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E-Book

Der zerbrochene Krug

AutorHeinrich von Kleist
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl88 Seiten
ISBN9783640221097
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Klassiker aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, , Veranstaltung: -, Sprache: Deutsch, Abstract: Beim hastigen Verlassen des Zimmers der unschuldigen Eve wird ein wertvoller Krug zerbrochen. Vor Gericht soll zum Schutze der Ehre des Mädchens Ihr Freund, der Bauernsohn Ruprecht angeklagt werden - ein völlig fremder Besucher würde Eve als Dirne erscheinen lassen. Dem Schauprozeß wohnt zufällig der Gerichtsrat Walter bei, der für einen korrekten Ablauf sorgt. Ruprecht darf sich äußern und erklärt, er habe einen Fremden aus dem Fenster hat springen gesehen. Die Spuren führten direkt zum Gericht - und damit zu Richter Adam. Ruprecht ahnt nicht, dass Eve, nur um ihm vor einem angeblichen Militärdienst zu bewahren, dem Richter - der jetzt Gericht über ihn hält - gefügig sein wollte. Die ganze Geschichte klärt sich auf.

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Leseprobe

Erster Auftritt


 

Scene: Die Gerichtsstube.

 

ADAM (sitzt und verbindet sich ein Bein).

 

Licht (tritt auf).

 

LICHT. Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam! Was ist mit euch geschehn? Wie seht ihr aus?

 

ADAM. Ja, seht. Zum Straucheln braucht’s doch nichts, als Füße. Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier? Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt Den leid'gen Stein zum Anstoß in sich selbst.

 

LICHT. Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg’ jeglicher –?

 

ADAM. Ja, in sich selbst!

 

6 LICHT. Verflucht das!

 

ADAM. Was beliebt?

 

LICHT. Ihr stammt von einem lockern Aeltervater, Der so beim Anbeginn der Dinge fiel, Und wegen seines Falls berühmt geworden; Ihr seid doch nicht –?

 

ADAM. Nun?

 

LICHT. Gleichfalls –?

 

ADAM. Ob ich –? Ich glaube –? Hier bin ich hingefallen, sag ich euch.

 

LICHT. Unbildlich hingeschlagen?

 

ADAM. Ja, unbildlich. Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein.

 

LICHT. Wann trug sich die Begebenheit denn zu?

 

ADAM. Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett’ Entsteig’. Ich hatte noch das Morgenlied 7 Im Mund’, da stolpr’ ich in den Morgen schon, Und eh’ ich noch den Lauf des Tags beginne, Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.

LICHT. Und wohl den linken obenein?

 

ADAM. Den linken?

 

LICHT. Hier, den gesetzten?

 

ADAM. Freilich!

 

LICHT. Allgerechter! Der ohnhin schwer den Weg der Sünde wandelt.

 

ADAM. Der Fuß! Was! Schwer! Warum?

 

LICHT. Der Klumpfuß?

 

ADAM. Klumpfuß! Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen.

 

LICHT. Erlaubt! Da thut ihr eurem rechten Unrecht. Der rechte kann sich dieser – Wucht nicht rühmen, Und wagt sich eh’r auf’s Schlüpfrige.

 

8 ADAM. Ach, was! Wo sich der Eine hinwagt, folgt der Andre.

 

LICHT. Und was hat das Gesicht euch so verrenkt?

 

ADAM. Mir das Gesicht?

 

LICHT. Wie? Davon wißt ihr nichts?

 

ADAM. Ich müßt’ ein Lügner sein – wie sieht’s denn aus?

 

LICHT. Wie's aussieht?

 

ADAM. Ja, Gevatterchen.

 

LICHT. Abscheulich!

 

ADAM. Erklärt euch deutlicher.

 

LICHT. Geschunden ist’s, Ein Gräul zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange, Wie groß? Nicht ohne Waage kann ich’s schätzen.

 

ADAM. Den Teufel auch!

 

9 LICHT. (bringt einen Spiegel). Hier! Ueberzeugt Euch selbst! Ein Schaaf, das, eingehetzt von Hunden, sich Durch Dornen drängt, läßt nicht mehr Wolle sitzen, Als ihr, Gott weiß wo? Fleisch habt sitzen lassen.

 

ADAM.Hm! Ja! S’ ist wahr. Unlieblich sieht es aus. Die Nas’ hat auch gelitten.

 

LICHT. Und das Auge.

 

ADAM. Das Auge nicht, Gevatter.

 

LICHT. Ei, hier liegt Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott, Als hätt’ ein Großknecht wüthend ihn geführt.

 

ADAM. Das ist der Augenknochen. – Ja, nun seht, Das Alles hatt’ ich nicht einmal gespürt.

 

LICHT. Ja, ja! So geht’s im Feuer des Gefechts.

 

ADAM. Gefecht! Was! – Mit dem verfluchten Ziegenbock, Am Ofen focht’ ich, wenn ihr wollt. Jetzt weiß’ ich’s. Da ich das Gleichgewicht verlier, und gleichsam Ertrunken in den Lüften um mich greife, 10 Fass' ich die Hosen, die ich gestern Abend Durchnäßt an das Gestell des Ofens hing. Nun fass ich sie, versteht ihr, denke mich, Ich Thor, daran zu halten, und nun reißt Der Bund; Bund jetzt und Hos’ und ich, wir stürzen, Und Häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr’ ich auf Den Ofen hin, just wo ein Ziegenbock Die Nase an der Ecke vorgestreckt.

 

LICHT (lacht). Gut, gut.

 

ADAM. Verdammt!

 

LICHT. Der erste Adamsfall, Den Ihr aus einem Bett hinaus gethan.

 

ADAM. Mein Seel! – Doch, was ich sagen wollte, was giebts Neues?

 

LICHT. Ja, was es Neues giebt! Der Henker hol’s, Hätt’ ich’s doch bald vergessen.

 

ADAM. Nun?

LICHT. Macht euch bereit auf unerwarteten Besuch aus Utrecht.

 

11 ADAM. So?

 

LICHT. Der Herr Gerichtsrath kömmt.

 

ADAM. Wer kömmt?

 

LICHT. Der Herr Gerichtsrath Walter kömmt, aus Utrecht. Er ist in Revisions-Bereisung auf den Aemtern, Und heut noch trifft er bei uns ein.

 

ADAM. Noch heut! Seid ihr bei Trost?

 

LICHT. So wahr ich lebe. Er war in Holla, auf dem Grenzdorf, gestern, Hat das Justizamt dort schon revidirt. Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schon Die Vorspannpferde vor den Wagen schirren.

 

ADAM. Heut noch, er, der Gerichtsrath, her, aus Utrecht! Zur Revision, der wackre Mann, der selbst Sein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen haßt. Nach Huisum kommen, und uns cujoniren!

LICHT. Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum. Nehmt Euch in Acht.

 

12 ADAM. Ach geht!

 

LICHT. Ich sag’ es euch.

 

ADAM. Geht mir mit Eurem Mährchen, sag’ ich euch.

 

LICHT. Der Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker.

 

ADAM. Wer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn. Die Kerle unterscheiden ein Gesicht Von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist. Setzt einen Huth dreieckig auf mein Rohr, Hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter, So hält so'n Schubjak ihn für wen ihr wollt.

 

LICHT. Wohlan so zweifelt fort, ins Teufels Namen, Bis er zur Thür hier eintritt.

 

ADAM. Er, eintreten! – Ohn’ uns ein Wort vorher gesteckt zu haben.

 

LICHT. Der Unverstand! Als ob’s der vorige Revisor noch, der Rath Wacholder, wäre! Es ist Rath Walter jetzt, der revidirt.

 

13 ADAM. Wenn gleich Rat Walter! Geht, laßt mich zufrieden. Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen, Und praktisirt, wie wir, nach den Bestehenden Edikten und Gebräuchen.

 

LICHT. Nun ich versichr’ euch, der Gerichtsrath Walter Erschien in Holla unvermuthet gestern, Vis'tierte Kassen und Registraturen, Und suspendierte Richter dort und Schreiber, Warum? ich weiß nicht, ab officio.

 

ADAM. Den Teufel auch? Hat das der Bauer gesagt?

 

LICHT. Dies und noch mehr –

 

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