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E-Book

Glücksspielsucht

Ursachen – Prävention – Therapie

AutorFriedrich M. Wurst, Karl Mann, Natasha Thon
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl293 Seiten
ISBN9783456951041
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,99 EUR
Das Thema Glücksspielsucht ist in den letzten Jahren gleichermaßen in den Fokus klinisch-wissenschaftlicher Untersuchungen und politischer Kontroversen geraten. Die Datenlage neuer Untersuchungen aus Deutschland und Österreich – hinsichtlich Phänomenologie, Ätiologie, neurobiologischen und genetischen Faktoren – unterstützt die Einordnung des pathologischen Glücksspiels als Verhaltenssucht. Dabei ist davon auszugehen, dass in nahezu drei Vierteln aller Fälle wenigstens eine komorbide psychische Störung vor dem pathologischen Glücksspiel begann. Dieses Handbuch gibt Auskunft über Epidemiologie und Komorbidität der Glücksspielsucht einschließlich genderspezifischer und forensischer Aspekte, über Modelle der Ätiopathogenese und über Ansätze zur Diagnostik, Therapie und Prävention. Auf dieser Grundlage werden Sozialkonzepte und politische Fragen der Eindämmung pathologischen Glücksspiels diskutiert.

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Kapitelübersicht
  1. Impressum, Inhalt, Vorwort
  2. 1 Problematisches und pathologisches Glu¨cksspielen in der Allgemeinbevölkerung
  3. 2 Glu¨cksspielsucht – ein Risiko fu¨r Mann und Frau
  4. 3 Komorbide psychische Störungen beim pathologischen Glu¨cksspielen
  5. 4 Glu¨cksspiel im Gehirn: neurobiologische Grundlagen pathologischen Glu¨cksspielens
  6. 5 Lerntheoretische Erklärungsmodelle der Glu¨cksspielsucht
  7. 6 Forensisch-psychiatrische Aspekte der Spielsucht
  8. 7 Diagnostik pathologischen Glu¨cksspielens
  9. 8 Stationäre Therapie Spielsu¨chtiger: Chancen und Grenzen
  10. 9 «Sie hatten Glu¨ck, das war ihr Pech». Praxisrelevante Aspekte in der ambulanten Behandlung pathologischen Glu¨cksspiels
  11. 10 Die Wirksamkeit psychologischer und psychopharmakologischer Interventionen beim pathologischen Glu¨cksspiel – eine Metaanalyse
  12. 11 Psychotherapie pathologischer Glu¨cksspieler
  13. 12 Effektivität der Spielsperre als Maßnahme des Spielerschutzes
  14. 13 Die Einschätzung des Gefährdungspotenzials von Glu¨cksspielen: Ergebnisse einer Delphi-Studie und empirischen Validierung der Beurteilungsmerkmale
  15. 14 Glu¨cksspiel und Glu¨cksspielsucht in Deutschland – aktuelle Entwicklungen, Prävention und Spielerschutz
  16. 15 Möglichkeiten und Grenzen der Suchtprävention im «alten» und «neuen» Glu¨cksspielstaatsvertrag
  17. 16 Glu¨cksspiel und Glu¨cksspielsucht in Österreich – die Sicht des BMG
  18. 17 Glu¨cksspiel und Glu¨cksspielsucht in der Schweiz – Public Health und Spielerschutz
  19. Autorinnen und Autoren
Leseprobe
problematisches Spielen bei 0,64 % (N = 47). Der Vergleich der beiden Befragungen zeigte, dass der Anteil der Lottospieler um 4,5 % gestiegen war; insbesondere bei hohen Jackpots stieg die Zahl der Spieler, wobei die eingesetzten Geldbeträge 2009 gegenüber 2007 gesunken waren. Beim Spielen an Geldspielautomaten war die 12-Monats-Prävalenz hingegen von 2,2 % auf 2,7 % gestiegen. Der Vergleich des GABS zeigt, dass die Teilnehmer der zweiten Befragung dem Glücksspielen gegenüber deutlich skeptischer eingestellt sind, Männer und Jugendliche aber stärker irrationale Haltungen vertreten als Frauen. Außerdem wurde deutlich, dass Warnhinweise und Informationen oder Broschüren bezüglich der Gefahren des Glücksspielens 2009 von mehr Personen wahrgenommen worden waren als 2007. Insgesamt aber zeigt sich, dass bei den Prävalenzschätzungen zu pathologischem oder problematischem Glücksspielen keine signifikanten Unterschiede bei den beiden Befragungen festzustellen sind.

Die telefonische Befragung von Probanden birgt – wie bereits oben dargestellt – die Gefahr der Verzerrung; auch bei den beiden BZgA-Studien lag ein relativ kurzer Befragungszeitraum vor (2007: 8. August bis 19. September; 2009: 12. März bis 8. Mai), was die Teilnahmequoten beeinflusst haben kann. Außerdem kann die Verwendung des SOGS – wie oben bereits dargestellt wurde – zu einer Überschätzung der Prävalenz geführt haben (vgl. Tab. 1–1). Insgesamt ist die epidemiologische Befundlage zum pathologischen oder problematischen Glücksspielen sehr unbefriedigend. Die begrenzten Teilnehmerquoten in den einzelnen Studien lassen vermuten, dass potenzielle Subgruppen von pathologischen oder problematischen Glücksspielern unberücksichtigt, zumindest jedoch unterrepräsentiert sind.

Das kann allein durch den Ort der Kontaktaufnahme zu den Glücksspielern oder den Erhebungsmodus beeinflusst sein. Der Erhebungsmodus ist meist auf telefonische Befragungen beschränkt, was zu einem erheblichen Stichprobenbias führen kann (Williams & Volberg, 2009). In allen vier dargestellten Bevölkerungsstudien ist nur die 12-Monats-Prävalenz erhoben worden. Eine Erfassung der Lebenszeitprävalenz glücksspielbezogener Probleme ist aber für das vollständige Verständnis der Problematik notwendig und ermöglicht, auch Remissionsprozesse zu erfassen und besser zu verstehen. Der Kontakt zum Hilfesystem ist bislang vor allem in Studien aus klinischen Zusammenhängen analysiert worden. Remissionsprozesse ohne die Inanspruchnahme formeller Hilfen sind bislang in nationalen Studien jedoch nicht bearbeitet worden. Dabei ist aus der internationalen Forschung bekannt, dass die wenigsten pathologischen Glücksspieler formelle Hilfen in Anspruch nehmen, um eine Glücksspielproblematik zu überwinden (Hodgins & El-Guebaly, 2000; Laging, 2009; Suurvali, Hodgins et al., 2010). Die häufigsten Gründe hierfür sind u.a. Scham und die Angst vor Stigmatisierung oder die Unfähigkeit, sich das Ausmaß des Problems eingestehen zu können (Suurvali, Cordingley et al., 2009). Gerade die Analyse von Remissionsprozessen kann dazu beitragen, das Hilfesystem für Menschen mit glücksspielbezogenen Problemen zu verbessern und Konzepte für Prävention und Frühintervention im Glücksspielbereich zu entwickeln.

Ein in nationalen Studien vernachlässigter Bereich ist die psychiatrische Komorbidität bei glücksspielbezogenen Problemen. Bislang sind komorbide Störungen bei pathologischen Spielern nur im klinischen Setting erhoben worden (Premper & Schulz, 2008), Daten bezüglich der deutschen Bevölkerung liegen bis jetzt noch nicht vor. Auch beim Thema problematisches und pathologisches Glücksspielen bei Jugendlichen gibt es weiteren Bedarf an repräsentativen Daten angesichts der hohen Internet-Affinität von Jugendlichen und der weitgehend unkontrollierbaren Online-Glücksspielindustrie.

Projekt PAGE – Pathologisches Glücksspiel und Epidemiologie

Von Dezember 2009 bis Februar 2011 führten die Universitätskliniken Lübeck und Greifswald eine groß angelegte Studie zum Thema Glücksspielen in Deutschland durch. Ziel war es, den Kenntnisstand zu Bedingungen und Aufrechterhaltung problematischen und pathologischen Glücksspielens, Remissionsprozesse mit und ohne formelle Hilfen und Komorbiditäten zu verbessern und damit Einfluss auf eine Optimierung des Hilfesystems für problematische und pathologische Spieler zu gewinnen.

Die Studie bestand aus fünf Teilstichproben (vgl. Abb. 1–1): 1. Eine Zufallsauswahl von 14 022 Probanden im Alter von 14 bis 64 Jahren aus der Allgemeinbevölkerung, die nach einem dreistufigen Ziehungsverfahren bestimmt wurde. Dazu wurden zunächst proportional zur Einwohnerzahl in einer nach Kreisen und Glücksspielautomatendichte geschichteten Zufallsziehung 52 Gemeinden ausgewählt. Für diese Gemeinden wurde daraufhin eine Zufallsstichprobe von Telefonnummern generiert. Nach Ermittlung der gültigen Nummern von Privathaushalten erfolgte die Bestimmung der Zielperson durch die «Last-Birthday»-Frage.

2. Eine Zufallsauswahl von 1000 Zielpersonen, die ausschließlich über einen Mobilfunkanschluss telefonisch zu erreichen waren (Mobile Only).

3. Eine Stichprobe von Aktual-Spielern, die direkt an Glücksspielorten (Spielhallen, Kasinos) bezüglich einer Studienteilnahme angesprochen wurden.

4. EineStichprobevonaktuellenoderehemaligenpathologischenoderproblematischen Glücksspielern, die über Presseaufrufe in Zeitungen, Radio und Fernsehen sowie über einen Informationsflyer rekrutiert wurden.

5. Eine Stichprobe von Personen, die sich wegen ihrer Glücksspielproblematik in Einrichtungen befanden, in der eine erhöhte Prävalenz zu erwarten ist, wie glücksspielspezifische stationäre oder ambulante Einrichtungen, Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen, aber auch nicht-glücksspielspezifische Hilfeeinrichtungen wie Schuldnerberatungen oder Bewährungshilfe. Die Zielpersonen wurden zunächst in einem ca. 15-minütigen computergestützten Telefoninterview zu ihrem Spielverhalten befragt. Nach der Abfrage der Lebenszeitund der 12-Monats-Prävalenz für die einzelnen Spielarten wurde die DSM-IV-basierte Sektion pathologisches Spielen des WMH-CIDI (WHO, 1990) durchgeführt, um pathologisches oder problematisches Glücksspielen zu diagnostizieren. Sofern eine Diagnose gestellt werden konnte, erhielten die Probanden bei Teilnahmebereitschaft ein weiterführendes, ca. zwei bis vierstündiges computergestütztes Interview, für das die Interviewer die Probanden an ihrem Wohnort aufsuchten. In dieser vertiefenden Befragung wurde eine ausführliche Diagnostik der Achse-I-Störungen anhand des DIA-X/M-CIDI (Wittchen, Weigel et al., 1996) durchgeführt. Persönlichkeitsstörungen wurden mit dem Strukturierten Klinischen Interview für DSM-IV (SKID II; Fydrich, Renneberg et al., 1997)
Inhaltsverzeichnis
Glu?cksspielsucht. Ursachen – Prävention – Therapie1
Impressum5
Inhalt6
Vorwort8
Epidemiologie10
1 Problematisches und pathologisches Glu?cksspielen in der Allgemeinbevölkerung11
Zusammenfassung11
Einleitung11
Stand der internationalen Forschung12
Studien in Deutschland17
Projekt PAGE – Pathologisches Glu?cksspiel und Epidemiologie21
2 Glu?cksspielsucht – ein Risiko fu?r Mann und Frau27
Beginn genderspezifischer Spielsuchtforschung27
Prävalenz28
Ätiologie der Spielsucht – genderspezifische Aspekte30
Schlussfolgerungen36
3 Komorbide psychische Störungen beim pathologischen Glu?cksspielen42
Substanzbezogene Störungen43
Affektive Störungen50
Angststörungen55
Zwangsstörungen58
Andere psychische Störungen59
Persönlichkeitsstörungen62
Spezifische Persönlichkeitsfaktoren66
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen70
Ätiopathogenese82
4 Glu?cksspiel im Gehirn: neurobiologische Grundlagen pathologischen Glu?cksspielens83
Neurotransmittersysteme und pathologisches Glu?cksspielen84
Befunde aus neuropsychologischen und bildgebenden Studien bei pathologischem Spielverhalten87
Diskussion und Ausblick97
Schlussfolgerungen fu?r die Praxis101
5 Lerntheoretische Erklärungsmodelle der Glu?cksspielsucht110
6 Forensisch-psychiatrische Aspekte der Spielsucht116
Glu?cksspielkriminalität117
Schlussfolgerung: Forderung nach Therapiemaßnahmen127
Diagnostik und Therapie130
7 Diagnostik pathologischen Glu?cksspielens131
Klassifikation des pathologischen Glu?cksspielens131
Diagnostische Instrumente135
Diagnostischer Prozess142
Fazit144
8 Stationäre Therapie Spielsu?chtiger: Chancen und Grenzen147
Besondere Merkmale der bisher im Krankenhaus de La Tour behandelten Spielsu?chtigen148
Therapieangebot149
Ausblick155
9 «Sie hatten Glu?ck, das war ihr Pech». Praxisrelevante Aspekte in der ambulanten Behandlung pathologischen Glu?cksspiels157
Einladung zur Selbstreflexion158
Woran erkennt man abhängige Spieler und Spielerinnen?158
Spielertypologie160
Spielsucht, pathologisches Glu?cksspiel161
Fallbeispiele162
Individuelle und familiäre Folgen pathologischen Glu?cksspiels164
Ambulante Beratungs- und Behandlungsangebote am Beispiel der Spielsuchthilfe164
Erfordernisse ambulanter Behandlung pathologischen Glu?cksspiels174
Aus dem psychotherapeutischen Alltag175
Abschließende Bemerkungen186
10 Die Wirksamkeit psychologischer und psychopharmakologischer Interventionen beim pathologischen Glu?cksspiel – eine Metaanalyse188
Methode190
Ergebnisse194
Diskussion206
Schlussfolgerungen212
11 Psychotherapie pathologischer Glu?cksspieler217
Hintergru?nde und Therapieformen zur Behandlung pathologischen Glu?cksspiels217
Schwerpunkte der Psychotherapie pathologischen Glu?cksspiels219
Zusammenfassung223
Prävention226
12 Effektivität der Spielsperre als Maßnahme des Spielerschutzes227
Die Entwicklung227
Der aktuelle Befund228
Das Entwicklungspotenzial der Spielersperre229
Zwischenergebnis231
Spielhallen232
Schlussbemerkung233
13 Die Einschätzung des Gefährdungspotenzials von Glu?cksspielen: Ergebnisse einer Delphi-Studie und empirischen Validierung der Beurteilungsmerkmale234
Methodik236
Ergebnisse240
Diskussion245
Sozialkonzepte und politische Aspekte250
14 Glu?cksspiel und Glu?cksspielsucht in Deutschland – aktuelle Entwicklungen, Prävention und Spielerschutz251
15 Möglichkeiten und Grenzen der Suchtprävention im «alten» und «neuen» Glu?cksspielstaatsvertrag255
Sachstand255
Auswirkungen des Urteils des EuGH und «neuer» Glu?StV257
Problemfeld gewerbliches Glu?cksspiel260
Lobbyismus und Glu?cksspiel263
Weitere Gesichtspunkte eines neuen Glu?StV266
Verhaltenspräventive Entwicklungen und Versorgungsaspekte267
Monitoring und Infohotlines269
Fazit270
Deklaration möglicher Interessenskonflikte272
16 Glu?cksspiel und Glu?cksspielsucht in Österreich – die Sicht des BMG274
Wie stellte sich die Präventionslandschaft im Glu?cksspielsuchtbereich aus Sicht des BMG dar?275
Welche maßgeblichen Änderungen sind nun in der Novelle zum Glu?cksspielgesetz vorgesehen?275
17 Glu?cksspiel und Glu?cksspielsucht in der Schweiz – Public Health und Spielerschutz277
Theoretischer Rahmen277
Modellbeispiel Schweiz280
Autorinnen und Autoren290

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