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Die ersten drei Lebensjahre

Ein Elternbegleitbuch

AutorDoro Kammerer
Verlagdtv Deutscher Taschenbuch Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl688 Seiten
ISBN9783423412056
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Vom ersten Schrei zur kleinen Persönlichkeit Vom ersten Schrei zum ersten Schritt: Zwischen diesen Eckpunkten vollzieht sich das erste Lebensjahr eines Kindes, eine Zeit, in der die Entwicklung des kleinen Menschen so rasant verläuft wie nie mehr wieder, eine Zeit auch, in der guter Rat oft dringend gefragt ist. Vom ersten Schritt zum ersten Wort: Das zweite Lebensjahr beginnt in der Regel mit der kindlichen Eroberung der Welt auf zwei Beinen und endet mit dem Spracherwerb. Diese beiden fundamentalen Neuerungen wollen sorgsam vorbereitet und aufmerksam begleitet sein. Vom Kleinkind zum Kindergartenkind: In der aufregenden Zeit des dritten Lebensjahres vergrößert sich der Aktionsradius des Kindes zusehends, hantiert es gerne mit allen möglichen Gegenständen seiner Umgebung und möchte schon vieles alleine machen. Allmählich lernt es, mit seinem neuen Instrumentarium Sprache umzugehen, und bildet schon eine kleine Persönlichkeit aus. In ihrem umfassenden und aktuellen Hausbuch beantwortet Doro Kammerer die vielen Elternfragen zu den Problemen und besonderen Herausforderungen der ersten drei Lebensjahre, zu Gesundheit und Pflege, Ernährung und Entwicklung sowie zu Erziehung und Fördermöglichkeiten kompetent und sympathisch. 

Doro Kammerer ist seit 1985 freie Autorin für Medizin-, Psychologie- und Erziehungsthemen. Seit 1990 schreibt sie für die Zeitschrift >Eltern<. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, zuletzt: >Endlich Zeit für mich!< (1998), >Weil ich ein Junge bin< (2001). Die Mutter dreier Kinder lebt in der Nähe von München.

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Leseprobe

Seliger Schlummer


Fragt man Eltern, was für sie in den ersten Lebensmonaten ihrer Kinder am belastendsten war, kommt häufig als Antwort: »Die Nächte!« Nicht richtig durchschlafen zu können, womöglich mehrmals aufstehen und dann gar für längere Zeit zur Verfügung stehen zu müssen, geht auch jüngeren Müttern oft binnen weniger Wochen so an die nervliche Substanz, dass sie sich manchmal permanent gereizt und (zu ihrem großen Entsetzen) ganz und gar nicht glücklich fühlen. Hinzu kommt, dass die Rund-um-die-Uhr-Betreuung eines Neugeborenen oder jungen Säuglings einem monatelangen Survival-Training im Urwald gleicht.

Übermüdet zu sein, macht psychisch labil. Die Tränen fließen schneller, die Arbeit geht nicht von der Hand, und schon kleine Zwischenfälle oder Pannen können einen aus der Fassung bringen. Deshalb gilt vor allem in den ersten Monaten des Eltern-Daseins: Schlafen, wann immer es geht! Der Haushalt läuft schließlich nicht weg und von ungespültem Geschirr oder einem Berg ungebügelter Wäsche ist noch niemand umgekommen.

Die meisten Eltern fragen sich (oder andere) händeringend: Wann schläft mein Kind endlich durch? »Durchschlafen« bedeutet bei ganz kleinen Babys: von der letzten Abendmahlzeit kurz nach Mitternacht bis zum Frühstück um halb fünf. Allerdings: Gesetzmäßigkeiten, nach denen ein Baby »funktioniert«, gibt es nun mal nicht. Manche Säuglinge schlafen schon mit sieben Wochen von 23 Uhr bis 6 Uhr. Andere brauchen auch mit einem Jahr nachts noch wenigstens einen kurzen Trost.

Verständlich: Schlaflos macht ungeduldig

Es hilft Eltern, sich mental darauf einzustellen, dass das Schlaf-Chaos (auch ein Baby, das schon mal durchgeschlafen hat, kann sich plötzlich nachts wieder mehrmals melden) normal ist. Es hilft außerdem, sich klar zu machen, dass auch der vernünftigste und liebevollste Erwachsene zur Bestie werden könnte, wenn er alle anderthalb Stunden aus dem Schlaf gerissen wird.

Keine Bange, Sie werden Ihrem Baby trotzdem nichts antun, da gibt es glücklicherweise bei den allermeisten Eltern eine stahlharte Schranke. Manche Mütter und Väter sind jedoch über das Ausmaß ihrer Wut diesem hilflosen Bündel gegenüber, das ihnen in manchen Nächten vorkommt wie ein außerirdisches Monster, sehr erschrocken. Über diese Gefühle wird selten gesprochen. Mütter tun es eher als Väter, aber sie tun es meist in einem flapsigen Ton, um ihre Betroffenheit über die Wucht ihrer negativen Emotionen zu verbergen. Sprechen Sie – wenigstens mit Ihrem Partner oder einer guten, verständnisvollen Freundin – offen darüber, wenn es Sie bedrückt, dass Ihr geliebtes Baby Sie so an den Rand der Raserei treiben kann wie vielleicht noch niemand zuvor. Man muss sich für diese Gefühle weder schämen noch entschuldigen. Ein Kind geboren zu haben und sich den Alltag mit ihm einzurichten, ist eine einzigartige Grenzerfahrung!

Der (manchmal) weite Weg zum Schlafrhythmus

Erwachsene und größere Kindern haben einen Tagesrhythmus von 24 bis 25 Stunden. Dazu braucht es keine äußeren Zeitgeber wie Tageslicht oder Uhren. Außerdem wohnen jedem Menschen noch weitere Rhythmen inne, wie der Wechsel der Phasen mit erhöhter bzw. verringerter Leistungsfähigkeit im Vier-Stunden-Abstand.

Bei Neugeborenen und jungen Säuglingen kann von einem Tagesrhythmus und festen Schlaf-Wach-Strukturen noch keine Rede sein. Bei so kleinen Kindern herrscht zunächst ein 50-Minuten-Takt vor. Die relativ rasch aufeinander folgenden Wach-Ruhe-Wechsel sind zu vergleichen mit den Tiefschlaf- und Leichtschlaf-Phasen des größeren Kindes und des Erwachsenen. In den Leichtschlaf-Phasen ist die Gehirntätigkeit intensiver – wir träumen. Diese so genannten REM-Phasen (REM = rapid eye movement), in denen sich die Augen unter den geschlossenen Lidern heftig hin- und herbewegen, erleben schlafende Erwachsene etwa alle 90 Minuten, beim Baby gibt es doppelt so viele von diesen Phasen.

Babys Schlaf ist noch nicht so tief

Dafür, das so einzurichten, hat die Natur Gründe: In den REM-Phasen kann das Gehirn die täglichen Reize und Erlebnisse verarbeiten und sie gewissermaßen in Schubladen einsortieren. Im Vergleich zur »Ereignislosigkeit«, die im Mutterleib herrschte, muss es dem Baby so vorkommen, als sei es mit seiner Geburt in einem einzigen Tohuwabohu gelandet. In seinen ersten Lebenswochen wird es, wenn es wach ist, fast pausenlos mit neuen Eindrücken konfrontiert. Deshalb müssen diese kleinen Wesen öfter abschalten, um das alles zu verarbeiten.

Der unruhige Schlaf dient aber nicht allein der Einordnung und Verarbeitung der Erlebnisse, sondern er hat auch körperliche Gründe. Neugeborene und junge Säuglinge kühlen im Tiefschlaf rascher aus als Erwachsene; sie besitzen noch keine ausgereifte Eigenregulation der Körpertemperatur. In den häufigen und langen REM-Phasen wird gleichsam der Thermostat nachreguliert. Dann bewegen sich nicht nur die Augen, sondern auch Arme und Beine. Außerdem wird die Herz- und Atemfrequenz beschleunigt. Man könnte diesen wichtigen Vorgang mit einem kleinen Aufwärmtraining vergleichen.

Nachtschlaf muss man lernen

In der ersten Lebenswoche verteilt ein Baby sein gesamtes Schlafpensum (je nach Veranlagung zwischen 12 und 18 Stunden) noch gleichmäßig über Tag und Nacht. Viele Babys beginnen aber schon nach wenigen Lebenswochen damit, ihren Schlaf mehr auf die Nacht als auf den Tag zu legen. Mit sechs Monaten schlafen die meisten im Schnitt immerhin schon 11 von 14 Stunden in der Nacht.

Man kann jedoch leider gar nichts tun, was diese Entwicklung vorantreibt. Natürlich versuchen übermüdete Mütter und Väter alle möglichen Tricks, um das nächtliche Schlafpensum ihres Babys zu vergrößern. Viele haben zumindest vorübergehend einen gewissen Erfolg damit, ihrem Kind abends etwas besonders Nahrhaftes zu geben, damit es nicht so schnell wieder hungrig wird und aufwacht. Doch für die meisten Eltern bringt diese Idee nichts. Mütter, die ihr Baby voll stillen, wollen ihm – mit Recht! – nicht »nur« wegen ein oder zwei Stunden mehr Schlaf eine Flasche geben. Das ist die einzige Möglichkeit, besonders Nahrhaftes zu füttern, denn die Muttermilch ist schließlich in ihrer Nährstoffzusammensetzung immer gleich. Außerdem ist die Fähigkeit durchzuschlafen zumindest im ersten Lebenshalbjahr eine Frage der Gehirnreife und hat nichts mit dem Sättigungsgrad zu tun.

Der Schlafbedarf wird vererbt und ist in der Gehirnstruktur, die für die Ausschüttung des Schlafhormons verantwortlich ist, verankert. Das erklärt, weshalb es auch unter Babys schon richtige Murmeltiere, aber auch nimmermüde Temperamentsbündel gibt. Neugeborene und kleine Säuglinge schlafen noch sehr viel fester als ältere Kinder. Offenbar sind sie es noch aus dem Mutterleib gewohnt, dass sie von Umgebungsgeräuschen nicht gänzlich abgeschirmt werden. Im Gegenteil: Die vertraute Geräuschkulisse scheint Sicherheit zu geben.

Darf man ein Baby wecken?

Geweckt zu werden, findet niemand schön, auch Babys nicht. Zwar schadet es ihnen nicht, wenn man sie mal aus dem Bettchen holen muss, etwa weil der Termin beim Kinderarzt ansteht. Aber manche Babys sind nach dem Wecken mindestens eine halbe Stunde lang ungenießbar.

Regeln zum Schlafengehen

Das Baby soll spüren, dass Nachtschlaf das Normale ist. Deshalb sind zwei Dinge besonders wichtig:

  • Das Kind zu möglichst festen Zeiten ins Bett legen. Diese Schlafenszeit sollte sich weitgehend danach richten, wann das Baby erfahrungsgemäß müde wird. Damit man wirklich zu einer festen Zu-Bett-Geh-Zeit kommt, ist auch ein geregelter Tagesablauf wichtig. Willkürlich einen Schlafens-Zeitpunkt festzusetzen, hat meist keinen Sinn. Einerseits könnte das Baby noch nicht müde genug sein und sich mit Geschrei dagegen wehren, ins Bett gebracht zu werden. Dann besteht die Gefahr, dass es sich sehr in seine Misere hineinsteigert und dann auch später nur schwer in den Schlaf findet. Andererseits könnte man mit einem willkürlich festgesetzten Zeitpunkt womöglich das »Einschlaf-Fenster« verpassen, das nur in etwa 50-minütigen Abständen offen steht.

  • Beim nächtlichen Stillen, Füttern oder Wickeln möglichst wenig Licht machen und nicht zu viel sprechen (den meisten Eltern ist zu solchen Zeitpunkten ohnehin nicht nach reden zu Mute!). Nachts herrscht nun mal eine andere Atmosphäre als tagsüber. Und das muss auch das Baby spüren.

Abendrituale helfen in den Schlaf

Manchmal helfen »unterstützende Maßnahmen« wie Umhertragen oder -fahren, Waschmaschinen- oder Staubsauger-Geräusche einem Baby leichter in den Schlaf. Was den Eltern die Sache momentan erleichtert, kann sich allerdings unter Umständen zu einer Tyrannei auswachsen, wenn man den Zeitpunkt verpasst, mit solchen Tricks wieder aufzuhören.

Dennoch haben gewisse Rituale ihren Sinn, weil sie die Regelmäßigkeit vermitteln, die ein Kind zum Einschlafen braucht. Außerdem sind sie Ausdruck der innigen Beziehung zwischen Eltern und Kind. Besonders zu empfehlen sind Rituale mit einem klaren Schlusspunkt. Beispiel: Das Baby wird noch einmal durchs Zimmer getragen, man sieht gemeinsam mit ihm aus dem Fenster, läßt dann die Spieluhr laufen und läutet zum Schluss ein leises Glöckchen. Eltern können dabei ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Hauptsache ist, dass alles ruhig und ohne hektische Bewegungen vonstatten...

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