Der längste Wahlkampf der Zweiten Republik
2.124.661 – so viele Stimmen erhielt Norbert Hofer am 4. Dezember 2016. Noch nie konnte ein freiheitlicher Kandidat bei einer Wahl mehr Wähler von sich überzeugen. Eine Zahl, ein Wahlergebnis, das, obwohl es knapp nicht für den Sieg gereicht hat, in der Geschichte der Freiheitlichen Partei Österreichs einen enorm hohen Stellenwert einnimmt. Genauso wird das Jahr der „Bundespräsidentenstichwahlwiederholungsverschiebung“ – das Wort des Jahres 2016 – in der Geschichte der Zweiten Republik lange in Erinnerung bleiben.
Man wird beides auch immer mit der Biografie Norbert Hofers in Verbindung bringen – hat er doch gemeinsam mit der freiheitlichen Bewegung das Jahr 2016 geprägt und gehört es doch sicherlich zu den spannendsten Abschnitten seiner bisher eindrucksvollen politischen Karriere. Aber nicht nur für Norbert Hofer selbst, sondern auch Historiker, Politikwissenschaftler, Soziologen und viele andere werden sich noch lange mit der Bundespräsidentschaftswahl beschäftigen können. Erster Durchgang, Stichwahl, Wahlwiederholung, Verschiebung der Wahlwiederholung – es dauerte letztendlich vom 24. April bis zum 4. Dezember (statt ursprünglich dem 22. Mai), bis ein neuer österreichischer Bundespräsident ermittelt werden konnte.
Die Wahl um das höchste Amt der Republik Österreich war ein wichtiger Bestandteil des Wiederaufstiegs der FPÖ, der letztlich in eine Regierungsbeteiligung nach der Nationalratswahl 2017 mündete.
Doch fast wäre es gar nicht so weit gekommen, dass Norbert Hofer kandidierte. Zunächst wurden zahlreiche Namen kolportiert: Karin Kneissl, Peter Fichtenbauer, Josef Moser, Johann Gudenus sowie Ursula Stenzel, die 2015 von der Volkspartei zur FPÖ gewechselt war, waren als Kandidaten durch die Medien gegeistert. Auch Irmgard Griss wurde zu einem Hearing der FPÖ eingeladen, genoss sie damals doch wegen ihres Berichtes zur Hypo-Bank in Kärnten ein gewisses Ansehen – sie wurde schließlich Gegenkandidatin. Selbst mit FPÖ-Parteiobmann Heinz-Christian Strache hat man als Kandidaten gerechnet.
Auch die Familie (Tochter Anna-Sophie, Ehefrau Verena, Kater Robert) wurde im Bundespräsidentenwahlkampf zur absoluten Stütze Norbert Hofers.
Der damals Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer wurde immer wieder ins Spiel gebracht. Er selbst hielt sich – mit 44 Jahren – jedoch für zu jung, um zu kandidieren, und zeigte keinerlei Ambitionen für das höchste Amt im Staate.
Diskussionen, Events, TV-Duelle – der Wahlkampf ging an die Substanz.
Die Medien setzten Norbert Hofer bei „Homestories“ in Szene.
Nachdem zuerst alles auf Ursula Stenzel hindeutete, konnten ihn der Bundesparteivorstand und letztendlich Heinz-Christian Strache doch davon überzeugen, als Kandidat der FPÖ ins Rennen zu gehen.
Strache selbst hatte Hofer am Tag der Entscheidung im Büro des Dritten Nationalratspräsidenten besucht und ihn in einem langen Gespräch von der Kandidatur überzeugt. Die beharrliche Weigerung Hofers veranlasste Strache sogar, das Schicksal entscheiden zu lassen. Strache – selbst begeisterter Schachspieler, der sich auch bei Wiener Landesmeisterschaften Spitzenplätze gesichert hatte – entdeckte in Hofers Büro ein Schachbrett, das dieser von seinem Vater geerbt hatte. Strache nahm in eine Hand eine Dame, in die andere einen König und ließ Hofer auf die geschlossene Hand tippen. Sollte Hofer den König wählen, wäre er Kandidat. Hofer wählte die Dame und zeigte sich erleichtert. Nach einer weiteren Diskussion wiederholte Strache den Vorgang. Wieder wählte Hofer die Dame. Fortuna war in ihrer Entscheidung unnachgiebig. Strache änderte daher seine Strategie. Er setzte auf Hofers Pflichtbewusstsein gegenüber den vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern der FPÖ und auf einen kurzen Wahlkampf.
Norbert Hofer war als Präsidentschaftskandidat ein absoluter Publikumsmagnet.
Stimmabgabe in Pinkafeld – insgesamt dreimal mussten die Österreicherinnen und Österreicher zur Wahlurne pilgern, um den Nachfolger von Heinz Fischer als Bundespräsidenten zu wählen.
Neben dem Wahlkampf hatte Norbert Hofer als Dritter Präsident des Nationalrats viele weitere Verpflichtungen – wie beispielsweise die Vorsitzführung bei Plenarsitzungen.
Bis zuletzt hoffte Norbert Hofer (hier im Bild mit dem damaligen FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache und Oberösterreichs-FP-Chef Manfred Haimbuchner) auf den Sieg in der Wahlauseinandersetzung.
Da niemand davon ausgehen konnte, dass ein freiheitlicher Kandidat erstmals die Stichwahl einer Bundespräsidentenwahl erreichen würde, meinte Strache wörtlich zu Hofer: „Bitte mach es für uns. Ein Wahlkampf ist anstrengend. Er dauert aber auch nicht lange.“ Hofer sagte zu. Zumindest der letzte Teil der Vorhersage sollte sich nicht bewahrheiten. Es wurde der längste Wahlkampf in der Geschichte unserer Republik.
Am Ende war es eine richtige und vor allem enorm wichtige Entscheidung für die Partei, Norbert Hofer dafür zu gewinnen – auch wenn diverse Medien ihn für komplett chancenlos hielten. In ersten Umfragen gestand man Hofer nicht mehr als 8–9 % zu – die FPÖ hatte damals in Umfragen jedoch teilweise Werte über 30 %, mehr als viermal so viel also –, es gelang ihm aber sehr schnell, die Umfragen auf den Kopf zu stellen. Schon nach den ersten Interviews und Diskussionen mit den Gegenkandidaten gestanden ihm bekannte österreichische Journalisten „den meisten Zug zum Tor“ zu. Ein bekannter österreichischer Politikwissenschaftler stellte nach einer Diskussionssendung sogar fest, dass Hofer heute „den Schalter umgelegt hat“. Ein Charakterzug, den man schon oft bei ihm festgestellt hatte. Er widmet sich ihm gestellten Aufgaben in voller Hingabe, gibt 100 Prozent.
Das Glas Milch am Abend nach einem anstrengenden Wahlkampftag – ein Fixpunkt für Norbert Hofer.
Norbert Hofer bei einer gemeinsamen Ausfahrt mit Fans auf dem Fahrrad.
In den vielen darauffolgenden Diskussionen, Interviews, Wahlkampfauftritten usw. zeigte Norbert Hofer, was für den weiteren Erfolg der FPÖ enorm wichtig war: Es gibt mehr als eine zugkräftige Person in der Partei. Durch seine Auftritte gewann die Partei noch einmal enorm an Profil und Breite, die kolportierte Regierungsfähigkeit wurde plausibel. Was dabei besonders positiv auffiel: Es wurde deswegen intern nicht gestritten. Während in anderen Parteien damals Streit um Spitzenpositionen an der Tagesordnung war, halfen in der FPÖ alle von der Basis bis zum Parteiobmann mit, um Norbert Hofer zu unterstützen. Auch die Sozialen Medien spielten im Wahlkampf eine so große Rolle wie noch nie. Ein Beispiel, das zeigt, wie wichtig es ist, mit den Menschen auch über Soziale Medien im Kontakt zu sein, war eine Fahrt nach Salzburg. Auf dem Weg zu einer Veranstaltung postete Norbert Hofer ein Video, das bis zur Ankunft über 60.000 Menschen gesehen hatten. Auch neu und in der Dimension bisher nicht dagewesen war der Wunsch nach Fotos mit den Kandidaten. Nach jedem Auftritt nahm sich Norbert Hofer für die Menschen Zeit, um mit ihnen ein Foto zu machen, ein kurzes Gespräch zu führen und sich ihre Anliegen, Probleme und Ideen anzuhören. Das dauerte je nach Größe der Veranstaltung ein paar Minuten, meist aber noch 2–3 Stunden.
Norbert Hofer und der heutige Bundespräsident Alexander Van der Bellen bei einer Diskussion im ORF.
Das amerikanische „Time“-Magazin nahm Norbert Hofer aufs Cover, die „Neue Südtiroler Tageszeitung“ machte ihn zur Neuauflage von Abwehrkämpfer Andreas Hofer.
Norbert Hofer erreichte im ersten Wahlgang am 24. April 35,1 % der Wählerstimmen und ging gegen seine Mitbewerber, Grünen-Kandidat Alexander Van der Bellen (21,34%), Irmgard Griss (18,9%), SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer (11,3 %), ÖVP-Kandidat Andreas Khol (11,1%) und Richard Lugner (2,3%) als Sieger hervor. Das Ergebnis ist insofern beeindruckend gewesen, da es das bisher beste Wahlergebnis für einen FPÖ-Kandidaten war.
In ganzen Zahlen bedeutet dies: Von 4.371.825 abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung 68%) erhielt Hofer 1.499.971.
Das Ergebnis hatte auch Folgewirkungen – der damalige Bundeskanzler Werner Faymann war in seiner Partei der SPÖ nicht mehr unumstritten, eine der Nachwehen des schlechten Abschneidens des SPÖ-Kandidaten Hundstorfer im ersten...