Die Empfindung der Empfindungslosigkeit. Verwirrungen entlang der Dualität von Rationalem und Irrationalem in Musils 'Die Verwirrungen des Zöglings Törleß'
Studienarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Technische Universität Dresden (Institut für Germanistik), Veranstaltung: Robert Musil, Sprache: Deutsch, Abstract: Musils Erstlingswerk 'Die Verwirrungen des Zöglings Törleß' erzählt von den Erfahrungen aus der Internatszeit eines jungen Knaben um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, wenn man es bei einer solchen Umschreibung beließe. Vielmehr wird das Wesen der Erfahrung selbst, entlang konkreter Schilderungen dergleichen, beständig in Frage gestellt. Um 1900 war eine Skepsis an den Erkenntnismöglichkeiten des Menschen und seinen sprachlichen Fixierungen allgegenwärtig. Im Schatten wie im Lichte dieser Unsicherheiten entstand der Roman. Neben dem psychologischen und innenperspektivischen Stil ist der pubertierende Protagonist der ideale Schauplatz einer authentischen und ungefestigten Denkweise, die in ihrer Naivität und unsicheren Reflexion das Sezieren der Erfahrung notwendig durchläuft, dessen Gehalt über pubertäre Wirrnis hinausreicht, und zugleich die konkrete Erschütterung der Zeit abzeichnet. Eine Zeit, die geprägt war von überkommenen Moralvorstellungen und kaum mehr haltbaren, traditionellen, patriarchalen Strukturen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, die aber vor allem bei progressiven Intellektuellen schon im Umbruch begriffen war. Das Interesse dieser Arbeit ist es, die Verwirrungen von Törleß aufzugreifen und entlang des Widerspiels von Verstand und Gefühl, von Rationalem und Irrationalem darzulegen. Das nach einer Einheit suchende Kontraspiel dieser sich aufdrängenden Dualität, das mir zugleich als eine existenzielle Erfahrung wie auch als tieferliegendes Substrat von Törleß' Verwirrungen erscheint, ist die Perspektive und das Vorzeichen der folgenden Ausführungen. Der Titel 'Empfindung der Empfindungslosigkeit' soll metaphorisch die Qualität dieser Suche beschreiben, die sich bei Törleß aus dem Gefühl einer Leere heraus ergibt. Er ist gezwungen, sich in Abgrenzung zu begreifen. Alles was ist, bekommt bei ihm gerade dadurch Gestalt, weil er versucht ist, zu ergründen, was es nicht ist. Sein gedankliches Bemühen steht in untrennbarer Wechselwirkung zu seiner emotionalen Situation. Und man kann trotz der behutsamen, empathischen Verwendung der auktorialen Erzählperspektive davon ausgehen, dass Törleß sogar noch weit mehr im Dunklen tappt als vermittelt wird.
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