Settings bei der Genesung unterstützen? Antworten gibt das Praxishandbuch der erfahrenen Therapeuten Scholz und Niepel, die nach 25-jähriger Entwicklungs- und Zusammenarbeit mit Menschen mit Gedächtnisverlusten ein integratives und modulares Therapiekonzept vorstellen. Das CC-Konzept beschreibt die neuropsychologischen Grundlagen, Epidemiologie, Pathophysiologie und Folgen akuter neurokognitiver Störungen, die mit retrograden Amnesien sowie schweren Gedächtnisverlusten und Lernstörungen einhergehen bietet eine positive Basistherapie, die Gesundheit fördert, positive Emotionen und Wohlbefinden bereitet, Natur erleben lässt, Beziehungen, Bindungen und soziale Integration unterstützt, Identität, Selbst- und Sinnerleben ermöglicht, Bewegungslernen übt, Kontrolle und Orientierung erleichtert und Krisen bewältigen hilft ermöglicht im Rahmen einer Aufbautherapie alltagspraktische, kognitive, kreative, motorische, und sprachliche Fähigkeiten wieder zu erlernen, zu stabilisieren und fokussiert weiter zu entwickeln zeigt pflegerische Möglichkeiten, um die Autonomie, Alltags- und Bewältigungsfähigkeiten von Menschen mit Gedächtnisverlusten zu fördern erklärt, wie die Umgebung gestaltet werden kann, um Sicherheit zu vermitteln, Wahrnehmung zu erleichtern, Barrieren zu verringern und Menschen durch Naturerleben aufblühen zu lassen.

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Leseprobe

1 Inhalt und Struktur des CC©-Konzeptes


1.1 Was braucht der Mensch?


Die Eingangsfrage lautet: „Wie behandelt man einen Menschen, der nach einer erworbenen Hirnschädigung neurokognitive Störungen aufweist?“. Klingt, gerade nach dem Eingangsbeispiel, kompliziert? Ist es auch!

Der Versuch, diese Frage auf den kommenden Seiten passend zu beantworten, sollte daher vielleicht auch besser ein wenig einfacher beginnen. Damit wäre die erste Frage: Was braucht ein Mensch überhaupt (um zu gesunden)?

Dann kann es gerne ein wenig spezieller werden: Was braucht ein Mensch mit einem so hochkomplexen Gesundheitsproblem? Und schließlich muss es – gemäß des Anspruches an ein Therapiekonzept als ein System des gezielten Einwirkens auf ein solches Problem X – heißen: Wie organisiert man diese Überlegungen, dieses Vorgehen?

Dieses Buch stellt Ihnen einen spezifischen Behandlungsansatz und dessen praktische Umsetzung für Menschen mit komplizierten Gesundheitsproblemen vor. Nicht umsonst haben wir oben den Begriff hochkomplex verwendet.

Die Bezeichnung der „neurokognitiven Störung“ ist zwar zweifelsohne eine gute sachliche Beschreibung der Situation dieser Patienten. Sie ist klar, sie ist nicht bewertend oder gar stigmatisierend (wie oftmals die Begriffe Demenz oder gar das noch immer gebräuchliche HOPS; Hirnorganisches Psychosyndrom), sie ist umfassend, lässt Raum für unterschiedlichste Inhalte und klingt nicht zuletzt auch erfreulich undramatisch. Hier liegt aber ein erstes Problem: Die Auswirkungen dieser Störungen sind durchaus dramatisch! Es geht schließlich nicht nur um einzelne selektive Funktionseinschränkungen, sondern auch immer um Auswirkungen auf weitere vielfältige Bereiche. Diese Störungen greifen in das gesamte System des betroffenen Menschen ein. Hinzu kommt, dass die ursächlichen neurologischen Erkrankungen neben den kognitiven Beeinträchtigungen nahezu immer weitere Einschränkungen mit sich bringen, z.B. motorisch-funktionale Gesundheitsprobleme, die ebenso einer Behandlung bedürfen.

Wo sich die verschiedenen Folgen der Erkrankung zudem gegenseitig beeinflussen, reicht Interdisziplinarität innerhalb eines Konzeptes nicht aus.

Es geht eben nicht nur darum, dass möglichst viele unterschiedliche Therapien beteiligt sind, die dann aber in ihrem eingeschränkten speziellen Fachbereich verbleiben. Interdisziplinarität bedeutet, dass verschiedene Berufsgruppen an dem gleichen Gesundheitsproblem arbeiten, aber unabhängig voneinander. Das CC-Konzept richtet sich transdisziplinär aus. Erst durch eine Transdisziplinarität, also ein wirkliches gemeinsames Betrachten und Zusammenarbeiten, werden die Perspektiven in einem notwendigen Maß erweitert (Brand, Schaller & Völker, 2004).

Dieser Ansatz muss sich dabei im inhaltlichen Konzept wiederfinden. Auch die dafür notwendige organisatorische Grundlage beschreiben wir in diesem Buch. Die Veränderungen und Einschränkungen, welche „neurokognitive Störungen“ mit sich bringen und die Art, wie sie sich in der Interaktion mit Betroffenen zeigen, sorgen im Übrigen nicht selten dafür, dass mitunter von der „Unplanbarkeit“ gesprochen wird. Wir werden sehen, wie man diese Planbarkeit des „Unplanbaren“ angehen kann.

Es ist allerdings noch schlimmer, wenn man gar von einer „Untherapierbarkeit“ dieser Menschen hört. Dabei werden dann v.a. die aufgrund der amnestischen Störungen eingeschränkten Lernfähigkeiten sowie das mangelnde Störungsbewusstsein angeführt. Wie soll man jemanden behandeln, der sich an die Inhalte der Therapie nicht erinnert, beziehungsweise sie kognitiv nicht adäquat verarbeiten kann und der darüber hinaus subjektiv keinerlei Anlass und Bereitschaft für diese Therapie sieht?

Das ist aber nicht so! Das CC©-Konzept soll zeigen, dass eine Therapie durchaus möglich, sinnvoll und zielführend ist. Dafür reicht eben ein einfacher standardisierter Behandlungsplan nicht aus. Voraussetzung für eine sinnvolle und effektive Therapie ist eine allumfassende Auseinandersetzung mit der Wahrnehmung und dem Erleben – schlichtweg mit der Perspektive des Patienten.

1.2 Aufbau des Buches


An dieser Stelle soll ein Hinweis erlaubt sein. Dieses Buch behandelt, wie bereits erwähnt, zwei wichtige Themen: Zum einen natürlich die inhaltlichen Bestandteile des CC©-Konzeptes, seine Grundlagen, die daraus resultierenden Elemente und die besondere Art der Durchführung, zum anderen wie auch den Versuch einer Antwort auf die Frage: Wie behandelt man einen Menschen mit einer neurokognitiven Störung? Eingegangen wird aber auch auf die praktische Organisation bzw. Operationalisierung dieses Konzeptes und damit auf die zweite Frage: Wie organisiert man dieses?

Theorie und Praxis sind dabei nicht immer klar voneinander zu trennen. So sind die für dieses Konzept maßgeblichen, zeitlich relativ lang angelegten POSITIVen Basistherapien natürlich inhaltlich begründet, aber sie haben auch eine organisatorische Seite. Es erscheint auch wenig sinnvoll, ein integratives, viele Bereiche betreffendes Behandlungskonzept zu entwickeln, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie dieses dann vor Ort zu realisieren sei. Daher wird in den nachfolgenden Kapiteln immer wieder auf beide Aspekte eingegangen. Die Marschrichtung geben dabei jedoch die inhaltlichen Aspekte vor.

Was da so am Wegesrand liegt …

Alles CC oder was – wieso diese Abkürzungen?

Alles begann damit, dass es in der Klinik Holthausen vor gut 20 Jahren den Wunsch des Oberarztes Dr. Michael Amend gab, jene Patienten des Hauses, die das seinerzeit noch als „Hirnorganisches Psychosyndrom“ (gerne abgekürzt als HOPS) benannte Krankheitsbild zeigten, gemeinsam auf einer eigenen Station zu behandeln. Damals wurde ein Teilbereich der vorhandenen Station 1a umfunktioniert beziehungsweise kurzerhand geschlossen. Es ergab sich, dass die Station so den Zusatz eines zweiten Buchstabens, nämlich des „c“ bekam, also fortan 1ac hieß. Als nach einigen Jahren ein Umzug in einen speziellen Neubau vorgenommen wurde, welcher an anderer Stelle – der Station 1c – gebaut wurde, wurde dieser Zusatzbuchstabe mitgenommen und es entstand die 1cc. Im Rahmen des Umzugs in die 1cc-Räumlichkeiten, die im Übrigen direkt speziell als geschlossene Station geplant wurde, wuchs die Überzeugung, dass eine geschlossene Tür allein noch kein Konzept darstellt. Hierfür war v.a. der noch häufiger auftauchende Psychologe Winfried Mandrella verantwortlich. So wurde die therapeutische Arbeit spezialisierter und bald entstand intern der Arbeitsausdruck des „CC©-Konzeptes“ – und zwar, ohne dass noch irgendjemand wusste, was besagtes „C“ eigentlich bedeuten soll.

Im Laufe der nachfolgenden Jahre wurde das Konzept an der HELIOS Klinik Hattingen ständig weiterentwickelt. Ebenso fand ein regelmäßiger Austausch mit vielen anderen Einrichtungen statt, teilweise auch international, sodass auch amerikanische und taiwanesische Kollegen einbezogen wurden: „Let`s talk about Therapy ...“. So galt es, den englischsprachigen Kollegen zu erklären, welche kognitiven Störungen und nachfolgenden Verwirrtheitszustände (cognitive disorder and confusion) die zu behandelnden Patienten durch ihre Erkrankung erfahren. Es sei dabei erst einmal eine Grundvoraussetzung, derart verunsicherten Menschen eine besonders warme, ja herzliche Versorgung (cordial care) zukommen zu lassen. Bevor man sich dem Ziel einer Verbesserung und Veränderung (change and curative) zuwenden kann, muss zunächst daran gearbeitet werden, dass sich der Patient in der geschlosssenen Situation (closed context) sicher und wohl fühle; insbesondere im Sinne eines Störungsbewusstseins sollte der Patient die Zusammenhänge verstehen und annehmen können (contentment and consistence). Die Folgerung daraus: Man kann dieses Vorgehen nicht getrennt in Disziplinen durchführen, sondern muss immer verbundene Lebensbereiche (combined cluster) als Grundlage nehmen.

So führte die an „c“s reiche englische Sprache dazu, dass das „CC“ langsam eine eigene Bedeutung bekam. Daraus entstand dann mit der hier vorliegenden Erarbeitung, theoretischen Ausarbeitung und schriftlichen Niederlegung aus diesen Arbeitstiteln das CC©-Konzept.

CC = Cognitive Disorder & Confusion


Das Konzept wurde für Menschen mit neurokognitiven Störungen infolge erworbener Hirnschäden entwickelt. Dementsprechend werden ganz zu Anfang die zu behandelnden Menschen dargestellt. Dass dadurch zunächst eine sehr spezifische Auswahl von Patienten im Fokus steht, ist eine Folge davon, dass sich dieses Konzept nun einmal aus der täglichen Praxis mit genau diesen Menschen heraus entwickelt hat. Aber, so wird sich zeigen, eine komplette Abgrenzung, beispielsweise zu anderen neurologischen Erkrankungen, ist nicht nur schwer möglich, sie ist auch nicht erwünscht. Daher ist dieses Konzept auf andere Erkrankungen übertragbar, wie z.B. ein späterer Exkurs zum Thema der demenziellen Erkrankungen zeigen soll. Da die Übergänge demnach fließend sind, sei an dieser Stelle schon einmal darauf hingewiesen, dass der leicht unklare und auch sperrige Ausdruck von den „Menschen, die innerhalb des...

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