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E-Book

Deutsche Außenpolitik

Eine Rekonstruktion der grundlegenden Handlungsregeln

AutorUlrich Roos
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl370 Seiten
ISBN9783531923550
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis42,25 EUR
In diesem Buch wird die Entwicklung der grundlegenden Handlungsregeln deutscher Außenpolitik rekonstruiert. Dabei ruht der Fokus besonders auf den Kontinuitäten und Brüchen im Welt- und Selbstbild deutscher Außenpolitik sowie in der Entwicklung der deutschen Europa- und Weltordnungspolitik. Schließlich erfährt der Leser, welche Überzeugungen und Ziele deutsche Außenpolitik maßgeblich orientieren und inwiefern die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre eher einen Kontinuitäts- oder Wandelbefund unterstützt.

Dr. Ulrich Roos ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Augsburg.

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Leseprobe
7 Die Entwicklung der deutschen Europapolitik (S. 209-210)

Die zweite Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit zielt auf die Rekonstruktion der Entwicklung der Handlungsregeln der deutschen Außenpolitik in besonders bedeutsamen Arenen. Während zu Beginn des Forschungsprozesses noch offen bleiben musste, welche Arenen sich als besonders zentral erweisen würden, wurde in der Folge recht bald ersichtlich, dass die deutsche Europapolitik (gemeinsam mit der im achten Kapitel rekonstruierten deutschen Sicherheitspolitik) zweifelsohne die zentralste Arena deutscher Außenpolitik darstellt.227 Die Rekonstruktion der deutschen Europapolitik erfolgt entlang zweier eng miteinander verwobener Dimensionen. Zunächst werden jene Überzeugungen analysiert, die das Verhältnis Deutschlands zur EG/EU regeln (7.1), bevor die deutschen Überzeugungen hinsichtlich der Gestaltung zentraler europäischen Politiken untersucht werden (7.2).

7.1 Handlungsregeln zum Verhältnis Deutschlands zur EG/EU


Bei der Analyse des Datenmaterials fiel schnell auf, wie wichtig der Bundesregierung während des gesamten Untersuchungszeitraums eine (präzise) Definition der Rolle Deutschlands innerhalb der EG/EU war. Angesichts der bangen Blicke der europäischen Partner auf die gemeinsame Vergangenheit und Zukunft galt es wohl als wichtige Aufgabe, das Verhältnis des vereinten deutschen Gesamtstaats zum europäischen „Staatenverbund“ möglichst präzise zu formulieren. Im Kern dieser Dimension deutscher Außenpolitik stand und steht die Frage, wie der deutsche Nationalstaat die eigenen Potentiale beziehungsweise Eigenschaften in seiner Europapolitik nutzen soll und will. Wie interpretierten die jeweiligen Bundesregierungen die Qualität und die Reichweite dieser Eigenschaften und welche Rollenzuschreibungen beziehungsweise Handlungsskripte erwuchsen daraus?

7.1.1 Deutschland als Führungsmacht Europas

Als besonders grundlegend für die Rekonstruktion der deutschen Europapolitik erwiesen sich die Handlungsregeln der Bundesregierung bezüglich der Führungsfrage innerhalb Europas. In den folgenden Abschnitten wird die Entwicklung der Haltung der Bundesregierung zu dieser bedeutsamen Grundfrage erklärend nachgezeichnet.

7.1.1.1 Zwischen Gleichberechtigung und besonderer Berufung


Ein wichtiges Element der deutschen Europapolitik war zu Beginn des Untersuchungszeitraums, neben der bereits in 6.1 thematisierten Unterscheidung von Verantwortungs- und Machtpolitik, der Gleichberechtigungsgedanke. Eine hierfür typische Sequenz lautete: „Als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa wollen wir dem Frieden der Welt dienen. Diese Verpflichtung aus der Präambel unseres Grundgesetzes bestimmt unsere Politik. Sie ist die Absage an Machtpolitik, sie bedeutet Politik der Verantwortung“ (Genscher 1990).
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
1 Einleitung9
1.1 Die Relevanz des Themas „Entwicklung deutscher Außenpolitik“10
1.2 Die Entwicklung des Forschungsfelds „Deutsche Außenpolitik nach der Vereinigung“13
1.3 Fragestellung und Aufbau der Arbeit18
2. Gegenwärtiger Stand der Forschung zur Entwicklung der deutschen Außenpolitik nach der Vereinigung22
2.1 Deutschland in Europa22
2.2 Deutschlands Rolle in der Weltpolitik27
2.2.1 Einbindung in die westliche Wertegemeinschaft27
2.2.2 Umstrittener Antimilitarismus31
2.3 Multilateralismus als Kernkomponente deutscher Außenpolitik35
2.4 Das machtpolitische Selbstverständnis deutscher Außenpolitik: Zurückhaltende Zivilisierung der Welt, oder Vorrang der Staatsräson?39
3 Der pragmatistische Analyserahmen desForschungsprojektes48
3.1 Pragmatistische Rahmung und Einbettung des Analyserahmens49
3.2 Der pragmatistische Analyserahmen des Forschungsprojektes56
3.2.1 Menschen als staatliche Akteure59
3.2.2 Strukturen kollektiven Handelns61
3.2.3 Prozess – das vernachlässigte Konzept, oder: Vom Akteur-Struktur-Problem zumprozessualen Analyserahmen67
3.2.3.1 Kontinuität, Wandel, Kausalität und die Bedeutung finaler Gründe68
3.2.3.2 Die Verbindung zwischen der Idee teleologischer Prozesse bei Peirce und dem„I“/ „Me“-Modell bei Mead72
3.2.3.3 Implikationen der prozessualen Perspektive74
3.3 Zusammenfassung des Analyserahmens76
4 Methodologie und Methode78
4.1 Methodologische Grundprobleme des Forschungsprojekts79
4.1.1 Mit dem Begriff der Handlungsregel verbundene Probleme und ihre methodologische Auflösung80
4.1.2 Das Problem der Auswahl des Datenmaterials81
4.1.3 Der „tabula rasa“-Vorwurf: Vereinbarkeit von Rekonstruktionslogik und Vorwissen des Forschers84
4.1.4 Das Problem der „Gütekriterien“ und der Qualitätssicherung90
4.1.4.1 Das Reliabilitätskriterium91
4.1.4.2 Das Repräsentativitätskriterium93
4.1.4.3 Das Validitätskriterium96
4.1.5 Zusammenfassung der Methodologie99
4.2 Methodische Vorgehensweise101
4.2.1 Das Kodierverfahren101
4.2.1.1 Das offene Kodieren103
4.2.1.2 Das axiale Kodieren105
4.2.1.3 Das selektive Kodieren106
4.2.2 Die Niederschrift der Befunde108
4.2.2.1 Rekodierung des Materials und Auswahl der erklärten Kategorien und Dimensionen109
4.2.2.2 Auswahl der in der Arbeit zitierten Sequenzen110
5 Die Theorie der Bundesregierung von den internationalenBeziehungen113
5.1 Grundlegende Überzeugungen der Bundesregierung zu den Konzepten Wandel,Kontinuität, Prozess und Politik113
5.1.1 Sprunghafter Wandel durch umstürzende Ereignisse vs. iterativer Wandel auf leisen Sohlen114
5.1.1.1 Wandel als Epochenbruch: Plötzlicher, sprunghafter Wandel entlang umstürzender Ereignisse114
5.1.1.2 Soziale Prozesse als Triebfeder von Entwicklung116
5.1.2 Politik als erzwungene Anpassung an eine veränderte systemische Umwelt vs. Gestaltungsfreiheitder Akteure118
5.1.2.1 Politik als erzwungene Anpassung119
5.1.2.2 Die Welt ist, was wir daraus machen120
5.2 Der Einfluss formaltheoretischer Wissensbestände auf das Modell der Bundesregierung von den internationalen Beziehungen123
5.2.1 Die Idee des Gleichgewichts der Mächte123
5.2.2 Der realistische Machtbegriff und die deutsche Außenpolitik125
5.2.3 Die Karriere des Effizienzbegriffs im außenpolitischen Koordinatensystem der Bundesregierung128
5.2.4 Die Idee des Einflusses von Regeln, Normen und Überzeugungen auf politische Prozesse131
5.2.5 Veränderte Überzeugungen aufgrund von Erfahrungen, die Bedeutung von Spracheund die Unterscheidung von „Reden“ und „Handeln“134
5.2.6 Vertrauen als politische Ressource137
5.2.7 Das Erwartungskonzept144
5.2.7.1 Die Erwartungen der internationalen Partner144
5.2.7.2 Gestiegene eigene Erwartungen146
5.3 Die Weltzukunftsvisionen deutscher Außenpolitik148
5.3.1 Bewertung von Chancen und Risiken148
5.3.2 Die Welt wie sie ist und wie sie sein sollte150
5.3.2.1 Von der Macht- und Gleichgewichtspolitik zur Herrschaft des Rechts150
5.3.2.2 Der Siegeszug des Rechts des Stärkeren und der Logik der Machtverteilung152
5.3.2.3 Das Ende der EINEN Welt: Statt „Frieden für alle“ Streben nach „Sicherheit vorden Anderen“157
5.4 Zusammenfassung der Theorie der Bundesregierung von den internationalen Beziehungen159
6 Das Selbstbild der deutschen Außenpolitik169
6.1 Das Verantwortungskonzept als wichtiges Element der eigenen Rollenbeschreibung169
6.1.1 Verantwortung als Antwort auf die eigene Geschichte, als Konsequenz vergangener Handlungen171
6.1.2 Verantwortung als Verpflichtung zur Mitgestaltung aufgrund des eigenen Gewichts172
6.1.3 Die Reichweite der deutschen Verantwortung175
6.2 Deutschlands Rolle in der Welt177
6.3 Überzeugungen mit Blick auf die Vergangenheit Deutschlands182
6.3.1 Verantwortung trotz, nicht aufgrund der „zwölf dunklen Jahre“183
6.3.2 Die Kontinuität der Reichsidee188
6.4 Grundlegende Überzeugungen zu den deutsch-amerikanischen und den deutschrussischen Beziehungen190
6.4.1 Das Verhältnis zu Russland191
6.4.2 Die transatlantischen Beziehungen196
6.4.2.1 Der Wandel der deutschen Dankbarkeit196
6.4.2.2 Gegenmacht statt Führungspartnerschaft198
6.5 Zusammenfassung der grundlegenden Elemente der Selbstbeschreibung deutscher Außenpolitik durch die Bundesregierung201
7 Die Entwicklung der deutschen Europapolitik209
7.1 Handlungsregeln zum Verhältnis Deutschlands zur EG/EU209
7.1.1 Deutschland als Führungsmacht Europas209
7.1.1.1 Zwischen Gleichberechtigung und besonderer Berufung209
7.1.1.2 Reklamation einer führenden Rolle213
7.1.1.3 Vom „europäischen Deutschland anstelle eines deutschen Europas“ zum„europäischen Deutschland in einem deutschen Europa“216
7.1.1.4 Die deutsch-französischen Beziehungen als Referenzpunkt der deutschen Rolle in Europa219
7.1.2 Deutschland als Nutznießer des europäischen Projektes221
7.1.3 Vom Vorrang deutscher Interessen224
7.2 Handlungsregeln zur zukünftigen Gestaltung Europas228
7.2.1 Deutsche Vorstellungen von der Finalität Europas228
7.2.1.1 Methoden und Probleme des Integrationsprozesses235
7.2.1.2 Das Subsidiaritätsprinzip als wichtige Konstante deutscher Europapolitik238
7.2.2 Die Entwicklung der deutschen Position zur EU-Erweiterungspolitik243
7.2.3 Die Position der Bundesregierung zum Verhältnis von ESVP und NATO: Von Pfeilern,Partnern und Konkurrenten247
7.2.4 Die deutsche Position zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU258
7.3 Zusammenfassung der grundlegenden Überzeugungen deutscher Europapolitik263
8 Deutsche Sicherheitspolitik: Von der Verteidigungs- zur Weltordnungspolitik271
8.1 Von der Verteidigungs- zur Weltordnungspolitik271
8.1.1 Zentralität der eigenen Grundwerte und Durchsetzung deutscher Interessen272
8.1.2 Das Konzept der verschwimmenden Trennung von Innen und Außen275
8.1.2 Das Konzept der verschwimmenden Trennung von Innen und Außen275
8.1.2.1 Von der Mitverantwortung in einer eng verflochtenen Welt: Abschied vom klassischen Souveränitätsgedanken und Begründung von Interventionspflicht und Interventionsanrecht275
8.1.2.2 Die Wirkung der dem Terrorismus zugeschriebenen Bedeutung auf die Entwicklung des Konzepts von der verschwimmenden Trennung von Innen und Außen278
8.1.2.3 Die Entwicklung der innerstaatlichen Dimension des Konzepts der verschwimmenden Trennung von Innen und Außen279
8.1.2.4 Die Entwicklung der zwischenstaatlichen Dimension des Konzepts der verschwimmenden Trennung von Innen und Außen280
8.1.3 Grundlegende Überzeugungen zum internationalen Terrorismus281
8.1.4 Die Bundeswehr in der neuen deutschen Sicherheitspolitik283
8.1.4.1 Die Idee der „Armee im Einsatz“ als Ende der militärischen Selbstbeschränkung283
8.1.4.2 Der Zusammenhang von Sterberisiko, Dankbarkeit und Kritik286
8.2 Deutsche UN-Politik289
8.2.1 Überzeugungen hinsichtlich der Bedeutung der Vereinten Nationen289
8.2.2 Überzeugungen hinsichtlich der deutschen Rolle in den Vereinten Nationen291
8.3 Deutsche NATO-Politik295
8.4 Zusammenfassung der Grundüberzeugungen der deutschen Sicherheitspolitik303
9 Fazit308
9.1 Kritik des pragmatistischen Analyserahmens308
9.1.1 Probleme des pragmatistischen Analyserahmens308
9.1.2 Nützliche Eigenschaften des pragmatistischen Analyserahmens309
9.2 Die Diskussion der zentralen Befunde der Arbeit313
9.2.1 Die Theorie der Bundesregierung von den internationalen Beziehungen313
9.2.2 Europapolitik315
9.2.3 Von der Verteidigungs- zur Weltordnungspolitik319
9.2.4 Außenpolitik als exklusives Handlungsfeld der Exekutive325
9.2.5 Grundlegende Machtorientierung: Staatsräson oder Zivilisierung der Welt?327
9.2.6 Multilateralismus330
9.2.7 Kontinuität, Wandel oder beides zugleich?333
9.2.8 Zusammenfassung der zentralen Befunde der Arbeit und Beantwortung der beiden Forschungsfragen336
9.3 Ein Schlusswort als Ausblick und Kritik341
10 Verzeichnis der analysierten Dokumente347
11 Literaturverzeichnis352

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