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Crashkurs

Weltwirtschaftskrise oder Jahrhundertchance? - Wie Sie das Beste aus Ihrem Geld machen

AutorDirk Müller
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl255 Seiten
ISBN9783426555569
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Bankenpleiten und Immobilienblase in den USA - was kommt noch alles auf uns zu? Ist unser Geld noch sicher? Dirk Müller warnt vor Verführern und Blendern. Er sagt, welche Risiken unserem gesamten Wirtschaftssystem drohen - und wie wir selbst in der Krise noch das Beste aus unserem Geld machen können. Crashkurs von Dirk Müller: Aktuelle Debatten im eBook!

Dirk Müller wird oft als 'das Gesicht der Börse' bezeichnet. Nach dem Abitur und einer Bankausbildung begann 1992 seine Karriere an der Frankfurter Börse. Zunächst arbeitete er als Rentenhändler für verschiedene Unternehmen, bevor er 1998 amtlich vereidigter Kursmaklerstellvertreter und später Skontroführer wurde. Sein Wissen und seine Erfahrung werden allseits geschätzt; er ist ein gefragter Experte bei der Presse und im Fernsehen.

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Leseprobe

Was sind Einschätzungen der Experten wert?


Täglich erklären uns die Experten der Banken und Fonds, die Wirtschaftspolitiker und Wirtschaftsweisen, dass alles nicht so schlimm ist. Sie sprechen von kleinen Korrekturen und bald wieder steigenden Kursen. Sie warnen vor Panikverkäufen und sehen Kaufkurse. Was ist davon zu halten? Dazu möchte ich aus einem Artikel der Süddeutschen Zeitung zitieren:

»Alle von der SZ befragten Finanzmarkt-Beobachter erwarten, dass die Aktienkurse in Deutschland bis Ende kommenden Jahres zulegen werden. Beim Dax wird im Schnitt ein Anstieg um ein Fünftel (…) erwartet. (…) An der Umfrage zum kommenden Finanzjahr haben sich 35 Banken, Fondsgesellschaften, Vermögensverwalter und Versicherungen beteiligt. Sie sehen voraus, dass der Dax, der am Montagnachmittag bei knapp 6500 Punkten stand, im kommenden Jahr kräftig zulegen wird. (…) Am positivsten gestimmt ist die Deutsche Bank, die den Schlusswert in einer Spanne von 8200 und 8700 Zählern sieht. Mit Verlusten rechnet kein einziger der Befragten (…).«

Ist doch nichts Besonderes, werden Sie vielleicht denken. Ist es doch. Dieser Artikel stammt nämlich vom 16. Dezember 2000 und nicht von Ende 2007! Und danach ging’s bergab – genau wie 2008. Erschreckende Parallele.

Folgendes Zitat stammt aus einem Artikel vom 10. Februar 2001 bei einem Dax-Stand von nur noch 6400 Punkten:

»Wer beim schubweisen Börsencrash im vergangenen Jahr den Ausstieg verpasst hat (…), sollte seine Aktien und Fonds jetzt auf keinen Fall zu Tiefstständen verkaufen. Verzweifelte Kleinanleger und Börsenfrischlinge, die erst ›neulich‹ zu Höchstständen einstiegen, warnt Finanzexperte (…) von Stiftung (…) dringend vor Panikverkäufen. Damit wären gleich zwei grobe Fehler begangen: Beim absoluten Hoch rein und im tiefsten Tal raus.«

Zwei schmerzhafte Jahre später stand der Dax bei 2200 Punkten. Wer auf diese Experten vertraut hat, hat dieses Vertrauen teuer bezahlt. Eigenes Nachdenken, kritisches Infragestellen und gesunder Menschenverstand hätten vielleicht vor der Katastrophe bewahrt.

Sieben Jahre später hören wir bis aufs Komma die gleichen Einschätzungen und Beschwichtigungen. Die gleichen fahrlässigen Ratschläge wie »Bloß keine Panikverkäufe, alles wird gut«. Wieso wird eigentlich jede rationale Entscheidung, sich von fallenden Aktien zu trennen – was doch das Normalste auf der Welt sein sollte –, stets als Panikverkauf hingestellt? Ganz einfach: Um die Anleger genau von diesem Tun abzuhalten. »Nein, nein, ich will nicht zu denen gehören, die in Panik handeln. Ich denke ja rational. Wenn Verkaufen also panisch ist, dann verkaufe ich NICHT. Vielleicht mache ich es ja noch schlauer und kaufe sogar!« Und schon haben die Fondsgesellschaften und Bankexperten ihr Ziel erreicht. So einfach ist das.

Diese Zeilen hatte ich schon einige Monate fertig, da höre ich heute, im September 2008, während ich an einem ganz anderen Kapitel arbeite, im Fernsehen einen von mir ansonsten sehr geschätzten Kollegen mit folgenden Worten: »Wer aber jetzt den Weg von 8000 auf 6000 mitgemacht hat, dem würde ich nicht empfehlen auszusteigen. (…) Es ist abzusehen, wann das Ende der Finanzkrise eingeläutet wird (…).« Ich dachte erst an ein Déjà-vu, aber es ist wohl so, dass selbst die Profis aus der Geschichte einfach nicht lernen.

Natürlich dürfen nicht alle Experten über einen Kamm geschoren werden. Nicht jeder versucht dem Zuschauer arglistig die Interessen seines Arbeitgebers zu verkaufen. Man muss da genau unterscheiden. Da sind zum einen natürlich die Experten der Banken, Versicherer und Fonds, die verkaufende Kunden mehr fürchten als der Teufel das Weihwasser. Was glauben Sie, was ein Fondsmanager von seinem Arbeitgeber zu hören bekäme, wenn er im Fernsehen sagen würde: »Ich sehe in den nächsten Monaten große Risiken für den Aktienmarkt und empfehle Ihnen, Aktien und Fonds zu verkaufen.« Wahrscheinlich wäre das Nächste, was er hört, das Quietschen der Tür im Arbeitsamt. Banken, Versicherer und Fonds leben davon, Kapital einzusammeln und zu investieren. Wenn in größerem Maßstab Kapital abgezogen würde, wäre das schlecht fürs Geschäft und im schlimmsten Falle existenzbedrohend.

Manche Experten sind vor allem richtige Experten darin, die Interessen ihres Arbeitgebers in den Medien zu vertreten und dennoch nichts Falsches zu sagen. Ein Analyst sagte einmal in einem TV-Interview: »Ich sehe auf Sicht der nächsten drei bis vier Monate deutlich höhere Kurse!« Der Anleger sieht das und denkt: »Prima! Dann ist ja das Schlimmste vorbei, und ich kann wieder beruhigt kaufen.« Als ich den Analysten nach der Sendung auf diese Aussage anspreche und ihm heftig widerspreche, kommt die trockene Antwort: »Ja, ja, ich hab ja nur gesagt: auf Sicht der nächsten drei bis vier Monate. Danach erwarte auch ich einen drastischen Einbruch!« Schade, dass dieser Teil der Einschätzung beim Zuschauer nicht ankam, der nach der Sendung mit seinem Vermögen wieder in den Aktienmarkt eingestiegen ist.

Als Nächstes gibt es die »Experten«, die sich gar nicht die Mühe machen, sich ein eigenes Bild zu entwickeln. Die nehmen einfach die Meinungen der anderen »Experten« und machen sie zu ihrer eigenen. Ist ja auch bequem. Ein solcher Kommentator ist dann in guter Gesellschaft, steht mit seiner Meinung nicht gegen die der anderen, und man bestätigt sich gegenseitig, wie richtig man liegt. Die haben keine böse Absicht! Die wissen es einfach nicht besser, und wenn es alle sagen, wird’s schon stimmen.

Es gibt ohnehin nur wenige wirkliche »Meinungsmacher«. Diejenigen, die es schaffen, ihre Einschätzungen als Erste in die Nachrichtenagenturen zu bringen, entscheiden darüber, welche Meinung die Welt künftig über dieses oder jenes Geschehen hat. Die meisten »Experten« haben selbst gar nicht die Zeit, sich mit allen Themen im Detail auseinanderzusetzen. Also lesen sie die ersten Analysen und Einschätzungen von anderen, um sich ein Bild zu machen. In den meisten Fällen übernehmen sie diese Meinung ungeprüft. Vor der Fernsehkamera geben sie diese Einschätzung des ersten Analysten dann weiter, und so weiter, und so weiter. Diejenigen, die den schnellsten Zugang zu den Medien haben und bei denen eventuell schon eine vorgefertigte Einschätzung zum jeweiligen Ereignis in der Schublade liegt – vielleicht sogar, weil sie mit diesem Ereignis zu tun haben –, besitzen eine ungeheure Macht über die öffentliche Meinung und Wahrnehmung. So gibt es in Deutschland sogenannte Thinktanks (Denkfabriken), die nichts anderes machen, als im Auftrag von finanziell starken Interessengruppen wie der Industrie Analysen zu erstellen und die öffentliche Meinung in deren Sinne zu beeinflussen. Sie geben den Journalisten eine vorgefertigte Analyse oder »Einschätzung«, noch bevor die Journalisten sich eine eigene Meinung gebildet haben. Da die Medien immer schneller reagieren müssen, haben die wenigsten Zeit, selbst ausführlich zu recherchieren. Also übernehmen sie die Analyse der Lobby dankbar und verbreiten diese als allgemeingültige Wahrheit. Noch einfacher wird das, wenn entscheidende Journalisten in diese »Lobbyarbeit« gleich mit eingebunden werden.

Schließlich gibt es noch die Experten, die nicht nur bereits ahnen, dass der Eisberg, auf den wir aufgelaufen sind, mehr als einen Kratzer in die Bordwand geritzt hat, sondern die schon hören, wie die Kammern volllaufen und die ersten Schotte brechen. Und genau wie ein verantwortungsbewusster Kapitän versuchen sie, die Passagiere zu beruhigen, um eine geordnete und kontrollierte Rettungsaktion zu ermöglichen. Das ist sicherlich die ehrenwerteste Form der Desinformation – aber es bleibt dennoch eine. Denn vielleicht ließen sich mehr Leute retten, wenn ihnen die ungeschönte Wahrheit gesagt und ihnen empfohlen würde, an Deck zu kommen, anstatt sie in die Kabinen zurückzuschicken. Denn was, wenn die Rettung des Schiffes misslingt? Die Passagiere bleiben in ihren Kabinen und gehen mit Mann und Maus unter. So wie die Aktienbesitzer mit ihren Depots untergehen, wenn der Markt einbricht. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, die Kabine zu verlassen und an Deck zu kommen oder eben seine Depots zu leeren. Wenn das Schiff stabilisiert ist und keine Gefahr mehr besteht, kann man ja jederzeit mit überschaubarerem Risiko wieder einsteigen. Vielleicht hat man ein paar schöne Stunden unter Deck verpasst (ein paar Prozent Gewinn nicht gemacht), aber man war jedenfalls nicht der Gefahr ausgesetzt, das Leben (das gesamte Kapital) zu verlieren.

Wenn ich mir die Kommentare aus dem Jahr 2007/2008 anschaue, die von steigender Konsumfreude der Privathaushalte in Deutschland und den tollen Chancen durch die asiatischen Märkte berichten, erinnert mich das zunehmend an die letzten Bilder der Titanic. Da spielte auch noch die Kapelle, als das Schicksal des Schiffes bereits besiegelt war.

Der oberste Wirtschaftsweise sprach in Interviews im Dezember 2007 davon, dass alles gut wird, weil der private Verbraucher in Deutschland demnächst viel mehr Geld in der Tasche haben wird und damit den Konsum und die Wirtschaft ankurbelt. Da blieb mir zunächst der Mund offen stehen. Bei mir ist diese Geldflut noch nicht angekommen. Und ich frage mich, wo der Verbraucher all das viele Geld plötzlich herbekommt. Oder haben Sie gehört, dass die Energieversorger Ihre Strompreise drastisch senken, dass die Lebensmittelpreise in den nächsten Monaten deutlich fallen werden? Die angekündigte russische Gaspreiserhöhung um wieder einmal 20 Prozent war wahrscheinlich auch nur ein Scherz. Der Russe hat halt einen merkwürdigen Humor!

Kurzum: Auch hier genügt...

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