Grundlagen
1. Allgemeines
Die Familienstiftung ist eine privatnützige Stiftung. Sie verfolgt den Zweck, dem Interesse der Mitglieder einer Familie zu dienen. Die Förderung der Familieninteressen kann vor allem in der Gewährung von Zuwendungen an vom Stifter bestimmte Familienmitglieder und der Aufrechterhaltung von Familienvermögen bestehen. Da es keine Eintragungspflicht in ein bundesweites Stiftungsregister gibt, kann die genaue Zahl der Familienstiftungen nicht ermittelt werden. Nach Schätzung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen dürfte die Anzahl der Familienstiftungen in Deutschland bei etwa 700 liegen. Den Anteil der Familienstiftungen an den Stiftungen insgesamt schätzt der Verband auf 3 bis 5 Prozent. In der Datenbank des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen sind derzeit über 550 Stiftungen erfasst, die laut ihrer Satzungszwecke vorrangig oder ausschließlich dem Unterhalt von Familienangehörigen dienen (Stand: März 2010). In der Stiftungswirklichkeit ist die Vielfalt unter den Familienstiftungen groß: Es bestehen Familienstiftungen mit kleinem Vermögen und mit Mehrheitsbeteiligungen an Großunternehmen ebenso wie Familienstiftungen mit wenigen Begünstigten und jahrhundertealte Familienstiftungen mit über eintausend Begünstigten.
Hervorzuheben ist, dass die Familienstiftung kein „Steuersparmodell“ ist. Die Familienstiftung erfährt auch keine steuerlichen Begünstigungen wie eine gemeinnützige Stiftung, weil sie keineswegs vorrangig dem Wohl der Allgemeinheit dient. Familienstiftungen unterliegen vielmehr der normalen Besteuerung von privatnützigen Stiftungen. An dieser Stelle sei auf den Ratgeber „Die Gründung einer Stiftung“ hingewiesen, der weitere hilfreiche Informationen für den Stifter enthält.
2. Begriff der Familienstiftung
Die hier beschriebene Familienstiftung ist eine Anwendungsform der – im Regelfall – rechtsfähigen Stiftung des Privatrechts im Sinne von §§ 80 bis 88 des Bürgerlichen Gesetzesbuches (BGB). Unter einer rechtsfähigen Stiftung versteht man eine mitgliederlose Einrichtung, die einen oder mehrere dauerhafte Zwecke mithilfe eines vom Stifter gewidmeten Vermögens verfolgt. Eine Familienstiftung liegt nach den Landesstiftungsgesetzen dann vor, wenn eine Stiftung ausschließlich oder zumindest überwiegend dem Interesse bzw. Wohl einer bestimmten oder mehrerer bestimmter Familien dient.
3. Besondere Eigenschaften der Familienstiftung
Die Familienstiftung weist im Vergleich zu anderen Rechtsformen spezifische und üblicherweise für den Stifter unbekannte Züge auf. Eine Besonderheit der Familienstiftungen und jeder anderen rechtsfähigen Stiftung ist, dass sie juristische Personen sind, an denen keine Mitgliedschafts- oder vermögenswerte Beteiligungsrechte bestehen. Die Stiftung kennt im Gegensatz zu einem Verein oder einer Gesellschaft weder Eigentümer noch Mitglieder. Sie ist gewissermaßen eine verselbstständigte Vermögensmasse und damit prinzipiell „unsterblich“.
Die Stiftung hat lediglich Begünstigte, das sind die in der Stiftungssatzung bestimmten Adressaten der Stiftungsleistungen (sogenannte Destinatäre). Die Destinatäre sind die Nutznießer des Stiftungsvermögens. Sie haben keine Einflussmöglichkeit auf die Tätigkeit und Entwicklung der Familienstiftung. Diese „Rechtsstellung“ des Destinatärs kann nicht beliebig weitervererbt werden. Das Nachrücken in die Destinatärstellung wird in der Regel durch die Satzung bestimmt.
Mit der Errichtung der Stiftung enden grundsätzlich die Eingriffsmöglichkeiten des Stifters auf die Familienstiftung. Vor allem ist der Stiftungszweck der Disposition des Stifters sowie dem Zugriff der Stiftungsorgane entzogen. Die Familienstiftung wird vom Stifterwillen beherrscht und geführt, wie er im Stiftungsgeschäft sowie in der Satzung zum Ausdruck kommt. Dieser zum Zeitpunkt der Errichtung bestehende Stifterwille ist maßgebend für das Verständnis des gesamten Stiftungsrechts.
4. Fragen im Vorfeld der Errichtung einer Familienstiftung
Familienstiftungen sind auf Dauer ausgelegt und sollen normalerweise über Generationen bestehen. Ihre Gründung bedarf daher in vielerlei Hinsicht reiflicher Überlegung und sorgfältiger Vorbereitung. Jede Stiftungsgründung erfordert eine weit in die Zukunft schauende Planung.
HINWEIS: Bei der Errichtung einer Familienstiftung und besonders bei der Übertragung von Unternehmen spielen stiftungs-, erb-, steuer- und ggf. gesellschaftsrechtliche Fragen sowie Aspekte der Unternehmenskontrolle und -steuerung eine wichtige Rolle. Eine solche komplexe Nachfolgegestaltung sollte unbedingt von entsprechenden Rechts- und Steuersachverständigen begleitet werden.
Wenn Sie über die Gründung einer Familienstiftung nachdenken, sollten Sie im Vorfeld zunächst folgende grundlegende Fragen kritisch betrachten und sorgsam prüfen.
Familienstiftung – die richtige Rechtsform?
Stellen Sie sich am Anfang der Überlegungen die Frage, ob die Familienstiftung die sachgerechte und optimale Rechtsform zur Erfüllung Ihrer Absichten ist.
HINWEIS: Die verhältnismäßig geringe Zahl bestehender Familienstiftungen verdeutlicht, dass die Familienstiftung nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur im Einzelfall eine sinnvolle Gestaltung darstellt. Angesichts der anhaltenden Erbschaftswelle treten diese Einzelfälle jedoch häufiger auf.
Eine andere Rechtsform als die der Familienstiftung (z.B. Kapital- oder Personengesellschaft) ist besonders dann zu wählen, wenn der Stifter die Zweckbestimmung künftig ändern oder nach Bedarf konkretisieren will. Denn diese Absicht ist unvereinbar mit der Eigenständigkeit einer Stiftung und der eigenverantwortlichen Stellung der Stiftungsorgane. Als Stifter sollten Sie die Form der Familienstiftung wählen, wenn Sie sicherstellen möchten, dass die Mittel auf Dauer dem ursprünglichen Zweck zugutekommen.
Des Weiteren ist es ratsam, dass Sie außer der Familienstiftung alternative erbrechtliche Lösungen in Betracht ziehen. Grundsätzlich sollte eine Familienstiftung nur dann eingesetzt werden, wenn ein nicht unerhebliches Vermögen auf lange Sicht für Familienzwecke eingesetzt und die Verfolgung dieser Zwecke der eigenverantwortlichen Initiative von Organmitgliedern anvertraut werden soll. Die Stiftungsform ist ungeeignet, wenn nur bestimmten Personen einzelne Gebrauchsgegenstände oder Geldbeträge zugewendet werden sollen, die kurzzeitig bestimmungsgemäß zu verwenden sind. Für solche Anliegen bestehen andere Gestaltungsformen wie z.B. die Schenkung, das Vermächtnis (unter Auflage) oder der Vertrag zugunsten Dritter.
Besteht Stiftungsreife?
Als Stifter müssen Sie sich im Klaren sein, dass Sie im Zuge der Errichtung einer Familienstiftung Ihr im Stiftungsgeschäft versprochenes Vermögen an die Familienstiftung „verschenken“. Sie erlangen im Gegenzug für Ihre Vermögenshingabe weder ein eigentums- noch ein mitgliedschaftsähnliches Recht am Stiftungsvermögen, sondern können lediglich Nutznießer des Stiftungsvermögens sein. Die errichtete Familienstiftung steht unter staatlichem Bestandsschutz und ist jeder Fremdbestimmung entzogen. Dieser Bestandsschutz besteht auch gegenüber dem Stifter. Eine Einwirkung des Stifters ist nicht zulässig, soweit nicht durch Gesetz oder durch Satzung bestimmte Einflussmöglichkeiten vorgesehen sind. Diese besonderen Rahmenbedingungen der Rechtsform „Stiftung“ muss der Stifter bereit sein anzuerkennen („Stiftungsreife“).
Risiko von Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüchen
Die Errichtung einer Familienstiftung ist für vorhandene Erben nachteilig. Zum einen wird das zu vererbende Vermögen durch die Vermögensübertragung auf eine Familienstiftung geschmälert. Zum anderen können die Erben auch als Begünstigte (Destinatäre) der Familienstiftung nicht über das Stiftungsvermögen verfügen. Die pflichtteilsberechtigten Erben erhalten somit bei Ableben des Stifters einen Pflichtteilsanspruch. Außerdem können sie sogenannte Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen, wenn der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall Zuwendungen an eine Familienstiftung tätigte.
Wenn der Stifter im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt, können Vermögenszuwendungen an die Familienstiftung Ausgleichsansprüche begründen. Hierbei werden Vermögenszuwendungen in den letzten zehn Jahren vor der Beendigung des Güterstandes zur Ermittlung des Ausgleichsanspruchs mitberücksichtigt.