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E-Book

Und wenn man nicht mehr weiter will...?

Die Geschichte eines Lebens

AutorDorothy Tinfield
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl206 Seiten
ISBN9783732254828
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
'Die ewig Verstoßene', mein Trauma, mein Lebensgefühl! Ohne das Bewusstsein, einen gültigen Berechtigungsschein für diese Erde zu haben, führte mich meine Sicht der Selbstbetrach­tung immer tiefer in zerstörerische Verstrickungen und Süchte. Das Buch erzählt die Geschichte von Selbstablehnung und Verirrung. Ein Weg über Verlassenheit, Missbrauch und Misshandlung, gefangen in der Macht der Süchte UND ENDLICH GEFUNDEN! Das ist meine Geschichte vom Fallen und Aufgehobenwerden, von Schuld und Vergebung, von Verzweiflung und Trost. Ich möchte allen Mut machen, die genau diese Emotionen mit sich herumtragen: Es gibt Hoffnung, es gibt einen Weg. Es gibt wieder Lachen und Freuen. Lasst euch mit hineinnehmen in diese wunderbare Welt der Erkenntnis von etwas ganz Besonderem!

Mein Leben ist gekennzeichnet von vielen persönlichen Tief- und Rückschlägen. Alles begann schon mit 6 Jahren, als ich auf unschöne Weise erfahren musste, dass ich ein Heimkind bin. Es gab sexuellen Missbrauch und Beziehungen voller Gewalt und Drogenkonsum. Zuletzt fragte ich mich, ob das alles überhaupt noch Sinn macht. Die Suche nach Liebe und Annahme trieben mich in eine Sackgasse, bis das Leben von unerwarteter Seite eine völlig neue Wende nahm. Obwohl es mich noch durch viele Höhen und Tiefen führen sollte. Mit diesem Buch möchte ich anderen Menschen, die ähnliches erlebt haben wie ich, Mut machen. Es gibt immer einen Weg! Inzwischen arbeite ich als christlich-therapeutische Seelsorgerin, um Zusammenhänge zu durchschauen und tiefere Einblicke zu erkennen, damit ich andere Menschen in ähnlichen Umständen hilfreich begleiten kann. Heute lebe in einem kleinen Dorf an der Ostsee nahe der Insel Rügen. Auch diese glückliche Wende wurde in einer notvollen Situation geboren.

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Leseprobe

Der Sog tut seine Wirkung


 

Früh begann ich Zigaretten zu rauchen. Die stibitzte ich immer aus der Zigarettenpackung von Papa. So ganz vorsichtig ein oder zwei am Tag. Meine Kumpanin war wie immer die Olivia. Das Rauchen gestaltete sich für uns wie ein feierliches Ritual. Entweder auf einem Jägersitz, in unserem geliebten Baumhaus, oder in irgendeiner Höhle, die wir ausfindig gemacht hatten. In dieser Höhle fanden wir übrigens auch Tierskelette und einen Personalausweis von einem Mann. Wir bauten uns à la Emma Peel einen Krimi daraus zurecht und wollten dem „entflohenen Sträfling“ auf die Schliche kommen, indem wir diesem Phantom auflauerten. Wenn jetzt jemand denkt, ich hätte früh begonnen mit der Raucherei, so muss ich hier einfügen, dass mein Sohn mich bei weitem übertraf. Er traf sich mit fünf Jahren heimlich mit Teenies, die ihren Spaß daran hatten, den kleinen Kerl, gerade trocken hinter den Ohren, zum Rauchen zu animieren. Und sie hätten es nicht mit meinem und Bens Sohn zu tun gehabt, wenn sie dies nicht geschafft hätten!

So etwa mit 13 Jahren lernte ich Freundinnen auf dem Gymnasium kennen, die mir mehr zu bieten hatten als nur Zigaretten, und ich begann zu kiffen. Dazu gesellte sich aber gleichzeitig ein unheimlicher Zwang nach Alkohol. Ich denke, es war einfach das Bedürfnis, sich den Kopf zuzudröhnen! War mir das Leben zu schwer? Ich weiß es nicht! Nicht selten besoff ich mich bis zur Bewusstlosigkeit. Es geschah manchmal, dass ich nach Hause getragen werden musste. Meine Freunde schellten an der Haustüre und rannten dann schnell weg. Wenn von innen die Türe geöffnet wurde, fiel ich im Flur um, oder kotzte alles voll.
Wie oft saß ich zugekifft oder angetrunken beim Abendessen. Ich musste zu der Zeit immer zum Essen daheim sein. Aber ansonsten erinnere ich mich nicht großartig an Strafen. Außer, dass meine Eltern mich ziemlich kurz angebunden hielten und meine Ausgehzeiten beschnitten.
Eine Erziehungsmaßnahme scheiterte derart peinlich, dass meine Eltern sich später doppelt und dreifach überlegten, wie mit mir zu verfahren sei. Jedenfalls lautete diese Straf-Exekution am Samstag Abend anstatt „auf den Jöck“ zu gehen – so sagte Mama immer und ich fand den Ausdruck einfach scheußlich – mit zur Kirche! Irgendwie hatten sie das Bedürfnis, mich mit zu Gott zu schleifen, obwohl sie selber eigentlich mehr der Form halber gingen und weil ein ordentlicher Mensch es so tut.
Man hatte mich an diesem Tag aus der Schule nach Hause tragen müssen, so sehr hatte ich mich mal wieder betrunken. Diese Erziehungsmaßnahme Kirche vergaß ich nie.
Jedenfalls fand ich mich auf der Empore wieder, weil ich da ein bisschen anonymer verweilen konnte, so dachte ich, bis meine elende Übelkeit und die dünne Luft in den oberen Rängen bewirkten, dass ich im hohen Bogen meinen Magen vollständig über die Brüstung hinaus nach unten über der letzte Bankreihe entleerte und dann zusammenbrach. Ob und wie viele Menschen eine Kostprobe meiner Innereien bekamen weiß ich nicht, da ich später nie mehr wagte, diesen Abend auch nur zu erwähnen. Ich fiel jedenfalls erst einmal um und wurde hinausbefördert, was für mich bestimmt mildernde Umstände bedeutete.

Einmal wollte Papa mich aus der Disko holen, aber das Warnsystem dort funktionierte optimal, da sich diese Szene von besorgten Eltern öfter abspielte. Damals gab es kaum Diskos und unsre Eltern konnten das nicht einordnen. Für sie waren es einfach ganz schlimme, gefährliche Orte. Ich wurde jedenfalls rechtzeitig zum Hinterfenster hinausgeschleust. Papa hatte das wohl geahnt und nahm mich draußen in Empfang, bzw. entwischte ich ihm vor der Nase und rannte seltsamerweise heim, von ihm gefolgt auf den Fersen. Ich schloss mich in mein Zimmer ein, aber er war so wütend, dass er plötzlich im Zimmer stand. Da die Tür nicht kaputt ist, nehme ich an, dass ich selbst aufgemacht habe. Ich weiß, dass ich mich unter meine Bettdecke verkroch und er auf mich und ich auf ihn einschlug, beide heulend.
Dieser Mann, der mich als kleines Kind so sehr liebte, dass es schon sprichwörtlich in der Nachbarschaft war!
Dieser Mann, der in der Schule um mich bettelte!
Und jetzt kämpfte er immer noch für mich!! Was hab ich ihm nur angetan? Und das ist ja erst der Anfang!

Ich besuchte wie schon erwähnt damals das Gymnasium. Klug genug war ich wohl, aber stinkfaul. Hinzu kam Aufsässigkeit und Rebellion. Teilweise tranken wir vor der Schule schon Schnaps, geklauten, aus dem Supermarkt! Immer wieder kam es vor, dass wir Lehrer anhauchen mussten. Das bewirkte, dass wir uns fürchterlich über diese „Frechheit“ aufregten und hetzten. Ich hatte meine Gleichgesinnten, aber was viel schlimmer war, war die Tatsache, dass ich auch brave Mädchen mit in meine Machenschaften hineinzog. Bis dahin wohlerzogene Töchter kamen plötzlich betrunken heim.

Als ich sitzen blieb, weigerte sich ein Lehrer, mich in seine Klasse aufzunehmen, aber Diktat von Oben, er musste!

Dafür hasste er mich und ich ihn!
Ich durchwanderte mehrere Klassen doppelt, bis ich von der Schule musste. Mehrere ungenügend auf dem Zeugnis und eine Bemerkung in Betragen, die wohl selten auf einem Zeugnis gestanden hat. Ich hab‘s mir als Warndokument verwahrt, obwohl ich heute schon wieder soviel Abstand habe, dass ich leider drüber grinsen muss.

Die Realschule wollte mich auch nicht. So ist Papa bettelnd und gute Kinder versprechend, zu diesem Direktor gegangen. Und er hat sich erweichen lassen, es mit uns, das war Jamie ebenfalls, für ein halbes Jahr zur Probe, zu versuchen. Der gute Mann! Heute danke ich ihm noch für seine Menschlichkeit. Diesen Mann wollte ich nicht enttäuschen und ich gab mir viel Mühe. Klar, ich blieb ich, aber ich erkannte eben das Wohlwollen und das spornte mich an. Ich empfand es als ermutigende Zeit und die Lehrer kamen mir wie Menschen vor.
Mit 19 hatte ich dann meinen Realschulabschluss! Und nicht mit Glanz und Gloria!
James hatte mit mir die Schule gewechselt, aber bei ihm lag das anders. Er war ein lieber, aber kein guter Schüler. Er hatte es einfach schwer, die nötige Leistung zu bringen.
Eines Tages verließ er das Haus wie immer, um zur Schule zu gehen und tauchte dort nicht auf. Ebenfalls sein Freund. Als sie auch später nicht zuhause eintrafen, wurde die Sache schon merkwürdiger.
Von vielen Nöten zerrissen, trampte James mit seinem Freund über die Grenze ins Nachbarland. Er hinterließ uns ein faszinierendes Tagebuch, indem er herzzerreißend seine Nöte schilderte. James hatte eine Art sich auszudrücken, dass ein Deutschlehrer ihm vor Begeisterung die Note sehr gut mit Sternchen verlieh!
Er blieb Wochen weg. Er war erst 14. Die Sorgen hier zuhause waren unerträglich! Kein Hinweis, kein Lebenszeichen!

Interpol wurde eingeschaltet.
Eines Tages rief er von der Grenze an und bat flehentlich geholt zu werden.
Stinkend und hungrig brachten die Eltern ihn heim. Papa erzählte später, er hätte gemeint, zwei Kühe hinten im Auto zu befördern, so müssen die beiden gestunken haben.
Ja, sie hatten die Wochen wie Clochards verbracht, pennend im Freien oder in Obdachlosenasylen, wo sie auch manch Elend und Zwielichtigkeit mitbekommen haben. Sie versuchten zu jobben, dabei muss Jamie wohl in einem Imbiss mit dem Serviertablett die Glastheke zerdeppert haben und ihnen blieb nur die Flucht. Ständig hatten sie Angst geschnappt zu werden. Als die große Reue kam, versuchten sie, sich zu stellen, wurden aber von der Polizei nicht ernst genommen. Erst Angst vor der Polizei, später Hilfe suchend abgewiesen.
Viele Jahre später, James war schon verheiratet, ging er mal kurz aus dem Haus, nur um die Ecke Zigaretten holen, und kam nie wieder. Seine Frau löste die Wohnung auf und zog weg – und siehe da, ein halbes Jahr später reiste er ihr nach und beteuerte ihr seine große Liebe. Einige Jahre blieben sie noch zusammen, bekamen zwei Kinder, James eröffnete eine gutgehende Massagepraxis und es ging ihnen gut. Zu gut? Wenn James nicht so eine Lust zu so einem verpflichtenden Leben gehabt hätte!
So begann er zu spielen – bis seine Frau Konsequenzen zog! Und auch mit ihm ging der Weg bergab!

Mittlerweile hatte ich einen festen Freund. Ich war 15. Mit diesem war ich drei Jahre lang zusammen, die längste und beste Beziehung die ich jemals haben sollte. Er war gut zu mir! Er baute mich auf, gab mir Selbstbewusstsein. Er fand mich schön und ich begann es sogar ein wenig zu glauben. Er half mir sehr, mich anzunehmen wie ich war, wertvoll für ihn! Wertvoll überhaupt?
In dieser Zeit lebte ich relativ solide. Ich hatte Perspektiven, Zukunftsgedanken und -vorstellungen! Es lief mit der neuen Zeit in der neuen Schule konform.
Bau einen Menschen stabil genug auf, sodass er selbst das Laufen lernt, dann tritt er dich in den Hintern. Zumindest war ich Miststück genug, um so zu handeln!
Als ich mich dann selbst als doch nicht ganz so minderwertig ansah, kamen natürlich auch „höher gesteckte Ziele“. Gab es denn nicht einen besseren, besonders hübscheren Mann, einen, mit dem man auch äußerlich angeben könnte? Das waren meine damaligen Wertvorstellungen. Ich begann mich umzusehen und F. zu betrügen.
Mittlerweile war er bei der Armee. Und ich hatte nach mehreren Kostproben jemanden kennengelernt, bei dem ich „bleiben“ wollte.
Wie zieht man sich am besten und schmerzlosesten aus der Affäre? Man ruft einfach in der Kaserne an und macht mal eben telefonisch Schluss!
Diesen Schlag verkraftet nicht jeder so einfach. F. nicht!
Bei einem Manöver explodierte eine Handgranate in einem Brunnen und F. blieb wie durch ein Wunder...

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