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E-Book

Nur eine Tochter

Eine Frau verändert Afghanistan

AutorFausia Kufi
VerlagKailash
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783641065294
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Ein Leben, bewegender als ein Roman
»ES IST NUR EINE TOCHTER«, heißt es bei Fausia Kufis Geburt. Sie ist eines von 23 Kindern, die ihr Vater mit sieben Frauen gezeugt hat. Das ungewollte Baby wird ausgesetzt, um unter der sengenden Sonne in einer der wildesten Berggegenden Afghanistans zu sterben. Doch Fausia überlebt - ebenso wie sie andere bedrohliche Situationen überleben wird. Als ihr Vater von Mudschahedin getötet wird und die Familie in Ungnade fällt, suchen die Kufis Zuflucht in Kabul - nur um sich hier vor den Taliban schützen zu müssen, die an Macht gewinnen. Doch weder durch die Burka noch durch Repressalien lässt sich Fausia in ihrem Traum von Freiheit beirren. Als einziges Mädchen in ihrer Familie besucht sie die Schule, später die Universität. Sie heiratet einen Mann, den sie liebt, und bringt zwei Töchter zur Welt. Als ihr Mann an den Folgen der Folter stirbt, wagt Fausia das Unvorstellbare: Sie geht als Frau in die Politik. 2005 wird sie ins Parlament gewählt und setzt sich seither unermüdlich für die Rechte von Kindern und Frauen ein. Doch dieses Leben verlangt Opfer: Vor jeder Reise schreibt sie einen Brief an ihre Töchter Shohra und Shaharzad, denn sie weiß nicht, ob sie zurückkehren wird. »Nur eine Tochter« erzählt von einem Schicksal, das inspiriert und ermutigt. »Verliert niemals euren Mut zu träumen« - diese Botschaft Fausias an ihre Töchter richtet sich an uns alle.

Fausia Kufi wurde 1975 in Badachschan, einer Provinz im Nordosten Afghanistans, geboren. Sie studierte Medizin und arbeitete als Beauftragte für Kinder- und Frauenrechte für die UNICEF und andere soziale Organisationen. Seit 2005 ist sie Mitglied des afghanischen Parlaments und nahm an mehreren internationalen Debatten zur politischen Lage Afghanistans teil. Sie gilt als aussichtsreichste Kandidatin für die Präsidentschaftswahl 2014.

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Leseprobe
Brief an meine Mutter (S. 113-114)

Meine geliebte Mutter,

noch immer warte und hoffe ich auf deine Rückkehr. Noch immer stockt mir der Atem, wenn ich daran denke, dass du nicht mehr mit mir auf dieser Welt bist. Ich bin jetzt Politikerin. Aber manchmal bin ich auch nur ein dummes Mädchen, das Fehler macht. Geschieht das, stelle ich mir vor, dass du da bist und mich sanft tadelst und korrigierst. Wenn ich später als gewöhnlich nach Hause komme, meine ich immer noch, du stündest in deiner Burka im Hof, wartest auf mich und stupst mich durch die Haustür.

Am liebsten würde ich neben dir schlafen, zusammengerollt, wie ich es in deinen letzten Lebenstagen getan habe. Ich möchte neben dir liegen, die Finger in deinem Haar, und den Geschichten aus deinem Leben lauschen, Geschichten über gute und schlechte Zeiten, über Leid, Geduld und Hoffnung. Mutter, deine Geschichten haben mich das Leben gelehrt. Deine Geschichten haben mir beigebracht, dass ich als Frau Leidensfähigkeit und Geduld lernen sollte.

Ich erinnere mich noch an die Tage meiner Kindheit, an denen ich unglücklich war, wenn einer meiner Brüder mir verbot, in die Schule zu gehen, wenn ich mich nicht richtig auf den Unterricht konzentrieren konnte, wenn der Vater einer Schulfreundin sie mit seinem schönen Auto abholte oder wenn mir meine Freundin Nuria von ihrem Vater erzählte. Ich war furchtbar traurig, weil ich meinen Vater verloren hatte, und ein tiefer Kummer erfasste mein Herz. In diesen Momenten hielt ich mich für das schwächste und ärmste Mädchen der Welt – doch wenn ich dann an deine Geschichten dachte, gab mir das wieder Kraft. Was fiel mir nur ein, so schwach zu sein, wo du doch schon mit sechzehn Jahren geheiratet hattest? So oft musstest du ertragen, dass eine neue junge Frau meinen Vater heiratete. Trotz deines Schmerzes bliebst du aber bei ihm und seinen anderen Frauen, damit deine Kinder eine gute Zukunft hatten.

Du legtest viel Wert darauf, dass mein Vater in den Augen aller der beste Mensch der Welt war. Deshalb hast du besonders gut für seine Gäste gekocht und den Hof sauber gehalten. Deshalb bist du zu den anderen Frauen in der Familie immer freundlich gewesen, damit sie nicht eifersüchtig wurden und ihm Probleme bereiteten. Ich vergesse nie, wie du deine ganze Klugheit nutztest, um anderer Leute Probleme zu lösen, wenn Vater nicht da war, und wie wichtig es dir nach seinem Tod war, dass seine Kinder – Mädchen wie Jungen – zur Schule gehen und mit dir in einem Haus wohnen durften, damit du für sie da sein und ihnen bei ihren Problemen helfen konntest. Dir lag viel daran, dass aus meinen Brüdern charakterstarke Männer wurden, die etwas für ihr Land leisten konnten.

Du hast gelitten und gehungert, damit sie zur Schule gehen und die Universität besuchen konnten. Wenn ich all das bedenke, finde ich es immer noch faszinierend, dass du trotz der vielen Schwierigkeiten und der großen Verantwortung noch lachen konntest. Du hast dauernd gelacht. Ich wünschte, ich könnte meine Probleme wie du mit einem Lachen bewältigen. Mutter, deine Geschichten umfassten meine gesamte Welt. Interessanterweise wurden mir deine allabendlichen Geschichten mit wachsendem Alter immer wichtiger. Sie gaben mir vor dem Einschlafen ein ruhiges und sicheres Gefühl. Vielleicht versuchte ich auf die Art, dem Krieg um uns herum zu entfliehen.
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