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E-Book

Körperglück

Wie gute Gefühle gesund machen

AutorWerner Bartens
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783426559802
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Forschungsergebnisse belegen: Unser Körper ist ein Spiegel unserer Gefühle. Die Anfälligkeit für Rückenschmerzen etwa lässt sich zuverlässig anhand eines Persönlichkeitsprofils voraussagen. Und wer seine Angst vor dem Zahnarzt bekämpft, tut zugleich etwas gegen die Schmerzen. Der Arzt und Bestsellerautor Werner Bartens nimmt uns mit auf eine Reise zu den Gefühlen und verrät, wie sie unsere Gesundheit stärken können. Körperglück von Werner Bartens: als eBook erhältlich!

Dr. med. Werner Bartens, geboren 1966, hat Medizin, Geschichte und Germanistik studiert. Der leitende Redakteur der 'Süddeutschen Zeitung' wurde u.a. als 'Wissenschaftsjournalist des Jahres' ausgezeichnet. Er hat als Arzt und in der Forschung gearbeitet und ist Autor u.a. von Bestsellern wie 'Was Paare zusammenhält' und 'Körperglück'. https://www.youtube.com/channel/UCL7pQAF4Mek16CrpNEwF-ag

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Leseprobe

Ein Herz und eine Seele


»Die quälenden Erinnerungen an Schmerzen sickern durch das träumende Herz«, schrieb der griechische Dichter Aischylos vor 2500 Jahren. Heute sind aus den poetischen Worten konkrete Risikofaktoren geworden: Eine Depression, soziale Vereinsamung und übermäßige Arbeitsbelastung begünstigen einen Herzinfarkt ebenso wie Rauchen, hoher Blutdruck oder erhöhtes Cholesterin.[82]

Forscher der Universität von Hawaii entdeckten, dass auch unbewältigter Stress den Cholesterinspiegel erhöhen kann – ein weiterer Risikofaktor, der Herzinfarkte begünstigt. Probanden, die gut mit starken Belastungen umgehen konnten, hatten hingegen einen höheren Anteil des »guten« HDL-Cholesterins im Blut, das die Adern schützt und am Abbau des Cholesterins beteiligt ist. Depressive Verstimmung gilt mittlerweile als ebenso großer Risikofaktor für einen Herzinfarkt wie Bluthochdruck. »Es gehört zu den erstaunlichsten Erkenntnissen der letzten Jahre, wie stark sich Depression und Infarkt beeinflussen«, sagt Peter Henningsen. »Auch unter Kardiologen ist das noch viel zu wenig bekannt. Nur auf körperliche Faktoren wie Rauchen, Bluthochdruck und Diabetes zu achten ist zu wenig.«

Weil manche Ärzte die psychische Situation ihrer Patienten nicht beachten, werden viele Herzleiden übersehen. Umgekehrt lässt sich häufig auch schon aus der intensiven Befragung der Patienten erkennen, dass bei ihnen keine bedrohliche Verengung der Kranzgefäße vorliegt. Da aber viele Ärzte der Technik mehr vertrauen als ihrem Gespür und Einfühlungsvermögen, werden viel zu viele Darstellungen der Herzkranzgefäße mit Kontrastmittel angeordnet. Mehr als zwanzig Prozent dieser Koronarangiographien ergeben einen normalen, unauffälligen Befund.

In einer großen internationalen Studie, in der in 52 Ländern mehr als dreißigtausend Teilnehmer untersucht wurden, beobachteten kanadische Forscher, dass emotionale Belastungen das Infarktrisiko deutlich erhöhen – und das nicht nur in den Industrieländern.[83] Die Belastung durch Stress und Unzufriedenheit in Beruf, Familie oder Partnerschaft erhöhte das Infarktrisiko um den Faktor 2,67. Damit wirkten sich emotionale Belastungen fast so stark auf die Gefahr aus, einen Herzinfarkt zu bekommen, wie der klassische Risikofaktor Rauchen (Faktor 2,87) und noch stärker als etwa Diabetes (Faktor 2,37) oder Bluthochdruck (Faktor 1,91).

Forscher aus Schweden untersuchten 24000 Probanden aus 52 Ländern genauer auf die Art und Weise ihrer Belastungen.[84] Sie stellten vier einfache Fragen – ob die Teilnehmer Stress zu Hause oder im Beruf empfanden, ob sie unter finanziellen Belastungen litten und ob sie im vergangenen Jahr ein schmerzhaftes Lebensereignis zu bewältigen hatten – etwa den Verlust eines Partners oder den Umgang mit einer schweren Krankheit. Unter den Patienten, die einen Infarkt erlitten hatten, wurden alle vier Fragen häufiger mit Ja beantwortet. Je nach Intensität und Dauer der Belastung war das Infarktrisiko durch die Stressfaktoren unterschiedlich stark erhöht – im Extremfall um das Vierfache.

Offenbar führt die Art der Belastung sogar zu unterschiedlichen Symptomen: Ängste und Phobien provozieren anscheinend eher Rhythmusstörungen, Depressionen eher Koronargefäßverkalkung. Ärger und Frustrationen erhöhen das Risiko für Arteriosklerose.

Warum Frust und Unzufriedenheit so stark aufs Herz schlagen, ist noch nicht im Detail bekannt. Dass es so ist, lässt sich sogar bei Tieren beobachten. Im Zoo von Philadelphia hat sich in den 1950er Jahren die Häufigkeit der Gefäßverkalkung bei Säugetieren und Vögeln erhöht, als die Käfige eine Weile überfüllt waren und die Tiere in sozialen Stress gerieten, weil sie sich nicht mehr in Ruhe bewegen konnten.

Laut einem populären Erklärungsmodell der Wissenschaftler kommt es bei psychischen Belastungen und Stress zu kleinen Entzündungen im Körper. Diese wiederum fördern die Entstehung von Blutgerinnseln und Verklumpungen, die in einer Gefäßverkalkung und –verstopfung enden können. Wobei, das ist immer wieder wichtig, Stress nicht gleich Stress ist. Wichtig ist, wie die Belastung empfunden wird. Es gibt Lebenskünstler, die viel gesünder leben, weil sie auch das vermeintlich Schwere leicht nehmen.

Wenn das Herz leidet, schlägt das aufs Gemüt. Umgekehrt können Erschöpfung und Depression auch das Herz belasten. Im Volksglauben ist dieser Zusammenhang fest verankert, doch die Wissenschaft interessiert sich erst seit relativ kurzer Zeit dafür. Inzwischen zeigen neue Forschungsergebnisse jedoch, wie massiv Herz und Seele aufeinander reagieren.[85] Kurz vor dem Infarkt verstärken sich die Symptome. Karl-Heinz Ladwig und sein Team konnten dies zeigen, indem sie Abrechnungsdaten der Krankenkassen von Tausenden Patienten auswerteten. »Ein paar Tage vor dem Infarkt gingen die Leute gehäuft zum Arzt«, sagt Ladwig. »Dort wurden aber keine Herzmedikamente verordnet, sondern hauptsächlich Psychopharmaka.« Seelische Nöte und Erschöpfung, nicht Herzbeschwerden, standen im Vordergrund der Leiden.[86]

In den 1980er Jahren hat der Psychosomatiker Adrian Appels von der Universität Maastricht erstmals beschrieben, dass die von ihm so bezeichnete »vitale Erschöpfung« auf Angina Pectoris und damit auf einen drohenden Infarkt hinweisen kann.[87] Fast viertausend Männer beobachtete der niederländische Mediziner über mehr als vier Jahre. Dann zeigte sich: Starke Abgeschlagenheit und Erschöpfung, besonders aber das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, ließen die Herzkranzgefäße bedrohlich verengen. Appels fragte sich damals: »Was haben Frauen bei ihren Männern vor einem Infarkt beobachtet, was wir Ärzte mit unseren technischen Mitteln nicht sehen konnten?« Zumeist war dem Herzschlag ein unerklärlicher Leistungsabfall der Männer vorausgegangen.

Mittlerweile ist bekannt, dass depressive Veränderungen häufiger bei Menschen auftreten, die einem Verhaltensmuster entsprechen, das früher als Typ A oder Managerpersönlichkeit bezeichnet wurde – ehrgeizig, aggressiv, leistungsorientiert. »Diese Leute essen oft schnell und lassen andere nicht ausreden«, sagt Ladwig. Sie erleben beruflich wie privat viel Reibung, der sie standhalten müssen, was irgendwann nicht mehr gelänge. Sie sind nicht sehr stressresistent. Dann würden sie pessimistisch, verlören das Interesse an Dingen, die sie zuvor begeistert haben, fühlten sich leer und gefühlskalt. Psychosomatiker kennen dieses Phänomen als »emotional freezing«.

Diese Form von Niedergeschlagenheit entspricht keiner schweren Depression, die Erkrankte antriebsarm und arbeitsunfähig macht und nur an Suizid denken lässt. Nur wer genau hinschaut oder die Betroffenen gut kennt, sieht die Veränderung. Die Menschen haben plötzlich chronisch negativ getönte Gefühle. Sie können zumeist noch arbeiten, haben Familie und werden nicht automatisch für krank gehalten. Eine große Studie mit britischen Beamten hat gezeigt, dass depressive Verstimmungen und ein erhöhtes Infarktrisiko besonders ausgeprägt waren, wenn sie wenig Rückhalt am Arbeitsplatz erlebten und sich ungerecht behandelt fühlten.[88]

Auffällig ist, wie oft die beiden großen Volksleiden Herzinfarkt und Depression gemeinsam vorkommen. 17 bis 27 Prozent der Patienten mit Koronarer Herzkrankheit leiden zusätzlich an einer Depression. »Bis zu zwanzig Prozent der Männer zwischen 45 und 75 Jahren erleben in dieser Altersspanne eine depressive Verstimmung, die das Infarktrisiko erhöht«, sagt Ladwig. Das Risiko für einen Herzschlag sei in diesem Alter um das 1,6-Fache größer – das gelte auch für Frauen.

Für die Häufung beider Leiden gibt es mehrere Erklärungen. Bei Depressiven ist nicht nur die Stimmungs-, sondern auch die Gerinnungslage verändert: Ihre Blutplättchen verklumpen leichter, den Gefäßen droht Verstopfung. Das autonome Nervensystem, das unwillkürlich Pulsschlag, Atmung und Verdauung steuert, ist bei Depressiven weniger anpassungsfähig, was Infarkte begünstigen kann. »Das höhere Infarktrisiko ist ja kein Voodoo-Phänomen, sondern schlägt sich im Körper nieder«, sagt Ladwig.

Zudem sind im Blut von Depressiven Entzündungsstoffe wie Interleukin 6, Interleukin 9 und der Tumornekrosefaktor-alpha erhöht. Auch das C-reaktive Protein, das bei Entzündungen ansteigt, ist bei negativen Gefühlen erhöht. »Das ist doch wahnsinnig, dass der Körper nicht nur auf Giftstoffe oder Verletzungen mit einem Anstieg der Entzündungswerte reagiert, sondern auch auf mentale Überforderung«, begeistert sich Ladwig.

Die Wahrscheinlichkeit, einen Infarkt zu erleiden, wird durch das Verhalten Depressiver weiter erhöht. Sie werden nachlässig, ernähren sich schlechter, treiben weniger Sport und achten nicht auf die Warnsignale ihres Körpers. Zudem befolgen Patienten mit Depressionen ärztliche Ratschläge seltener und nehmen Medikamente unzuverlässiger ein. Unter Depressiven gibt es mehr Raucher. Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Übergewicht sind fast doppelt so häufig wie in der Normalbevölkerung. Wer eine Kombination dieser Risikofaktoren aufweist, hat ein um 16 bis 18 Prozent erhöhtes Risiko, in den kommenden zehn Jahren eine Herzerkrankung zu erleiden.

Auch wenn Patienten die...

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