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Diagnostik von Rechenstörungen

AutorClaus Jacobs, Franz Petermann
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl189 Seiten
ISBN9783840924293
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Ungefähr 6% aller Kinder leiden an einer Rechenstörung (Dyskalkulie). In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von Verfahren zur psychologischen Diagnostik veröffentlicht, die erstmals - getrennt nach Individual- und Gruppentests - systematisch gegenübergestellt werden. In der Praxis hat sich ein mehrstufiger diagnostischer Prozess bewährt, der in diesem Band anhand von Fallbeispielen ausführlich erläutert wird. Im Rahmen der Diagnosestellung kommt neben der Erfassung der Rechenleistung vor allem der Abklärung neuropsychologischer Basisfunktionen und psychosozialer Folgen eine große Bedeutung zu. Der Band gibt zunächst eine Übersicht über die Entwicklung der Zahlenverarbeitung und der Rechenfertigkeiten. Die Verbreitung, Ursachen und Subtypen der Dyskalkulie werden beschrieben. Aktuelle Rechentests (Individual- und Gruppentests) werden vorgestellt und kritisch bewertet. Davon ausgehend werden die verschiedenen Ebenen des diagnostischen Vorgehens erläutert. Diese Ebenen umfassen neben Anamnese und Basisdiagnostik von Rechenstörungen auch Schritte zur Abklärung von Komorbiditäten. Zwei ausführliche Fallbeispiele veranschaulichen den mehrstufigen diagnostischen Prozess. Der Band liefert damit einen fundierten und praxisnahen Leitfaden für eine differenzierte Diagnosestellung von Rechenstörungen.

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Kapitelübersicht
  1. Vorwort der Herausgeber
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. 1 Einführung
  4. 2 Theorien und Modelle der Zahlenverarbeitung und Rechenfertigkeiten
  5. 3 Entwicklung mathematischer Kompetenzen
  6. 4 Ursachen, Verlauf und Komorbiditäten
  7. 5 Rechentests und ihre Anwendungen
  8. 6 Diagnostik von Rechenstörungen in der Praxis
  9. 7 Fallbeispiele
  10. Literatur
  11. Anhang
Leseprobe
Die abstrakte Repräsentation wird benötigt, um die Zahleninformation kognitiven Prozessen (wie etwa Rechenprozessen) zugänglich zu machen. Diese Repräsentation stellt man sich als eine Basismenge innerhalb einer Zahl (etwa vier bei Viertausend) vor, die mit einem Exponenten mit der Basis 10 verknüpft ist (etwa 10 mit dem Exponenten 3 für Tausend), also 4 • 103. Die Zahlenproduktionsmodule übersetzen die semantische Reprä­ sentation in das gewünschte Ausgabeformat (Output).

Die Inputmodule (das Zahlenverständnis) und die Outputmodule (die Zah­ lenproduktion) unterteilen sich jeweils in eine arabische Form (etwa 3.020) und eine verbale Form (etwa dreitausendzwanzig, vgl. Abb. 2). Bei der verbalen Produktion wird dabei zusätzlich zwischen gesprochener und ge­ schriebener Wiedergabe unterschieden. Eine weitere Unterscheidung wird zwischen lexikalischen und syntaktischen Prozessen getroffen.

So wird für die Übersetzung einer Zahl wie etwa Dreitausendzwanzig aus dem verbalen, grafischen Zahlenverständnismodul in die abstrakte Reprä­ sentation zunächst eine lexikalische Zuordnung der einzelnen Elemente in­ nerhalb einer Zahl benötigt (in Lesereihenfolge: Drei = 3 • 10 mit Exponent 0; -tausend= 0 • 10 mit Exponent 3; -zwanzig = 2 • 10 mit Exponent 1). Im Anschluss erfolgt eine semantische Prozedur, bei der erkannt wird, dass, weil die „tausend“ auf die „Drei“ folgt, die „Drei“ mit 10 mit Exponent 3 verknüpft ist, sodass die vollständige Übersetzung als semantische Reprä­ sentation 3 • 10 mit Exponent 3 und 2 • 10 mit Exponent 1 lautet.

Durch eine Reihe von Einzelfalldarstellungen wird das Modell von McClos­ key et al. (1985) gestützt (vgl. Harskamp & Cipolotti, 2001; McCloskey, 1992). Dieses Modell kann man als Single-Route-Modell bezeichnen, da nur ein Verarbeitungsweg vom Input zum Output über die abstrakte Repräsentation angenommen wird. Eine Modifikation des McCloskey­Modells haben Ci­ polotti und Butterworth (1995) vorgeschlagen.

2.2 Zahlenverarbeitung als semantische und asemantische Transkodierung

Das Modell von Cipolotti und Butterworth (1995) nimmt nicht nur eine Transkodierungsroute (Single-Route), sondern zwei Routen an und ist daher ein Multi-Route-Modell. Es sieht neben den semantischen auch asemantische, also nicht bedeutungserschließende, Transkodierungsrouten vor (siehe die etwas größeren Pfeile in Abb. 3). Das heißt, eine Übertragung kann aus den Inputmodulen in die Outputmodule erfolgen, ohne dass der aufgenommenen Zahleninformation eine Bedeutung zugeordnet wird. Wenn etwa eine Eingabe in das System als arabische Zahl (etwa 5) erfolgt, dann werden folgende Module durchlaufen:
– Eingabesystem für arabische Zahlen,
– Verständnis für arabische Zahlen,
– abstrakte Repräsentation,
– Produktion arabischer Zahlen in das Ausgabesystem für arabische Zahlen (z. B. die Ziffer 5) oder
– Produktion von Zahlwörtern in das Ausgabesystem für geschriebene
Zahlen (schriftlich Fünf) oder in das Ausgabesystem für gesprochene Zahlen (gesprochen Fünf).
Inhaltsverzeichnis
Vorwort der Herausgeber7
Inhaltsverzeichnis9
1 Einführung13
1.1 Erscheinungsformen13
1.2 Klassifikation und Diagnosekriterien16
2 Theorien und Modelle der Zahlenverarbeitung und Rechenfertigkeiten19
2.1 Zahlenverarbeitung durch semantische Transkodierung19
2.2 Zahlenverarbeitung als semantische und asemantische Transkodierung22
2.3 Zahlenverarbeitungsmodule nach Dehaene23
2.4 Befunde zur Organisation von Rechenprozessen26
2.5 Lokalisation von an Rechen- und Zahlenverarbeitungsprozessen beteiligten Hirnarealen28
2.6 Schlussfolgerungen34
3 Entwicklung mathematischer Kompetenzen36
3.1 Gleich-Ungleich-Relationen36
3.2 Kleiner-Größer-Relationen bzw. Rangordnungen37
3.3 Rechenfähigkeiten bei Babys und Kindern38
4 Ursachen, Verlauf und Komorbiditäten45
4.1 Epidemiologie45
4.2 Komorbiditäten49
4.3 Fazit aus der Epidemiologie und den Komorbiditäten53
4.4 Subtypenbildung55
5 Rechentests und ihre Anwendungen58
5.1 Schulleistungstests59
5.2 Dyskalkulietests64
5.3 Zusammenfassende Beurteilung91
6 Diagnostik von Rechenstörungen in der Praxis94
6.1 Diagnostischer Prozess96
6.2 Erste Ebene: Anamnese und Exploration97
6.3 Zweite Ebene: Basisdiagnostik102
6.4 Dritte Ebene: Differenzialdiagnostik105
6.5 Fehleranalyse110
6.6 Vierte Ebene: Das Abschlussgespräch110
7 Fallbeispiele112
7.1 Fallbeispiel 1: Melanie112
7.2 Fallbeispiel 2: Mark132
Literatur158
Anhang175
Explorationsleitfaden für Elterngespräche177
Mögliche Rechenfehler: Eltern-Checkliste183
Mögliche Rechenfehler: Lehrer-Checkliste185
Abkürzungsverzeichnis der Testverfahren187

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