Einführung in das Lernprogramm
Methodisch-pädagogische Überlegungen
Der Erfolg eines Lernprozesses hängt nicht nur von der sachlichen Richtigkeit der dargebotenen Information ab; er ist stark geprägt durch die Methode, wie der Lernstoff vermittelt wird. Deshalb muss in gebotener Kürze von Lernmethoden gesprochen werden. Zuvor sind Lernziel, Zielgruppe und Zeitplan zu skizzieren.
Lernziel
Dieses Buch zeigt wichtige Wege zum helfenden Gespräch, zum therapeutischen Dialog. Im Mittelpunkt steht das therapeutische Basisverhalten: Die wichtigsten Verhaltensweisen und Grundhaltungen eines Therapeuten werden dargestellt und eingeübt. Was dieses Buch anbietet, befähigt zu einer zuverlässigen und methodisch durchdachten Gesprächsführung.
Teil I dieses Lernprogramms ist der Gesprächspsychotherapie gewidmet (sie heißt auch klientenzentrierte oder personzentrierte Gesprächspsychotherapie) und bietet nach einigen einleitenden Kapiteln hauptsächlich die therapeutischen Methoden an, die von Carl R. Rogers (1902 – 1987) gefunden und von Reinhard Tausch weiterentwickelt wurden. In Deutschland werden sie von der „Gesellschaft für wissenschaftliche Gesprächspsychotherapie“ vertreten und vermittelt.
Ergänzend dazu handelt Teil II dieses Buches von einzelnen schwierigen Gesprächssituationen (z. B. Gesprächsanfang, Gesprächsabschluss, Gesprächspausen) und behandelt Themen wie „Distanz und Nähe“, „Schutz- und Abwehrmechanismen“, „Körperarbeit als Weg zum helfenden Gespräch“.
Zielgruppe
Das vorliegende Lernprogramm hat einen leicht überschaubaren Aufbau und bemüht sich durchgängig um sprachliche Formulierungen, die leicht zu lesen und zu verstehen sind. Insofern eignet es sich besonders für Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Seelsorger, Telefonseelsorger, Eheberater, Psychologiestudenten, außerdem für Psychologen und Mediziner, die psychotherapeutische Funktionen übernehmen wollen. Ein Teil des Lernstoffes eignet sich auch zur Schulung von Krankenschwestern, Gemeindehelferinnen, Diakonen, Seelsorgehelfern, Altenpflegern und ähnlichen Berufszweigen. Ehepartner und Eltern, die einzelne Teile dieses Buches durcharbeiten (z. B. die Kapitel „Gefahren und Laster der Gesprächsführung“, „Systematisches Zuhören“) werden mit ihren Familienangehörigen wesentlich besser kommunizieren und umgehen können.
Wer den genannten Personenkreis auszubilden oder fortzubilden hat, findet in diesem Buch ein praktikables und flexibles Arbeitsmaterial. Es kann von Lehrenden benützt werden, lässt sich aber auch ohne Anleitung durch Fachleute benutzen (Einzelstudium, Gruppenstudium von Lernenden).
Zeitplan
Wie viel Zeit zum Durcharbeiten des Lernprogramms benötigt wird, hängt ab von der Vorbildung des Lernenden, seiner Zielsetzung und seiner Einsatzbereitschaft. Eine Rolle spielt auch, ob man allein oder innerhalb einer Gruppe arbeitet und ob die Gruppe einen Trainer (Supervisor) hat.
Für das ganze Buch sind etwa 100 bis 200 Arbeitsstunden aufzuwenden. Viele Kapitel lassen sich aus dem Zusammenhang herauslösen und dann in kurzer Zeit bewältigen.
Ein Arbeiten in Zeitblöcken erweist sich als besonders wirksam. Für Lerngruppen gibt es folgende günstige Möglichkeiten:
(1) Anfangstagung von insgesamt fünf Tagen mit achtstündiger Arbeitszeit. Nach jeweils etwa drei Monaten Zwischentagungen von ungefähr drei Tagen. Schließlich eine Abschlusstagung von etwa drei Tagen.
(2) Anfangstagung von drei bis fünf vollen Tagen, dann wöchentliche Arbeitssitzungen von jeweils zwei bis drei Stunden. Es folgt eine Zwischentagung von mindestens zwei Tagen, dann weitere Arbeitssitzungen im Abstand von einer Woche. Schließlich eine Abschlusstagung von mindestens zwei Tagen.
Das Lernprogramm ist, mit wenigen Ausnahmen, so aufgebaut, dass es in kleinen, in sich selbstständigen Lerneinheiten erarbeitet werden kann.
Lernmethoden
Nachstehend wird in knapper Form aufgezeigt und begründet, welches pädagogische Konzept hinter diesem Lehrbuch steht. Um Eintönigkeit und Ermüdung zu umgehen, werden Vielfalt und Abwechslung innerhalb der Lernmethoden angestrebt, z. B. durch nonverbale Übungen und Visualisierungen, aber auch mittels Lerneinheiten, wo es etwas zum Lachen gibt, und über Körperarbeit.
1. Zum Thema „Impulsmethode“
Die einzelnen Kapitel dieses Buches sind nach dem Konzept der sogenannten „Impulsmethode“ gestaltet (Pöggeler 1964; Erl 1969). Die Information geschieht in der Form von Lernimpulsen und Denkanstößen, also in geraffter und gestraffter Form, in thesenhafter Kürze. Der Lernende hat die Aufgabe, die Lernimpulse selbstständig zu verarbeiten, wobei das Gespräch innerhalb einer Lerngruppe eine bedeutsame Rolle spielt. Für die Impulsmethode sprechen folgende Gründe:
Sie zwingt den Lehrenden
– „zu durchdachter und übersichtlicher Gliederung,
– zu Kürze und Deutlichkeit der Formulierung,
– zu einem Darstellungsstil, der eine Diskussion nahelegt“ (Die Volkshochschule 1968).
Sie führt bei den Lernenden dazu,
– „daß die Fähigkeit zu gedanklichem Nachvollzug nicht überfordert wird,
– daß ihre Aufmerksamkeit erhalten bleibt“ (Die Volkshochschule 1968),
– „daß sie zu eigenem Denken angeregt werden,
– daß sie ihr Wissen und ihre Kritik leicht in den Lernprozeß einbringen können,
– daß ihr Bedürfnis nach Information und Kommunikation befriedigt wird“ (Moser 1968),
– dass es im Gespräch miteinander zu einem intensiven Kommunikations- prozess kommt und also keine Einbahnkommunikation stattfindet.
2. Zum Thema „Arbeitspapier“
Die Kapitel dieses Buches sind als „Arbeitspapier“ entstanden und als „Arbeitspapier“ gedacht – der Leser muss intensiv und produktiv mit ihnen arbeiten. Er kann einzelne Passagen streichen oder unterstreichen, er kann den Text mit Ausrufezeichen und Fragezeichen versehen, er kann kritische und klärende Anmerkungen anbringen und ergänzende Informationen eintragen: Der breite Buchrand bietet Raum für vielerlei handschriftliche Eintragungen. – Um den Leser zu eigenem Arbeiten anzuregen, wird auf Vollständigkeit und Perfektion bewusst verzichtet.
Ein Arbeitspapier verlangt vom Benutzer, dass er sich beispielsweise folgende Fragen stellt:
– Verstehe ich alle gebotenen Informationen voll und ganz?
– Welche Informationen kann ich bejahen? Anhand dieser Frage kann der Lernstoff wiederholt und vertieft werden.
– Welche Informationen möchte ich kritisieren oder ablehnen? Anhand dieser Frage können Widerstände gegenüber neuen, ungewohnten und unbequemen Informationen teils bewusst gemacht, teils abgebaut werden.
– Welche Informationen fehlen, so dass ich hier ergänzen muss? Durch diese Frage soll zu eigenständigem, schöpferischem Arbeiten angeregt werden.
– Wie erlebe ich diese Informationen? Welche Gefühle und Wünsche werden in mir wach?
3. Aufbau der einzelnen Kapitel
Die meisten Kapitel bestehen aus fünf Teilen (Lernschritten):
– Lernimpuls,
– Begründung,
– kritische Reflexion,
– praxisnahe Hinweise,
– praktische Übungen.
Der Lernimpuls bringt, in thesenhafter Kürze, neue Informationen. Aus folgenden Gründen wurde die Thesenform gewählt:
Thesen ersparen dem Lernenden einen großen Zeitaufwand und lassen sich verhältnismäßig leicht im Gedächtnis speichern; Thesen bringen Verkürzungen und provozierende Härten mit sich und fordern so zum Mitdenken und Weiterdenken auf (während lange und rundherum abgesicherte Ausführungen den Leser manchmal ermüden und ihm Eigenaktivität vorenthalten).
Im zweiten Lernschritt erfolgt die Begründung des Lernimpulses.
Der dritte Lernschritt bringt unter der Überschrift Kritische Reflexion die nötigen Einschränkungen und Fragezeichen.
Innerhalb der Praxisnahen Hinweise geht es um die Hinführung zur Praxis und um konkrete Beispiele aus der Praxis. Diesen Hinweisen kommt eine besondere Bedeutung zu: Mit ihnen soll der Schritt von der Abstraktion zur Konkretion vollzogen, die Brücke von der theoretischen Einsicht zur praktischen Tat geschlagen werden.
Die Praktischen Übungen haben das Ziel, den neuen Lernstoff einzuüben (learning by doing) und mit Person und Verhalten des Lernenden zu verschmelzen (Tscheulin 1972). Durch permanentes und vielgestaltiges Üben wird der neue Lehrstoff repetiert und praktiziert; der Lernende kann sein Verhalten selbst kontrollieren und durch andere kontrollieren lassen, es kommt zu Rückmeldung und Rückkoppelung (feedback).
Die Einübung geschieht anhand von praxisnahen Beispielen und konkreten Aufgaben. Um das Üben abwechslungsreich und vielgestaltig zu machen, wird oft eine Fülle von praktischen Übungen angeboten; die einschlägige Literatur machte bislang nicht viele Angebote in dieser Richtung. Manche Übungen sind (im Sinne des selbsttätigen Unterrichts) für Einzelarbeit bestimmt, andere für die Gruppenarbeit.
4. Zum Thema „Gruppenarbeit“
Ein größerer Teil des vorliegenden Lernstoffs lässt sich im Einzelstudium...