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Die musikalische Förderung von autistischen Kindern und Jugendlichen

AutorMartin Dietrich
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2003
Seitenanzahl106 Seiten
ISBN9783638173339
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: 1,5, Pädagogische Hochschule Heidelberg (Institut für Geistigbehindertenpädagogik), Sprache: Deutsch, Abstract: Welche Ziele verfolgt musikalische Förderung und was macht sie so effektiv? Der Autor gibt didaktische Vorschläge zur musikalischen Förderung autistischer Kinder und Jugendlicher. Zu Beginn dieser Arbeit möchte ich zwei Beobachtungen voranstellen, die mich auf die Untersuchung dieser Thematik brachten. Die erste Beobachtung konnte ich während meines Zivildienstes in einem Freiburger Kinderheim 1995 - 1996 machen. Den zweiten für diese Arbeit ausschlaggebenden Impuls bekam ich während der Erstellung eines diagnostischen Fördergutachtens im Rahmen der Ausbildung zum Sonderschullehrer. Die zwei Beobachtungen sollen einen Spannungsbogen von Beginn dieser Arbeit bis hin zu ihrem Ende darstellen. Alle beschriebenen Erkenntnisse sollen darin auf das eigentliche Ziel weisen, nämlich die Überlegungen der didaktischen Umsetzung einer musikalischen Förderung bezogen auf die beiden erwähnten autistischen Jungen.

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Leseprobe

2 Was wäre ein Leben ohne Musik ?


 

Worum geht es ?

 

Die beiden Beispiele haben gezeigt, dass Musik Menschen dazu veranlassen kann Dinge zu tun, die sie in der Regel nicht durchführen. Die Musik hat in diesen besonderen Situationen eine Bedeutung für Sebastian und Calvin erlangen können. Es zeigt sich also: Musik hat eine besondere Bedeutung für das menschliche Leben. Innerhalb der Fragestellung, was ein Leben ohne Musik wäre, soll geklärt werden, welche Aspekte der Bedeutung die Musik in unserem Leben im Allgemeinen hat.

 

2.1 Die Bedeutung der Musik in unserem Leben


 

Überall erklingt Musik, zu Hause, bei der Arbeit, auf Reisen, im Auto, im Zug, im Flugzeug, ebenso in der Warteschleife des Telefons, in der Arztpraxis, im Kaufhaus, und natürlich auch im Kino, im Theater und Konzerten, in der Disco usw. [1]  Hierbei nehmen Menschen die sie umgebende Musik meist in passiver (rezipierender) Form wahr, aber auch das aktive Musik machen hat eine große Bedeutung in unserem Leben. So machen viele Menschen schon in jungen Jahren ihre ersten aktiven musikalischen Schritte in der musikalischen Früherziehung. Ebenso werden Theaterstücke in Kindergärten und Schulen mit Musik untermalt. Im Erwachsenenalter spielen dann viele Menschen in ihrer Freizeit Musikinstrumente. Entweder allein oder auch in der Gemeinschaft mit anderen Musikern setzen sie sich zusammen und lassen Musik der unterschiedlichsten Stilrichtungen erklingen. Musik ist ein Teil unserer Umwelt, sie ist Ausdruck des menschlichen Lebens, Ausdruck von Kultur und sie ist überall gegenwärtig.

 

2.1.1 Die Geschichtliche Bedeutung


 

Die Musik hat schon seit jeher eine große Rolle im Leben des Menschen gespielt.  Wahrscheinlich existierte bisher keine Kultur, die auf Musik im weitesten Sinne  verzichten konnte.

 

In der Antike hatte die Musik vor allem eine politische Bedeutung. Aus der Musik wurden im Sinne der Ethoslehre pädagogisch-therapeutische Funktionen abgeleitet, die zum Aufbau und zur Festigung des bestehenden Gesellschaftssystems dienlich waren. Daneben hatte auch die subjektive Musikbedeutung für den einzelnen Menschen und das individuelle Erleben ihren Platz. Jedoch war dies damals eine untergeordnete und verpönte Bedeutung der Musik. [2]

 

Im Mittelalter übertrug man die von Musik auf die Gesellschaftsordnung bezogenen ethischen Normen der Antike auf die christliche Religion. Es kam zu einer Wiederbelebung des antiken Gedankenguts. Dennoch trat in der Folgezeit das individuelle Erleben und Erfahren von Musik immer mehr in den Vordergrund. Dies zeigt sich in der Schaffung der sogenannten “Affektenlehre”, oder oft auch als “Sprache des Gemüts” bezeichnet. Hier bei ging es um die Darstellung von menschlichem Erleben durch bestimmte musikalische Formen. [3]

 

Komponisten der Moderne, die mit dem “über-Bord-werfen” alter Traditionen und Strukturen, einen weiteren entscheidenden Schritt taten, um ihrem eigenen Ausdrucksbedürfnis in der Musik noch mehr Raum zu geben.

 

Heute hat die Musik durch die Technisierung und Mediatisierung unserer Umwelt und deren rasanter Fortschritt eine nie dagewesene Bedeutung erlangt. Hierdurch konnte Musik jeden Stils für alle Menschen zugänglich werden. War der Zugang zu den verschiedenen Musikarten früher meist abhängig von sozialer Herkunft, von Geld, von Alter usw., ist dies heute nicht mehr der Fall. Musik ist von all dem unabhängig geworden. [4]

 

Ebenso ist die Musik nicht an Zeit und Ort gebunden. Immer und überall kann Musik gehört und gemacht werden. Durch die Medienvermittlung hören Menschen in Deutschland im Durchschnitt drei Stunden pro Tag Musik. [5] Aber auch das aktive Musik machen ist vielmals in Abhängigkeit von Medien und Technik geraten. Zum einen ist Musik in vielen Fällen über Lautsprechersysteme (PA-Anlagen) verstärkt, zum anderen kann Musik im Gegensatz zu früher immer häufiger allein gemacht werden. So gibt es Geräte, die Instrumente simulieren (Sequenzer) oder auch immer mehr Mit-Spiel-CDs, die in verstärktem Maße beim Erlernen eines Instruments eingesetzt werden.[6]

 

Doch auch vor der Technisierung und Mediatisierung hat Musik als Unterhaltungs- und Gebrauchsmusik das Leben der Menschen begleitet. Damals, wie heute dient sie zur “Optimierung von Lebensgefühl, Schaffung von Lebensqualität durch Musik - zur Unterhaltung, Freude, Ablenkung von Alltagsrealtität”.[7]

 

2.1.2  Die kulturelle Bedeutung


 

Der Mensch baute sich neben seiner biologischen Natur eine sogenannte "zweite Natur", die Kultur, auf. Die Kultur hatte und hat ihren unverzichtbaren Bestand seit Jahrtausenden. [8] Kultur ist alles, was der Mensch selbstgestaltend und schöpferisch hervorbringt. Dazu gehören neben der Technik, die Wissenschaft, das Recht, die Religion, die Moral usw. auch die bildenden Künste, wozu auch die Musik gezählt wird. Der kulturelle Ausdruck des Menschen im Bereich Musik “besteht entweder im Vollzug künstlerischen Schaffens (...) oder in der spezifischen  erlebnismäßigen Reaktion  auf ein wahrgenommenes Kunstobjekt (...).” [9]

 

Hier hat die Musik ihren Stellenwert als Ausdruck von Gefühlen, von Phantasie, von Gedanken, die unabhängig von passiver Wahrnehmung oder aktivem Ausüben ist. [10]

 

Die Bedeutung der Musik hat sich in der Menschheitsgeschichte immer gewandelt. So hatte sie mal eine bedeutende Rolle für den religiösen Kult, dann wieder für die Geselligkeit und immer wieder eine entscheidende Rolle für das Bedürfnis nach ästehtischem Genuß. Die Veränderung der Bedeutung der Musik konnte, mußte und wird in Zukunft stattfinden, da die Musik wandlungsfähig ist und der Mensch bei der Schaffung von Musik immer wieder nach Neuem strebt. [11]

 

2.1.3 Die Bedeutung für die Sozialisation und Enkulturation des Menschen


 

Die Begriffe Sozialisation und Enkulturation stehen in einem Wechselverhältnis. Während Sozialisation die Beeinflussung des Individuums durch dessen Umwelt beschreibt, geht es bei der Enkulturation um die “Aspekte der Auseinandersetzung des Individuums mit seiner Umwelt.” [12]

 

Für die Rolle der Selbstfindung, Cliquenbildung und Abgrenzung hat die Musik in der Sozialisationphase besonders von Jugendlichen eine große Bedeutung. Soziale Beziehungen werden unter anderem durch gleichen oder ähnlichen Musikgeschmack aufgebaut. “Die musikalische Sozialisation gilt als der Prozeß des Individuums, das seine musikalische Wahrnehmungs-, Urteils-, und Ausdrucksfähigkeit entwickelt und verändert.”  [13] Hieraus ergibt sich, dass individuelles Musikerleben sehr oft abhängig ist von den sozialen Beziehungen, und damit wiederum in Abhängigkeit von und Verbindung steht mit dem musikalischen Erleben anderer Individuen.

 

In der Enkulturationsforschung wird dagegen untersucht wie musikalisches Handeln im Umgang mit Musik die Grundlage für Musikverständnis und musikalischen Geschmacks ist und ein sich musikbezogenes Verhalten und Handeln des Individuums entwickelt. In diesem Prozeß baut ein Mensch “Erfahrungsinventare und Handlungskompetenzen” [14] auf, der aus Aneignung von Musik, dem Ausführen von Musik und dem Aufbau eines subjektiven Bezugs zu verschiedener Musik besteht.

 

Musik hat dementsprechend einen großen Einfluß im Aufbau von sozialen Beziehungen und im eigenen persönlichen Umgang mit ihr.

 

2.1.4 Die soziale Bedeutung


 

“Musik hat gesellige  Natur” schreibt A. SCHERING. [15] Die Musik hat im Gegensatz zu den anderen Künsten eine Kraft der Gesellschaftsbildung. Zum Einen dadurch, dass sich zum Musik machen in den meisten Fällen Gemeinschaften bilden, zum Anderen dadurch, dass die musikalische Aussagekraft Massen von Menschen mit gleicher oder ähnlicher Gesinnung miteinander verbindet. [16] Es zeigt sich hier die gemeinschafts-bildende Kraft der Musik, die unabhängig ist von rezipierender Wahrnehmung und aktivem Musik machen. Da treffen sich die einen zur Band- oder Orchesterprobe, während die anderen sich in der Disco bei der Musik vergnügen, die dem eigenen Musikgeschmack entspricht. Wieder andere gehen gemeinsam zu (klassischen) Konzerten, die anderen in den Jazzclub. Hier spielt die Bedeutung der Musik bei der musikalischen Sozialisation und Enkulturation mit hinein., die, wie bereits aufgezeigt, menschliche Beziehungen entstehen oder auch auseinander brechen lassen.

 

2.1.5 Die individuelle Bedeutung


 

Heute hat die Musik eine Bedeutung erlangt, die mehr und mehr das eigene Erfahren und Erleben in den Vordergrund stellt. Die Rolle der Musik zur Entspannung, zur Phantasieanregung, zur Persönlichkeitsbildung, zur Steigerung des Selbstwertgefühls und...

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