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E-Book

Leben und Ereignisse des Peter Prosch

AutorPeter Prosch
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783849633417
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Peter Prosch war ein einfacher Bürger, der im deutschsprachigen Raum den Adel kennenlernte und darüber eine Autobiographie schrieb. 1789, er war inzwischen Bauer und Gastwirt in Ried im Zillertal, wurde seine Autobiographie erstmals verlegt, die heute einen einmaligen und vor allem ungetrübten Blick in die Gesellschaft dieser Zeit gibt. Vor allem das Leben der deutschen Fürstbischöfe wird sehr eindrücklich geschildert.

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Leseprobe

Siebentes Kapitel


 


 

 

Eine Stunde vor der Ankunft in meine Heimat ging mir mein liebes Weib entgegen. Vor Freuden, daß sie mich wieder sah, fuhr sie mir um den Hals, weinte und sagte: »Mein Schatz! Gott hat unsre zwei Kindern zu sich genommen, und du triffst zu Hause keines mehr an.« Je nun, als Vater betrübte es mich doch auch und tat mir im Herzen leid, daß ich sie nicht mehr gesehen habe; ich sagte zu ihr: »Mein Schatz! bekümmere dich nicht so viel und gieb dich zufrieden, es war ja der Willen Gottes; man soll heutiges Tages froh sein und Gott danken, wenn einem unser Herr Gott die Kinder zu sich nimmt; du siehst ja, wie hart man sich fortbringen muß und wie ausgelassen und boshaft die Welt ist. Wenn man nicht Vermögen vom Hause aus hat und sie versorgen kann, so weiß man nicht, wo oft dergleichen Kinder hinkommen und wie es ihnen ergeht; im Gottes Namen.«

 

Unter diesen Gesprächen kamen wir bald nach Haus. Wir zogen uns aus, sie brachte mir warmes Wasser, und wir wuschen uns. Auf die Nacht kochte sie mir Wassernudeln mit Käse und erzählte mir, was unter dieser Zeit zu Haus passiert sei; wir gingen darauf schlafen. Ich blieb einige Tage zu Haus und ging alsdann nach Innspruck, um meine Waren zu bezahlen. Ich kam zu der Gräfin von Trapp, welche mich gerne sah und mit mir Mitleiden hatte, wie auch zur Gräfin von Künigl, Tannenberg, Taxis, Wellersberg und Lodron.

 

Unter andern ging ich auch mit einem Memorial, wegen meiner Wirtschaft, die mir die Kaiserin Maria Theresia versprochen hat, zum Gouverneur Grafen von Enzenberg und gab ihm solches, mit Bitte, er möchte mir dazu verhülflich sein. Da ich wohl bekannt war, kam ich durch unterschiedliche Zimmer in der Residenz, unter andern durch den annoch schwarz spalierten Riesensaal, ins Vorzimmer, wo unser höchst selige Kaiser Franz so schnell und unversehen dahingestorben ist.

 

Ein Schauer durchdrang mich, das Andenken an mein durch den so schnell erfolgten Tod verursachtes Unglück und an die das letztemal hier gesehene betrübte Kaiserin Marien Theresien kam wieder in mein Gemüt und Seele so lebhaft zurück, daß ich ganz niedergeschlagen und traurig mich aus der Residenz hinaus machte, noch zu ein und andern Herrschaften, und hernach ganz betrübt wieder von Innspruck in das Zillerthal nach Haus ging.

 

Unterwegs stiegen schwarze Wolken und allerhand melankolische Gedanken in meiner Seele auf; der Tod schwebte wieder vor meinen Augen, und ich kam ganz niedergeschlagen und betrübt nach Haus zu meinem Weibe, welche gleich sah, daß es mit mir nicht recht richtig wäre. Wir hatten uns einander lieb, deswegen war sie für mich bekümmert und grämte sich sehr; sie ließ mich die wenigste Zeit allein; ihr Bruder Michael Fiechtel war mein Hofmeister und mußte auf mich acht haben. Es ging so eine Zeit vorbei. In der Frühe war ich ganz munter und aufgeräumt, bis Nachmittag gegen drei bis vier Uhr wurde ich betrübt und niedergeschlagen; vor langer Weile fing ich an zu weinen und wußte nicht, warum: es kam mir alles verdrüßlich vor; das dauerte schier alle Tage bis neun bis zehn Uhr in die Nacht, wo ich ruhig wurde und wieder einschlief. Eines Tages stund ich auf, und wir gingen in unsre Kirche.

 

Die Leute sahen mich an, und es wurde überall bekannt, daß ich melankolisch wäre. So ging eine geraume Zeit herum. Die Leute, wie auch der geistliche Herr Provisor besuchten mich öfters, er sprach mir zu und suchte mir die Sachen aus dem Kopfe zu bringen. Ich und mein Weib gingen wallfahrten auf St. Georgenberg. Ich ließ mir öfters zur Ader, aber es wollte nichts helfen und besser werden, so daß viele Leute mit mir Mitleid trugen, manche auch mir es wohl gönnten, weil ich ihnen zu glücklich war, und darum hatte ich sowohl Freunde als Feinde. Unter andern war Rupert Mayr oder der sogenannte Bögler Riepl, Schmied zu Ried, ein junger, sehr starker Mensch, der im Raufen wenig seinesgleichen hatte.

 

Dieser war zur selben Zeit mein guter Freund, und wir waren Kameraden; er besuchte mich dann öfters; sein Schmiedhandwerk wollte ihm nicht recht anschlagen und er hauste mehr rückwärts als vorwärts; er war auch ein Projektmacher wie ich. So lagen wir miteinander manche Stunde vor meinem Hause auf dem Scholderbichl und machten Projekte. Er hatte nicht viel Kapital und ich gar keines. Wir kauften nichtsdestoweniger in Gedanken zu Ried nächst der Kirche ein altes Bauernhaus und Gütl, genannt Glaser. Dieses ließen wir miteinander abreißen und neu aufbauen.

 

Untenher zu ebener Erde sollte ich Bier schenken und Wirtschaft treiben, wozu ich Hoffnung hatte, das Recht von der Kaiserin zu bekommen, weil sie es mir versprochen hatte. Im zweiten Stockwerk wollte Riepl Theriak machen und Öl brennen; die Erlaubnis dazu hoffte er bald zu erlangen, weil er bei dem Gouverneur darum angelangt hatte; es wäre auch alles so geschehen, wenn wir nur dabei geblieben wären. In solchen Gesprächen brachten wir manche Zeit zu.

 

Es kamen öfters mehrere gute Freunde zu mir: mein Vetter Urban Mayr oder Seitner Urbl, mein Schwager Kapfinger Märtl, Riepl Peter, der Kerl, Schmied Jagl und der Bader zu Stum unterhielten mich mit Diskursen, auch manchesmal mit Kartenspiel; allein nachmittags gegen drei bis vier Uhr wurde ich niedergeschlagen und traurig: ich fing wieder an zu weinen, wiewohl ich nicht wußte, warum. Man redete es mir aus, soviel man konnte; allein mir war immer bang und ich suchte allein zu sein. So war es täglich bis gegen neun bis zehn Uhr in die Nacht, wo ich wieder einschlief. In dieser betrübten Lage und Marter ging bald ein Jahr vorbei: vormittag wußte ich niemal und konnte es nicht glauben, daß ich nachmittag nicht bei mir selbst und ganz konfus und närrisch sein sollte. Aber alle andre Leute wußten es. Vor allen war mein armes gutes Weib Tag und Nacht bekümmert und wegen meiner Gesundheit besorgt, weil sie mich vom Herzen liebte.

 

Eines Abends in der Fasten, da ein tiefer Schnee lag, spann mein Weib beim Licht, und ich las in einem Buche.

 

Es wurde acht Uhr, und ich wollte schlafen gehen. Mein Weib nahm ein Licht und ging mit mir in die Kammer; ich zog mich aus und legte mich im Hemde ins Bett. Mein Weib, weil sie an mir nichts merkte und ich ruhig war, sagte zu mir: »Ich will noch ein wenig spinnen und hernach gehe ich auch schlafen.« Sie gab mir einen Kuß und ging wieder in die Stube, um zu spinnen. Ich lag bei einer halben Stunde und schlummerte ein. Es kam mir vor, als hörte ich vor dem Hause die Tochter meines Vetters Mosel-Martelein vom Berg herunter zu mir sagen: wenn ich die Bodenläden und Zaunstecken haben wollte, so sollte ich nur gleich heraufkommen, ihr Vater wollte sie mir zu kaufen geben.

 

Ich stund auf, weiß aber heutzutage noch nicht, wie ich aus dem Hause gekommen; wäre ich über die Stiege hinuntergegangen, so hätte mich mein Weib gehört; oder bin ich vielleicht über den Solder hinabgesprungen? Kurz, ich ging im bloßen Hemd und bloßen Füßen in dem tiefen Schnee bei einer halben Stunde weit über den Riedberg hinauf, kam zu Moslers Hause und klopfte an. Die Bäurin war meiner Mutter sel. Schwester, die machte mir die Tür auf. Wie erschrak sie aber, da sie mich erkannte und mich im bloßen Hemd sah! Ich fragte nach Martelein, sie führte mich in die Stube, worin acht Personen waren, lauter Vetter und Bäsel von mir, welche schon wußten, daß ich närrisch war. Ich grüßte sie; alle erschraken, ja einige machten sogar das h. Kreuz.

 

Ich fragte, ob er mir die Bretter und Zaunstecken zu kaufen geben wollte.

 

Sie stunden alle auf, setzten sich mit mir hinter dem Tische, nahmen eine Kreide und fingen mit mir zu rechnen und zu handeln an, schickten aber geschwind einen Buben, den Mosl Bärtl, zu meinem Weib, welche, da sie mich in meinem Bette nicht angetroffen, schon vorher Lärm und Anstalten gemacht hatte, mich mit hölzenen Fackeln aufzusuchen.

 

Ich diskurrierte mit den Leuten, welche ich alle kannte, wußte aber dabei nicht, daß ich im bloßen Hemd war und habe mich auch nicht geschämt, wollte auch öfters in meine Hosentasche um meine Tobaksdose greifen, wiewohl ich keine Hosen anhatte. Ich sagte auch, ich wollte wieder nach Hause; denn mein Weib möchte nicht wissen, wo ich hingegangen wäre, aber man ließ mich nicht aus, und sie handelten mit mir fort. Endlich kam Knappenhoißl, Ried Peter, mein Schwager, und mein Weib, welche weinte und auf ihrem Arm meinen Hut, Rock, Hosen, Strümpfe und Schuhe hatte; ich erkannte sie gleich und ging darauf zu; weil sie weinte, fragte ich sie, was ihr fehle? Sie gab mir meine Kleidung, ich zog mich an, zween führten mich, und wir kamen gegen eilf Uhr in der Nacht nach Haus, wir zogen uns aus und legten uns schlafen. Die übrigen schliefen in der Stube.

 

Des andern Tags in der Frühe stunden wir auf, gingen in die h. Messe, und ich wußte von allem wiederum nichts; es kam der Bader von Stum, man ließ mir wieder zur Ader, aber es blieb beim alten, und auf dem Abend bekam ich allzeit den alten Anfall von meiner Melankolie bis in die Nacht.

 

So gingen etliche Wochen armselig vorbei; wir waren recht zu bedauern; denn ich und mein Weib nahmen grausam ab, und es konnte mir auch kein Mensch helfen.

 

Es war an einem Sonntag auf dem Abend, daß Leute in meiner Stube beim Tisch mit Karten spieleten, nämlich meine zween Schwäger, Knappell Hoißl und Schuster Sepäl; ich...

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