2. Der Vertriebsprozess
Was Sie in diesem Kapitel erwartet:
Abbildung 2.0 Kapitelübersicht
2.1 Vertriebskonzept entwickeln
Der Alltag im Vertrieb ist mehr als in anderen Funktionsbereichen durch kurzfristige Entscheidungen, Reaktionen auf äußere Ereignisse, kreative Ideen geprägt. Für systematische Planung hat man meist wenig Verständnis, zumal sie oft genug nach kurzer Zeit hinfällig wird. Das liegt aber meist an der ungeeigneten Planung bzw. vorhandenen Vorurteilen ihr gegenüber.
Vielfach scheitern aber Vertriebskampagnen, Markteinführungen usw. daran, dass vorher kein Konzept entwickelt wurde, der Überblick verloren geht und dann situativ ungeeignete Entscheidungen getroffen werden. Die Entwicklung eines Konzepts kann, ohne in lästige Bürokratie auszuarten, wesentliche Hinweise auf Stärken und Schwächen des Unternehmens geben und vor allem sicherstellen, dass auch systematisch die Ziele verfolgt werden.
Nicht zuletzt ist die Konzeptentwicklung ein Instrument, um die ganze Abteilung einzubinden, mit Informationen zu versorgen und zur Zielerreichung zu motivieren. Die Identifikation mit Zielen und Plänen ist nun mal immer höher, wenn man sie selbst mit bestimmt hat.
Die Konzeptentwicklung orientiert sich am klassischen Entscheidungsprozess. Bevor irgendetwas inhaltlich geplant werden kann, muss eine Analyse durchgeführt werden. Sie stellt alle notwendigen Informationen bereit, die für die Planung notwendig sind. Weiterhin stellt sie sicher, dass nicht auf der Grundlage falscher Annahmen geplant wird. Dies geschieht recht schnell, wenn ein Plan aus dem Ärmel geschüttelt wird. Dann geht man meist von eigenen Erfahrungen aus, von dem, was man mal irgendwo gesehen oder gehört hat. Das muss aber nicht vollständig und objektiv sein. Nur wenn man gezielt nach Informationen sucht und sich nicht nur auf andere verlässt, kann ein markt- und kundengerechtes Konzept entwickelt werden.
Das große Problem dabei ist die Generalisierung. Erzählt zum Beispiel ein Kunde über schlechte Erfahrungen, dann geht man schnell davon aus, dass es immer so ist. Über gute Erfahrungen wird auch seltener berichtet, weil sie eigentlich selbstverständlich sind. Stellt man fest, dass einige Wochen hintereinander die Bestellmengen für ein Produkt gestiegen sind, dann vermutet man schnell einen Trend und weitet das Angebot aus. Es kann sich aber auch um reinen Zufall handeln. In allen Fällen sollte daher analysiert werden, ob wirklich etwas dahintersteckt. Das kann aber nur zuverlässig geschehen, wenn man selbst aktiv wird und sich auch Gedanken über die Methode macht.
Nach der Analyse werden die Ziele definiert. Sie müssen mit den Unternehmenszielen abgestimmt sein und beschreiben, wohin man kommen will. Sie lassen noch offen, auf welchem Weg das geschieht, dafür ist dann die Maßnahmenplanung zuständig. Dabei werden die strategische und die operative Ebene unterschieden. Strategische Pläne sind längerfristig ausgerichtet und recht allgemein gehalten. Sie geben die grundsätzliche Richtung vor, vermitteln einen Überblick und sind Leitlinie für die operativen (Maßnahmen-)Pläne. Diese setzen die Strategie in konkrete Maßnahmen um, also ins Tagesgeschäft. Dabei kommt es immer wieder zu Anpassungen an aktuelle Entwicklungen. Und ganz zum Schluss wird das Ergebnis kontrolliert, um aus möglichen Abweichungen zu lernen. Allerdings wird dies in der Praxis nur ungern praktiziert, denn an mögliche Planungs- oder Umsetzungsfehler möchte man meist nicht erinnert werden, es sei denn, jemand anderes war dafür verantwortlich.
Dieses Phasenkonzept mag etwas abstrakt erscheinen, es ist aber letztlich eine ziemlich alltägliche Angelegenheit. Stellen Sie sich vor, Sie planen Ihren nächsten Jahresurlaub. Was machen Sie zuerst? Sie sehen sich die Urlaubstermine an, machen sich Gedanken über das Wetter zu der Zeit und schmökern vielleicht schon in Reiseführern, um sich mit ein paar Zielgebieten vertraut zu machen. Das ist die Analysephase. Und die lohnt sich, denn im November ist der Bayerische Wald nicht sonderlich attraktiv und im August werden Sie sich im Arabischen nur in klimatisierten Räumen aufhalten wollen.
Als Nächstes definieren Sie Ihr Urlaubsziel, sicher gemeinsam mit Partner und ggf. Kindern oder Freunden, die mitkommen. Das ist auch sinnvoll, denn oft genug will ja einer wandern, der andere schwimmen, und der oder die nächste shoppen. Das sollte man irgendwie koordinieren, sodass jeder gerne in diesen Urlaub fährt und man dann auch weiß, was man machen kann.
Wenn Sie sich für ein Ziel und eine Urlaubsart (Wandern, Baden usw.) entschieden haben, dann werden Sie einen strategischen Plan entwickeln. Dabei geht es um die Frage, ob Sie fliegen oder Auto fahren, ob Sie eine Rundreise machen wollen, eine Pauschalreise oder alles selbst organisieren, ob Sie ein Fünf-Sterne-Hotel oder den Campingplatz bevorzugen usw. Stellen Sie sich vor, Sie fahren los, ohne sich über diese strategische Fragen einig zu sein – glauben Sie, dass Sie dann noch die Chance auf einen schönen Urlaub haben? Können Sie sich ausmalen, wie lange Sie nach einer Unterkunft suchen, sich immer wieder über Ihre Aktivitäten streiten und wie viel Zeit noch für Erholung übrig bleibt?
Dann sind wir uns wohl einig, dass Strategie einen Sinn hat und Sie danach recht einfach mit dem operativen Plan weitermachen können. In diesem Zusammenhang entscheiden Sie dann über Besichtigungen, Vor-, Nachmittage und Abende am Strand, den Besuch von Museen usw. Und wenn das Wetter anders ist als erwünscht, dann wird eben wieder neu geplant oder man fährt in einen anderen Ort.
Eine systematische Kontrolle wird man nach dem Urlaub sicher kaum vornehmen, er sollte ja auch von der Arbeit ablenken. Aber es gibt meist einen Kassensturz mit der Erkenntnis, vielleicht doch ein wenig zu viel ausgegeben zu haben und es gibt vielleicht auch den Bilderabend, bei dem man noch einmal sieht, wie schön es war – oder auch nicht.
1. Schritt: Situationsanalyse
Der Prozess beginnt stets mit der Situationsanalyse, die den Standpunkt des Unternehmens am Markt verdeutlichen soll. Sie schließt die Analyse der Umwelt ebenso wie die des Unternehmens bzw. des Vertriebs selbst ein. Im Mittelpunkt steht oft eine aus vier Komponenten bestehende SWOT-Analyse.
Stellt sich nun im Vergleich mit einem oder mehreren Wettbewerbern heraus, dass eine Stärke des eigenen Unternehmens dort nicht vorhanden ist, ergibt sich ein Ansatz für die Strategieentwicklung. Findet sich auf diese Weise ein Nachteil, dann sollte die Strategie so entwickelt werden, dass dieser nicht bedeutsam wird.
Checkliste 1: SWOT-Analyse
Strengths – Stärken des Unternehmens/Vertriebs:
- •Was können wir besonders gut?
- •Wo haben wir technologische Vorteile?
- •Welche besonderen Qualifikationen haben wir?
- •Bieten wir unseren Kunden spezielle Dienstleistungen?
- •Welche Imagevorteile haben wir gegenüber Wettbewerbern?
- •Verfügen wir über hohe Personalkapazitäten?
- •Ist unser Serviceniveau überdurchschnittlich?
- •Haben wir eigene Vertriebswege?
Weaknesses – Schwächen des Unternehmens/Vertriebs:
- •Ist unser Kostenniveau überdurchschnittlich?
- •Sind unsere Produkte zu alt?
- •Reagieren wir zu langsam auf Kundenwünsche?
- •Sind wir bei potenziellen Kunden überhaupt bekannt?
- •Gibt es Personalengpässe?
- •Fehlen notwendige Qualifikationen?
- •Gibt es schlechte Testergebnisse?
- •Kommt es zu Lieferverzögerungen?
Opportunities (Chancen) – positive Einflüsse und Entwicklungen, die zum Beispiel eine Möglichkeit zur Absatzsteigerung, zur Innovation oder zur Preisanhebung ergeben. Sie sind auf ihre Verwertbarkeit hin zu bewerten und gegebenenfalls in die Strategieplanung einzubeziehen:
- •Welche neuen Märkte können wir bearbeiten?
- •Gibt es neue potenzielle Kunden?
- •Welche zusätzlichen Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich für unsere Produkte?
- •Welche Zusatzleistungen können unsere Mitarbeiter anbieten?
- •Wie können wir das Sortiment sinnvoll ausweiten?
- •Haben wir die Möglichkeiten bei unseren Kunden bereits ausgeschöpft?
Threats (Risiken) – negative Einflüsse und Entwicklungen, die Umsatz, Image, Distribution und Ähnliches behindern, also möglichst abzuwehren sind. Sie können auf Aktivitäten von Wettbewerbern, staatliche/regulative Aktivitäten, Veränderungen im Nachfrageverhalten, technologische Entwicklungen usw. zurückzuführen sein:
- •Welche Maßnahmen plant der Wettbewerb?
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