3.1.1 Aufstellung und Prüfung des Lageberichts
Die Pflicht zur Aufstellung eines Lageberichts bzw. Konzernlageberichts ergibt sich aus § 264 Abs. 1 HGB bzw. § 290 Abs. 1 HGB. Danach haben große und mittelgroße Kapitalgesellschaften ihren Abschluss um einen Lagebericht zu ergänzen, während für kleine Kapitalgesellschaften ein Wahlrecht zur Lageberichterstattung nach
§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB eröffnet wird.[123] Unternehmen, die zur Konzernrechnungslegung verpflichtet sind, müssen gemäß § 290 Abs. 2 HGB zusätzlich zum Konzernabschluss einen Konzernlagebericht aufstellen. Der Konzernlagebericht darf laut
§ 298 Abs. 3 HGB i. V. m. § 315 Abs. 3 HGB mit dem Lagebericht des Mutterunternehmens zusammengefasst werden.
Gemäß § 316 Abs. 1 HGB ist der Lagebericht von mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften gemeinsam mit dem Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer zu prüfen. Kleine Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB sind von der Prüfungspflicht befreit. Die Prüfungspflicht für den Lagebericht in Verbindung mit dem Jahresabschluss ist geregelt in § 316 Abs. 2 HGB. Gegenstand und Umfang der Prüfung des Lageberichts gehen aus § 317 Abs. 2 HGB hervor.[124] Bei der Prüfung des Lageberichts sind zudem IDW PS 350 bzw. IDW EPS 350 n. F. sowie DRS 15, DRS 5 und IDW RH HFA 1.005, IDW RH HFA 1.007 zu beachten. Der Prüfungsgegenstand umfasst nach § 317 Abs. 2 HGB die Einklangsprüfung und die Prüfung der zutreffenden Darstellung der Lage des Unternehmens. Der Prüfungsumfang nach IDW EPS 350 Tz. 8–11 bedingt, dass sämtliche Angaben im Lagebericht sowie auch die finanziellen und nichtfinanziellen Leistungsindikatoren in die Prüfung mit einzubeziehen sind. Die Prüfungshandlungen umfassen die Prüfung der Beachtung von Grundsätzen der Lageberichterstattung, eine vergangenheitsorientierte sowie eine zukunftsorientierte Prüfung des Lageberichts. Letztere bedingt nach IDW EPS 350 Tz. 20–24 die Prüfung der Plausibilität und Übereinstimmung prognostischer Angaben und Wertung vor dem Hintergrund der Jahresabschlussangaben. Außerdem hat der Abschlussprüfer sich gemäß § 289 (bzw. § 315) Abs. 2 Nr. 2a HGB zu vergewissern, ob im Lagebericht die Darstellung der Risikomanagementziele und -methoden der Gesellschaft vorhanden sind. Zusätzlich ist zu untersuchen, ob die Methoden zur Absicherung der Risiken, verbunden mit den jeweiligen Finanzinstrumenttransaktionen, wiedergegeben wurden. Anschließend hat der Abschlussprüfer sein Prüfungsergebnis nach § 317 Abs. 2 HGB, das die Einklangsprüfung und die Vermittlung einer zutreffenden Vorstellung des Unternehmens im Prüfungsbericht zusammenzufassen.[125]
Neben dem Abschlussprüfer besteht gemäß § 171 AktG auch für den Aufsichtsrat jeder AG die Pflicht, den Jahresabschluss und den Lagebericht zu prüfen. Mit dem TransPuG hat der Gesetzgeber die „Follow up“-Berichterstattung des Vorstandes eingeführt. Dabei ist der Vorstand gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 sowie Abs. 1 S. 2 AktG verpflichtet, dem Aufsichtsrat einen Bericht über die beabsichtigte Geschäftspolitik zu erstatten und Soll-Ist-Abweichungen des Geschäftsverlaufs zu begründen.[126] Somit ergeben sich für den Aufsichtsrat im Rahmen der Lageberichtprüfung zwei Aspekte. Zum einen umfasst eine Überwachungsaufgabe die eigenständige Prüfung, ob der vom Vorstand vorgelegte Lagebericht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Zum anderen kann der Aufsichtsrat bezüglich seiner eigenen Überwachungsarbeit kontrollieren, ob seine Vorstellung über die Unternehmenslage mit der Lagebeurteilung des Vorstandes übereinstimmt.[127] Der Aufsichtsrat ist nach § 171 Abs. 2 AktG verpflichtet, über das Ergebnis der von ihm durchgeführten Prüfung schriftlich an die Hauptversammlung zu berichten.[128] Ferner ist der Lagebericht durch das am 15. Dezember 2004 in Kraft getretene BilKoG ein Bestandteil des Enforcement[129] gemäß
§ 342b Abs. 2 HGB. Dabei ist für die DPR entscheidend, ob durch die von Abschluss und Lagebericht vermittelten Informationen für die Adressaten entscheidungsrelevant, d. h. nicht verfälscht oder verkürzt, sind.[130]
3.1.2 Zielsetzung der Lageberichterstattung
Der Lagebericht, der formalrechtlich nicht Bestandteil des Jahresabschlusses und somit ein eigenständiges Rechnungslegungsinstrument ist, hat die Aufgabe, gemäß der Generalnorm nach § 289 Abs. 1 HGB, den Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses und die Lage des Unternehmens so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. Insofern kommt dem Lagebericht die Informationsvermittlung, die durch die Ergänzungsfunktion, die Verdichtungsfunktion sowie die Beurteilungsfunktion der Lageberichterstattung konkretisiert wird, sowie die Rechenschaftsfunktion zu.[131] Die Verdichtungsaufgabe des Lageberichts kommt in der Zusammenfassung der im Jahresabschluss abgebildeten Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zur Gesamtlage der Gesellschaft zum Ausdruck, indem der Lagebericht den Jahresabschluss mit weiteren Informationen zu ergänzen und dessen Feststellungen in verbalisierter Form zu verdichten hat.[132] Die Ergänzungsaufgabe wird einerseits zeitlich durch die Einbeziehung von Prognosen in den Lagebericht und andererseits sachlich durch die Berichterstattung über die gesamte Lage der Gesellschaft deutlich, die etwa auch die Personal-, Absatzlage sowie Umfeld- und Umweltfaktoren umfasst.[133] Der Lagebericht unterliegt nicht den Einschränkungen der GoB, weshalb er umfassender und zukunftsorientierter zu berichten hat als der Jahresabschluss. Es ist auf Sachverhalte und Entwicklungen einzugehen, die sich nicht ohne Weiteres aus dem Jahresabschluss ableiten lassen und die einen wesentlichen Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben. Verbunden mit dieser Darstellung ist eine subjektive Einschätzung der Lage des Unternehmens durch die Unternehmensleitung. Die Ergänzungsfunktion bezieht sich daher insbesondere auf Erfolgsfaktoren des Unternehmens, die im Jahresabschluss nicht berücksichtigt werden können oder dürfen, etwa weil sie nicht bilanzierungsfähig sind oder einem Bilanzierungsverbot unterliegen.[134] Die Beurteilungsfunktion des Lageberichts ergibt sich einerseits dadurch, dass über die Risiken sowie die Chancen des Unternehmens zu berichten ist, was die Unternehmensleitung zur Bildung gewisser Erwartungen und Annahmen zwingt. Andererseits ergibt sich die Beurteilungsfunktion daraus, dass die Unternehmensleitung sich zu äußern hat, inwieweit sich der Geschäftsverlauf erwartungsgemäß entwickelte und die Lage des Unternehmens als ausreichende Voraussetzung für die angestrebte Entwicklung angesehen werden kann.[135] Ferner erfüllt der Lagebericht auch eine Rechenschaftsfunktion, indem die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens als Verwalter fremden Vermögens zunächst die Rechenschaft über die gesamte wirtschaftliche Situation des Unternehmens ablegen.[136] Mit welchen inhaltlichen Anforderungen die Erfüllung der Zielsetzungen der Lageberichterstattung gewährleistet wird, wird im nächsten Kapitel erläutert. Jedoch kann die verpflichtende Einbeziehung der nichtfinanziellen Leistungsindikatoren in die Lageberichterstattung ist daher als ein wesentlicher Beitrag angesichts der Funktionen der Lageberichterstattung zu sehen.
Der Mindestinhalt des Lageberichts ist in § 289 bzw. 315 HGB geregelt. Da die Angaben gemäß § 289 HGB bzw. § 315 HGB dem Mindestinhalt entsprechen, sind Ergänzungen zulässig. Hinsichtlich der formalen Darstellung gibt es jedoch keine gesetzlichen Vorschriften. Allerdings ist die einmal gewählte Gliederung der Angaben auch in den folgenden Jahren einzuhalten. Es wird zudem empfohlen, sich an der Einteilung des § 289 HGB bzw. § 315 HGB zu orientieren.[137] Der Lagebericht setzt sich gemäß §§ 289 HGB bzw. 315 HGB aus dem Wirtschaftsbericht, dem Prognosebericht, dem Nachtragsbericht, dem Forschungs- und Entwicklungsbericht sowie dem Vergütungsbericht zusammen. Im Gegensatz zum Konzernlagebericht enthält der Lagebericht gemäß § 289 Abs. 2 Nr. 4 HGB einen Zweigniederlassungsbericht, in dem über alle Niederlassungen mit Ortsangaben im In- und Ausland zu berichten ist.[138]
Im Wirtschaftsbericht hat die Unternehmensleitung gemäß §§ 289 Abs. 1 HGB bzw. 315 Abs.1 HGB auf den Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft einzugehen. Die Darstellung der Lage entspricht dem wirtschaftlichen Zustand des Unternehmens am Ende des Geschäftsjahres, der sich aus der Entwicklung ergeben hat. Dabei wird bei der Darstellung des Geschäftsverlaufs und der Lage des Unternehmens eine eindeutige Bezugnahme auf das Geschäftsergebnis gefordert.[139] Mit dem Inkrafttreten des BilReG besteht neben der Darstellung des Geschäftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft im Wirtschaftsbericht auch die Pflicht zu einer umfassenden Analyse, die auch das Geschäftsergebnis beinhaltet. Dabei sind die wichtigsten finanziellen sowie nichtfinanziellen Leistungsindikatoren einzubeziehen und zu erläutern. Außerdem sollte die Unternehmensleitung...