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E-Book

Verhaltens- und Kommunikationsstile

Erkennen und optimieren

AutorEberhardt Hofmann
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl214 Seiten
ISBN9783844423464
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Viele Menschen stolpern in zwischenmenschlichen Situationen immer wieder über die gleichen Schwierigkeiten, sie zeigen dann einen für sie typischen Verhaltens- und Kommunikationsstil. Insbesondere in Stresssituationen werden unser Verhalten und unsere Kommunikation stark von Automatismen geprägt, die uns oftmals selbst verborgen bleiben. Wir folgen einer »Notfallregel«, die wir sehr früh im Leben entwickelt und später nicht mehr angemessen korrigiert haben. Das Buch liefert eine Anleitung zur Identifizierung der eigenen wie auch der Notfallregel von Interaktionspartnern. Ist man sich seiner individuellen wiederkehrenden Interaktionsmuster einmal bewusst, können diese auf ihre Alltagstauglichkeit hin überprüft und, falls notwendig, optimiert werden. Die Optimierung geschieht am besten mit Hilfe von Verhaltensexperimenten, also dem Ausprobieren verschiedener Verhaltensweisen in zwischenmenschlichen Situationen. Wie solche Verhaltensexperimente und spezielle kommunikative Übungen im Alltag durchgeführt werden können, wird ausführlich dargestellt. Das Buch liefert damit zahlreiche Anregungen, wie der eigene Handlungsspielraum erweitert, zwischenmenschliche Beziehungen positiver gestaltet und interpersonelle Konflikte besser gelöst werden können.

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Leseprobe

1  Verschiedene Mechanismen der Verhaltenssteuerung


Um die Mechanismen der Selbstoptimierung und die zentralen Aspekte der zwischenmenschlichen Interaktion verstehen zu können, muss man die dabei relevanten Wege der Verhaltenssteuerung kennen. Unser Verhalten wird von relativ wenigen kybernetischen Prozessen gesteuert, die im Gehirn systematisch und konstant ablaufen, so als ob dieses programmiert worden wäre. Jedes Gehirn enthält dabei auch einige Fehlprogrammierungen, die zu fehlerhaftem Verhalten in kritischen Momenten führen können. Man trifft dann z. B. Fehlentscheidungen, die hätten verhindert werden können. Unser Verhalten wird weitgehend vom Gehirn gesteuert, daher braucht man etwas Hintergrundwissen zum Aufbau des Gehirns, um die relevanten Steuerungsarten zu verstehen. Das erste Kapitel vermittelt schwerpunktmäßig dieses notwendige Wissen. Zum Verständnis der Steuerungsmechanismen benötigt man zusätzlich noch psychologisches Wissen, das im nachfolgenden Kapitel vermittelt werden soll.

Im Bezug auf zwischenmenschliche Interaktionen wird häufig davon ausgegangen, dass die Kommunikation das zentrale Thema sei, um effizienter handeln zu können. Dass dies zu kurz gegriffen ist, merken wir spätestens dann, wenn wir unsere kommunikativen Fähigkeiten absolut perfekt gemacht haben. Denn was macht ein Mensch, bevor er seinen Mund aufmacht? Was er innerlich an Gedanken und Plänen produziert, bevor er mit der Kommunikation beginnt, ist das Eigentliche. Die Art der Kommunikation ist natürlich bedeutsam, sie ist jedoch eher ein Folgeprodukt vorgelagerter Prozesse als ein eigenständiges Phänomen. Um die für die Verhaltenssteuerung relevanten Prozesse zu verstehen, muss man zunächst wissen, welche Funktionssysteme die menschliche Psyche beinhaltet.

1.1  Die Funktionssysteme der Psyche


Der Mensch verfügt grundsätzlich über zwei unterschiedliche Funktionssysteme zur Steuerung von Verhalten und Entscheidungen: über ein bewusstes System und über ein „autonomes“ Verarbeitungssystem. In diesem Zusammenhang vermeide ich den Begriff „unbewusst“, weil er sehr oft durch die Nähe zu psychoanalytischen Ideen mit Begriffen wie „Verdrängung“, „triebhaft“, „primitiv“, „unberechenbar“ etc. assoziiert wird. Das Unbewusste wird aus einer solchen Perspektive heraus oft als eine Art Rumpelkammer der Psyche verstanden. Im Gegensatz dazu sollen hier „autonome psychische Prozesse“ als Funktionen verstanden werden, die aus Ökonomiegründen automatisch ablaufen, ohne dass sie ständig mit Aufmerksamkeit belegt sein müssen. Es wäre katastrophal, wenn man sich immer und vollständig dessen bewusst wäre, was gerade im Körper abläuft. Man würde dann z. B. die Muskelspannung wahrnehmen, die in den verschiedenen Muskelgruppen nötig ist, um ein Buch in der Hand zu halten. Man würde auch wahrnehmen, wie die Körpertemperatur konstant gehalten wird. Ähnlich würde es sich beim Lesen selbst verhalten: Beim Lesen dieser Sätze würde man sich darüber bewusst sein, wie einzelne Linien Buchstaben bilden und diese zu Worten zusammengesetzt werden. Ebenso wäre man sich der Tatsache bewusst, dass die einzelnen Buchstaben im Wortverbund anders ausgesprochen werden als einzeln: Ein „Z“ wird im Wortverbund nicht als „Zett“ ausgesprochen. Wir wären uns ständig der Grammatik bewusst, mit der einzelne Worte zu Sätzen zusammengefügt werden, damit sie einen Sinn ergeben usw. Wenn uns das alles ständig bewusst wäre, bräuchten wir entweder eine ungeheure Verarbeitungskapazität oder wir wären gar nicht mehr lebensfähig. Es wäre darüber hinaus sehr unökonomisch, ständig Wahrnehmungen präsent zu halten, die für das, was im Moment passiert, nicht notwendig sind. Unter „autonom“ verstehe ich daher diejenigen Prozesse, bei denen Funktionsweisen „im Hintergrund“ ablaufen, ohne dass der Scheinwerfer des Bewusstseins im Moment gerade auf sie gerichtet ist. Eine Analogie für den Dualismus „bewusst – autonom“ stellt auch der Gebrauch eines Computers dar. Für den Benutzer des Computers ist nur das relevant, was er auf seinem Bildschirm sieht. Alles, was eigentlich in der Software abläuft, ebenso wie die gesamte Hardware, ist für die effiziente Benutzung des Computers zumindest so lange irrelevant, wie das Programm einwandfrei funktioniert. Ist dies jedoch einmal nicht der Fall, so kann man immer noch in die einzelnen Menüs gehen oder die Betriebsanleitung lesen, im Notfall sogar zu einem Spezialisten gehen, der sich mit den speziellen Funktionsweisen besser auskennt. Die Notwendigkeit, sich tiefer in die Funktionalität einzudenken, ergibt sich jedoch immer erst im Ausnahmefall, der Normalfall, die Routine, läuft rein auf der Benutzeroberfläche ab.

Unbewusst in dem hier verwendeten Sinne sind also

  • unterschwellige Wahrnehmungen,

  • Wahrnehmungen außerhalb des Aufmerksamkeitsfokus,

  • alle gedanklichen und emotionalen Prozesse, die vor der Ausreifung der Großhirnrinde (am Ende der Pubertät) ablaufen,

  • Gedächtnisinhalte, die von der Großhirnrinde „abgesunken“ sind (vergessen wurden), die aber wieder bewusst gemacht werden können.

Im Zusammenspiel von bewusster und autonomer Funktionsweise sind vier verschiedene Subsysteme zu berücksichtigen: der bewusste Verarbeitungsmodus, die autonome Kognition, die autonome Emotion und das autonome Nervensystem (vgl. Abbildung 2). Diese Subsysteme sind funktionell und anatomisch gut abgrenzbar und werden nachfolgend näher beschrieben. Danach werden die Gesetzmäßigkeiten und die Besonderheiten bei der Zusammenarbeit dieser Subsysteme thematisiert.

Abbildung 2:  Die verschiedenen Funktionssysteme

Autonomes Nervensystem


Ein Funktionssystem der Verhaltenssteuerung ist das „Autonome Nervensystem“, das vor allem für die vegetative Regulation verantwortlich ist. Die allermeisten Körperfunktionen laufen, ohne dass wir uns ihrer bewusst sind und ohne dass wir viel Einfluss auf sie haben ab. Sie werden vom sogenannten „Autonomen Nervensystem“ gesteuert. Solche Körperfunktionen sind z. B. der Herzschlag, die Atmung, die Verdauung, die Regulation der Körpertemperatur, die Hormonausschüttungen usw. Der Körper regelt das physiologische Gleichgewicht (die physiologische Homöostase) mit Hilfe des „Autonomen Nervensystems“ in der Regel völlig unbemerkt. Sonst wäre es beispielsweise auch schwer möglich zu schlafen. Dass das „Autonome Nervensystem“ eine ganze Menge an Funktionen reguliert, wird immer erst dann wahrnehmbar, wenn es zu Fehlfunktionen kommt. Im Normalfall dagegen läuft alles „unbewusst“. Das „Autonome Nervensystem“ befindet sich zu einem Teil zentral im sogenannten Hirnstamm und zum anderen Teil dezentral praktisch im ganzen Körper verteilt.

Autonome Kognition


Ein zweites Funktionssystem der Verhaltenssteuerung besteht in der „Autonomen Kognition“. In der „Autonomen Kognition“ läuft all das ab, was man hauptsächlich in den langen Jahren der Schul- und sonstigen Ausbildungen oftmals mühsam lernt, was durch die jahrelange Übung aber völlig automatisch geschieht. Beispiele hierfür sind das Lesen, das Verständnis für Grammatik, das Rechnen, aber auch viele komplexe Bewegungsleistungen wie z. B. das Halten des Gleichgewichts beim Radfahren, das Binden einer Krawatte oder das Binden von Schuhen. Diese Leistung kann dabei so komplex sein, dass man sehr wahrscheinlich auch beim intensiven Nachdenken darüber, wie man es eigentlich schafft, z. B. das Gleichgewicht auf einem Fahrrad zu halten, nicht genau beschreiben könnte, wie man es macht. Ein anderes Beispiel für eine solche komplexe Bewegungsleistung ist das Fahren einer Kurve mit dem Auto. Für das Fahren einer Kurve müssen komplexe Berechnungen zwischen optischen und kinästhetischen Parametern durchgeführt werden, die niemand so genau beschreiben kann, die aber während einer Autofahrt ständig autonom ablaufen. Ein weiteres Beispiel ist der Schaltvorgang beim Autofahren: Ein Fahranfänger muss enorme Aufmerksamkeit dafür aufbringen, um die Kupplung zu betätigen, den Schalthebel in die richtige Position zu bringen, die Kupplung wieder synchronisiert mit dem Gasgeben einzukuppeln und dabei auch noch den der jeweiligen Geschwindigkeit angemessenen Gang zu wählen. Noch ein anderes Beispiel: Fast jeder von uns kann erkennen, ob ein Satz grammatikalisch richtig oder falsch ist. Die wenigsten von uns können jedoch exakt begründen, warum ein Satz grammatikalisch falsch oder richtig ist. Wir nehmen auch hier nur das Ergebnis einer Regelanwendung wahr, können aber die Regel selbst nur bedingt verbalisieren.

Bei all den Funktionen, die durch die „Autonome Kognition“ gesteuert werden, ist man sich in der Regel zwar bewusst, dass man etwas tut, selten jedoch, wie man etwas genau tut. Genau dieses wie ist Inhalt der „Autonomen Kognition“. Viele Dinge, die durch die „Autonome Kognition“ gesteuert werden, sind im Langzeitgedächtnis abgelegt.

Anatomisch ist für die „Autonome Kognition“ hauptsächlich eine Gehirnstruktur wichtig, die Hippokampus heißt. Diese Struktur stellt das Tor zum Langzeitgedächtnis dar. Wenn diese Struktur (z. B. durch einen Schlaganfall) geschädigt ist, kann keine Information mehr in die „Autonome Kognition“ aufgenommen werden. Was sich jedoch schon in der „Autonomen Kognition“ befindet, ist weiterhin verfügbar. Welche Leistung die „Autonome Kognition“ vollbringt, merkt man immer dann sehr gut, wenn man die entsprechenden Fähigkeiten neu lernen oder...

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