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E-Book

Die rebellische Republik

Warum wir uns nicht mehr für dumm verkaufen lassen

AutorThomas Wieczorek
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783426409923
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Der Widerstand der Bürger gegen Ausbeutung, Willkür und Sozialabbau wächst! In Die rebellische Republik geht Bestsellerautor Thomas Wieczorek der aufgeheizten Stimmung in der Bevölkerung auf den Grund. Die Risse in der Sozialordnung klaffen immer weiter auseinander: Umverteilung nach oben, Sparzwang nach unten. Die Bürger sollen die Folgen der Krise ausbaden und die letzten noch verbliebenen Sozialleistungen als angeblich nicht mehr finanzierbar opfern. Obendrein dürfen sie nun bis 70 arbeiten und froh sein, wenn sie überhaupt noch einen Job haben. Doch die Menschen lassen sich nicht mehr länger für dumm verkaufen: Sie setzen sich zunehmend zur Wehr. Wieczorek zeigt eindrucksvoll, wie sich die Empörung der Bevölkerung Luft verschafft und in konkretes politisches Engagement und Aktivismus mündet. Ein aufrüttelndes Buch über den wachsenden Widerstand der Bürger gegen die herrschende Politik und die sozialen Missstände in unserer Gesellschaft.

Thomas Wieczorek (1953 - 2013) war Journalist und Parteienforscher. Nach einem VWL-Studium an der Freien Universität Berlin arbeitete er u.a. für die dpa und Reuters und als freier Journalist für die Frankfurter Rundschau, den Deutschlandfunk, den Südwestfunk sowie den Eulenspiegel. Thomas Wieczorek, der über 'Die Normalität der politischen Korruption' promovierte, war Autor mehrerer politischer Debattenbücher, darunter die Bestseller 'Die Dilettanten', 'Die verblödete Republik' und 'Die geplünderte Republik'.

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Leseprobe

Ein Gespenst geht um in Deutschland


Die Süddeutsche Zeitung spricht von einer »Protest-Demokratie«[1], der Spiegel von einer »Barrikadenrepublik Deutschland«[2], wieder andere warnen vor einer »Dagegen-Republik«[3], die Abteilung »Irre lustiger Vorspann« von hart aber fair verfällt auf »Deutschland 21 – Land der Schlichter und Stänkerer?«[4], und die Gesellschaft für deutsche Sprache kürt »Wutbürger« zum Wort des Jahres 2010. Diese abwertend-überhebliche Kennzeichnung, die außer seinem Erfinder, dem Spiegel-Angestellten Dirk Kurbjuweit[5], so gut wie niemand benutzt, soll jeden aktiven kritischen Bürger in die Nähe des Hysteriker-Darstellers Louis de Funès oder des legendären cholerischen HB-Männchens rücken. Aber das ist ein alter Hut: Je gefährlicher Trends oder Bewegungen den Herrschenden erscheinen, desto unflätiger die Wortwahl, desto zügelloser die Hetze – nun also gegenüber den rebellischen Deutschen.

Was denn: Die Deutschen und Widerstand? Passt das nicht zusammen wie die Malediven mit Rasterfahndung? Sind die Deutschen nicht eher ein Volk der Untertanen, Duckmäuser und Denunzianten, das sich mit egal welcher Obrigkeit schnell und bereitwillig arrangierte, das selbst zum Sturz der NS-Diktatur fremder Hilfe bedurfte und das man zur Zivilcourage – worunter man den in anderen Ländern selbstverständlichen Mut zum Einschreiten gegen Unrecht versteht – erst mit Kampagnen auffordern und mit Preisen ködern muss?

So meint man, dabei haben die Deutschen durchaus eine Geschichte des Widerstandes. Im Dritten Reich waren es zwar beschämend wenige – und von denen wollten viele lediglich einen NS-Staat ohne die Person Hitler –, aber es gab sie. Recht aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist auch ein Blick auf die gescheiterten Aufstände wie etwa die Bauernkriege (15.bis 17. Jahrhundert) oder den schlesischen Weberaufstand von 1844. Eine Ausnahme bildet die Märzrevolution von 1848/49 als Beginn der Deutschen Revolution, ausgelöst durch die erfolgreiche französische Februarrevolution.[6]

Nahezu ohne Gegenwehr der bis dahin Herrschenden bildeten die deutschen Einzelstaaten liberale »Reformministerien«. Als Erfolge der Märzrevolution gelten die Einführung des konstitutionellen Regierungssystems, der Pressefreiheit, der Schwurgerichte sowie die Vorbereitung von Wahlen zu einem deutschen Nationalparlament.[7] Eine bürgerlich-demokratische Verfassung konnte aber erst 1919 nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs als Ergebnis des Ersten Weltkriegs durchgesetzt werden. Den widersprüchlichen Verlauf der Märzrevolution schildert der Lyriker Ferdinand Freiligrath 1848 in einem vertonten Gedicht, das noch heute zum Standardliedgut »linker« Bewegungen zählt.

Trotz alledem

Das war ’ne heiße Märzenzeit,

Trotz Regen, Schnee und alledem.

Nun aber, da es Blüten schneit,

Nun ist es kalt, trotz alledem!

Trotz alledem und alledem –

Trotz Wien, Berlin und alledem –

Ein schnöder scharfer Winterwind

Durchfröstelt uns trotz alledem!

Das ist der Wind der Reaktion

Mit Meltau, Reif und alledem!

Das ist die Bourgeoisie am Thron –

Der dennoch steht, trotz alledem!

Trotz alledem und alledem,

Trotz Blutschuld, Trug und alledem –

Er steht noch und er hudelt uns

Wie früher fast, trotz alledem!

Die Waffen, die der Sieg uns gab,

Der Sieg des Rechts trotz alledem,

Die nimmt man sacht uns wieder ab,

Samt Kraut und Lot und alledem!

Trotz alledem und alledem,

Trotz Parlament und alledem –

Wir werden unsre Büchsen los,

Soldatenwild trotz alledem!

Doch sind wir frisch und wohlgemut,

Und zagen nicht trotz alledem!

In tiefer Brust des Zornes Glut,

Die hält uns warm trotz alledem!

Trotz alledem und alledem,

Es gilt uns gleich trotz alledem!

Wir schütteln uns: Ein garst’ger Wind,

Doch weiter nichts trotz alledem!

Denn ob der Reichstag sich blamiert

Professorhaft, trotz alledem!

Und ob der Teufel reagiert

Mit Huf und Horn und alledem –

Trotz alledem und alledem,

Trotz Dummheit, List und alledem,

Wir wissen doch: die Menschlichkeit

Behält den Sieg trotz alledem! …

Nur, was zerfällt, vertratet ihr!

Seid Kasten nur, trotz alledem!

Wir sind das Volk, die Menschheit wir,

Sind ewig drum, trotz alledem!

Trotz alledem und alledem:

So kommt denn an, trotz alledem!

Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht –

Unser die Welt trotz alledem!

Obwohl die Märzrevolution dem Volk nur einen halben Sieg brachte, war sie doch weit mehr als ein Unentschieden, denn man erkämpfte die Befreiung der Bauern für ganz Deutschland und die erste preußische Verfassung vom 31. Januar 1850.[8] Die schrieb zwar das Dreiklassenwahlrecht fest,[9] aber wenigstens hatten die Bürger jetzt »etwas Schriftliches in der Hand«, und insofern machte diese Verfassung Appetit auf mehr.

Hervorzuheben bleibt der als Novemberrevolution bekannte Übergang von der Monarchie zur parlamentarischen Demokratie im Jahr 1918. Der Name ist allerdings irreführend, denn sie bestand gerade aus der Niederschlagung der Januarrevolution (»Spartakusaufstand«), wie man den Generalstreik und die bewaffneten Kämpfe in Berlin vom 5. bis 12. Januar 1919 später nannte.

Der damalige SPD-Boss Friedrich Ebert, den laut Wikipedia »die heutige SPD … als eines ihrer größten Vorbilder«[10] sieht, hatte im Ersten Weltkrieg durch seine Politik des Burgfriedens und der Vaterlandsverteidigung durch Bewilligung der Kriegskredite im Jahr 1914 der Monarchie buchstäblich bis zum letzten Atemzug die Treue gehalten.

Nach dem Krieg wollte die SPD – »ist der Ruf erst ruiniert  …« – die alten kaiserlichen Eliten nicht völlig entmachten, sondern mit der neuen Demokratie versöhnen. Dazu verbündete sie sich mit der Obersten Heeresleitung und ließ den Spartakusaufstand mit Hilfe nationalistischer Killerkommandos blutig niederschlagen.[11] Am 6. Januar übergab der erst am 19. Februar als Reichspräsident inthronisierte, also zu diesem Zeitpunkt von keinem Menschen in irgendein Staatsamt gewählte Ebert den Oberbefehl über die Truppen in und um Berlin seinem SPD-Kumpan Gustav Noske, der sofort weitere »Freikorps« aufstellte. Zu organisierten Schlachten kam es nicht, da die Aufständischen nicht darauf vorbereitet waren; vielfach ergaben sie sich freiwillig. Dennoch erschoss das Militär über hundert Aufständische und eine unbekannte Zahl von unbeteiligten Zivilisten vor Ort. Ein Untersuchungsausschuss des Preußischen Landtags bezifferte die Zahl der Todesopfer später auf 156. Wie der international anerkannte und gewiss nicht als SPD-Hasser bekannte Historiker Hans Mommsen den Sozialdemokraten ins Stammbuch schrieb, folgten der militärischen Besetzung erhebliche Gewaltexzesse der braunen Horden, die vorherige Aktionen einiger Linker weit in den Schatten stellten.[12] Am 15. Januar 1919 wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von aufgeputschten Soldaten, also von Noskes Untergebenen, heimtückisch und kaltblütig umgebracht.

Als diese von der SPD-Führung zu verantwortenden Morde zu republikweiten Unruhen führten, war Noske erst richtig in seinem Element. Er hetzte Freikorps und Reichswehrverbände auf alle Andersdenkenden mit dem Ergebnis von etwa 5000 Todesopfern und einigen politischen Morden an führenden Vertretern der Linken.[13]

Zusammengefasst: Der oberste Chef der Mörder von Luxemburg und Liebknecht sowie 5000 weiterer Frauen und Männer war die SPD-Ikone Friedrich Ebert. Und ist die These wirklich so absurd, dass Ebert durch seine Kooperation mit den Monarchisten einen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg – und damit letztlich auch Adolf Hitler – erst möglich machte? Wieso hat die SPD ihre Stiftung eigentlich nach Friedrich Ebert und nicht gleich nach Gustav Noske benannt? Möglicherweise hat man ja gewürfelt …

Heinrich Manns 1914 fertiggestellte Satire Der Untertan spielt zwar in der wilhelminischen Ära, beschreibt aber auch das Verhalten einer gewissen Sorte Mensch von 1933 bis heute. Die Rede ist von der Radfahrermentalität: nach oben buckeln, nach unten treten. Als Lehre aus der Nazizeit nahm die damalige Generation mit: »nur nicht auffallen«, »nur nicht aus der Reihe tanzen«, »sich nie mit der Obrigkeit oder mit Stärkeren anlegen«, »sein Fähnlein stets nach dem Wind hängen«. So entsteht »Mob« oder »Pöbel« – eine Ansammlung feiger Würstchen, die in der Masse aber gemeingefährlich werden kann.

In der Nachkriegszeit kamen zwei Dinge zusammen: Zum einen hatte fast jeder Zweite irgendwie »Dreck am Stecken« und wollte kein...

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