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E-Book

Spielsucht

Ursachen und Therapie

AutorGerhard Meyer, Meinolf Bachmann
VerlagSpringer-Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl395 Seiten
ISBN9783540278412
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
Aus ihrer langjährigen Erfahrung im Umgang mit Spielern und deren Problemen beschreiben die Autoren Entstehung und Verlauf typischer 'Spielerkarrieren'. Sie liefern profundes Hintergrundwissen über die Ursachen des Suchtproblems und legen ein außerordentlich praxisnah geschriebenes Therapie-Manual vor.
- Umfangreicher Behandlungsteil
- Fallbeispiele zu allen Therapieschritten
- Check- und Arbeitslisten für die praktische Umsetzung
- Gut lesbar und verständlich geschrieben
- Übersichtlich und ansprechend im modernen Layout

So begeistert beurteilte die Presse bereits den Vorgänger des jetzt komplett neu und noch therapiebezogener konzipierten Praxisbuches:

'Endlich ein umfassendes Buch zum pathologischen Glücksspiel!' (Report Psychologie)

'Ein praktisches und sehr informatives Buch zu einem aktuellen Thema. ... eine riesige Informationsfülle, die übersichtlich und gut gegliedert angeboten wird ...' (Zeitschrift für Positive Psychotherapie)

'Dieses Buch ist allen Psychiatern, vor allem Suchtpsychiatern, überhaupt allen Suchtberatern und -therapeuten dringend zu empfehlen.' (Der Internist)

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Leseprobe
10 Spieler in stationärer Therapie (S. 179-180)

Inbesondere wenn ambulante Behandlungsversuche erfolglos bleiben oder die Spielsucht von massiven psychosozialen Problemen begleitet wird, ist eine stationäre Therapie in Betracht zu ziehen. In verschiedenen Fachkliniken be steht inzwischen die Möglichkeit, pathologische Glücksspieler gemeinsam mit anderen Suchtkranken zu behandeln. Obwohl wir der stationären Therapie von Spielsüchtigen dasselbe Behandlungskonzept wie der Arbeit ambulanter Beratungsstellen zugrundelegen, machen es die spezifischen Möglichkeiten und Probleme stationärer Behandlung erforderlich, diese in einem separaten Kapitel zu beschreiben.

! Der mehrwöchige Klinikaufenthalt außerhalb der gewohnten fa miliären und beruflichen Bezüge, das höhere Ausmaß an Fremdkontrolle sowie die strukturierten Angebote des multimodalen Therapieprogramms sind nur einige Aspekte, in denen sich die stationäre von der ambulanten Behandlung unterscheidet.

Beginnend mit einem kurzen Einblick in die Entstehungsgeschichte statio närer Therapie für Spieler, der Darstellung des Behandlungsablaufs und den Bausteinen des multimodalen Therapiekonzeptes (Gruppen-, Individual-, Sport-, Beschäftigungs-, Arbeitstherapie) bis hin zu besonders relevanten Themen wie Therapieabbruch und Reintegration werden anhand des folgenden Kapitels die Chancen, Herausforderungen und Grenzen der stationären Spielerbehandlung deutlich.

10.1 Historisches: die Anfänge stationärer Therapiekonzepte

Anfang der 70er-Jahre wurden in den USA erste stationäre Therapiekonzepte für Spielergruppen angeboten. Pionierarbeit hat dabei der amerikanische Psychiater Custer geleistet (Custer & Milt, 1985), Direktor des Alkoholbehandlungs programms des Veterans Administration Hospital in Becksville. Damals wurde Custer von Mitgliedern der Gamblers Anonymous (GA) angesprochen, weil große Probleme bei der Behandlung einiger Mitglieder entstanden waren, die mit Suizidversuchen und gesetzlichen Schwierigkeiten zu tun hatten. Für Custer war entscheidend, dass es sich bei dem von ihm untersuchten pathologischen Spielverhalten um ein Suchtverhalten handelt und dass dies der Ausgangspunkt für seine konzeptionellen Überlegungen sein sollte. Was ihn zunächst sehr beeindruckte, war die starke Ähnlichkeit zwischen pathologischen Glücks spielern und Alkoholikern, sowohl was die Persönlichkeit als auch das Krankheitsbild anging. Es war für ihn sehr überraschend, dass es so viele Gemeinsamkeiten zwischen einer Abhängigkeit von einer Droge und einem Verhaltensproblem, dem süchtigen Glücksspiel, gab. Nach ersten Untersuchungen der Krankheitsberichte der neuen Klienten begann sich ein Krankheitsbild zu entwickeln, das viele Parallelen zum progressiven Verlauf des Alkoholismus aufwies.

Beide Verhaltensweisen, Alkoholismus und pathologisches Glücksspiel, beginnen meistens mit einem harmlosen Symptomverhalten, das sich langsam, aber progressiv, destruktiv gegenüber dem Betroffenen selbst und der Familie entwickelt. Besitz geht verloren und die finanzielle Existenzgrundlage wird gefährdet und zerstört. Physisch erschöpft und psychisch zerschlagen, geht der Spieler häufig den Weg des Suizids. Ähnlich wie beim Alkoholismus, kommt es beim pathologischen Glücksspiel zum Kontrollverlust bis zu dem Punkt, wo das Verhalten selbstzerstörerisch wirkt.

Ähnlichkeiten sah Custer außerdem auf der Persönlichkeitsebene. In beiden Symptomgruppen sah Custer die Tendenz der Realitätsflucht, vor allem wenn Spannungen auftreten, Anforderungen oder Krisen entstehen, von denen der Betroffene annimmt, dass er sie nicht bewältigen kann. Beim Alkoholiker dient der Alkohol zur »Lösung« dieser Probleme, während es beim pathologischen Spieler das Glücksspiel ist.

Custer formulierte folgende Therapieziele:

1. Den Spieler dazu befähigen, das pathologische Glücksspiel zu stoppen.

2. Das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl stärken, so dass der Patient pathologisches Glücksspiel nicht mehr dazu einsetzen muss, vor den realen Lebens problemen zu flüchten und in eine Welt von Illusionen auszuweichen.

3. Hilfestellung dabei geben, andere Möglichkeiten der Befriedigung, des Ver gnügens und der Selbsterfüllung zu entwickeln, die das Vakuum füllen, das bei Wegfall des Spielverhaltens entstanden ist.

4. Dem Patienten bei dem Bedürfnis helfen, entstandenes Unrecht wiedergut zumachen, und dies auf realistische Weise.

5. Für die Zeit nach der Entlassung aus der 4-wöchigen stationären Behandlung soll eine ausreichende ambulante Nachsorge geplant sein.

Um diese Therapieziele zu erreichen, entwickelte er folgendes Therapieprogramm, das der Notwendigkeit Rechnung trägt, die Angehörigen mit einzubeziehen:

1. Gruppentherapie mit den Spielern, gefolgt von
2. Individualtherapie, danach
3. Individualtherapie für Ehefrauen/Partner, anschließend
4. gemeinsame Paartherapie, zudem
5. Entspannungstherapie und Beschäftigungstherapie sowie
6. GA für die Spieler und Gam-Anon für die Partner.

Das gesamte Therapieprogramm orientierte sich stark an der Alkoholismustherapie. Die Spieler erhielten zunächst individuelle Beratung, um ihnen Unterstützung zu geben, das Glücksspielverhalten einzustellen, Eheprobleme, Schulden und finanzielle Haushaltsplanungen anzusprechen und Änderungen einzuleiten. In Ergänzung dazu fand Gruppentherapie statt, in der die Spieler darüber sprachen, wie ihr Weg in die Spielproblematik ausgesehen hatte und welche Probleme dadurch entstanden waren. Gefühle der Hilflosigkeit und subjektive Vorstellungen über notwendige Persönlichkeitsveränderungen werden thematisiert. Während in der Einzelberatung in erster Linie Fakten zu regeln waren, diente die Gruppentherapie eher dazu, die Gefühle der Spieler anzu sprechen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich von psychischen Spannungen zu befreien und ihre Einsicht in ihr fehlangepasstes Verhalten zu vertiefen. Es wurde Totalabstinenz angestrebt, wobei es aber erlaubt war, konkurrierende Spiele (z.B. Schach) ohne Einsatz zu spielen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur 2. Auflage5
Vorwort zur 1. Auflage7
Inhaltsverzeichnis8
1 Einführung12
Zum Aufbau und Inhalt des Buches15
2 Glücksspiel: Allgemeine Hintergrundinformationen17
Historische Aspekte des Glücksspiels und der Spielleidenschaft18
Aktuelle und rechtliche Situation20
Varianten des Glücksspiels22
Glücksspiele in Spielbanken22
Geldspielautomaten23
Wettformen26
Lotterien28
Glücksspiele im Internet29
Illegales Glücksspiel31
Börsenspekulationen31
Nachfrage in der Bevölkerung33
Umsätze auf dem Glücksspielmarkt34
Zusammenfassung36
3 Pathologisches Glücksspiel – Spielsucht38
Erscheinungsbild40
Phasen einer Spielerkarriere46
Positives Anfangsstadium (Gewinnphase)48
Kritisches Gewöhnungsstadium (Verlustphase)48
Suchtstadium (Verzweiflungsphase)49
Diagnostische Kriterien49
Screeningverfahren51
Nosologische Zuordnung52
Pathologisches Spielen als abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle52
Pathologisches Spielen als Suchtkrankheit53
Spielertypologie59
Epidemiologie61
Zusammenfassung64
4 Entstehungsbedingungen pathologischen Glücksspiels: Das Drei-Faktoren-Modell der Suchtentwicklung als übergeordnetes Rahmenkonzept66
Eigenschaften des Glücksspiels67
Psychotrope Wirkung des Glücksspiels67
Strukturelle Merkmale von Glücksspielen76
Charakteristika des Spielers78
Genetische Bedingungen78
Neurobiologische Grundlagen79
Persönlichkeitsstruktur80
Affektive Störungen und Angststörungen83
Geschlecht84
Soziodemographische Merkmale86
Soziales Umfeld des Spielers87
Einstellung der Gesellschaft zum Glücksspiel87
Verfügbarkeit88
Arbeits- und Lebensverhältnisse89
Familiäre Strukturen90
Zusammenfassung91
5 Theoretische Erklärungsansätze zur Entstehung und Aufrechterhaltung pathologischen Spielens93
Neurobiologische Theorien94
Dopaminerges System95
Serotonerges System97
Noradrenerges System97
Opioidsystem97
Neurobiologie von Entscheidungsprozessen98
Psychoanalytische Konzepte99
Lerntheorien102
Kognitionstheoretische Ansätze104
Theorie der kognitiven Dissonanz104
Mechanismen der verzerrten Realitätswahrnehmung105
Soziologische und sozialpsychologische Ansätze108
Integrative Modelle110
Zusammenfassung115
6 Individuelle und soziale Folgen117
Finanzielle Situation und Verschuldung118
Emotionale Belastung und Suizidrisiko118
Auswirkungen auf die Familie120
Beschaffungskriminalität121
Strafrechtliche Beurteilung126
Falldarstellungen131
Geschäftsfähigkeit136
Zivilrechtliche Beurteilung136
Volkswirtschaftliche Kosten138
Zusammenfassung139
7 Selbsthilfegruppen141
Programm der Gamblers Anonymous (GA)142
Anonyme Spieler144
Allgemeine Gesichtspunkte zur Arbeit in Spieler-Selbsthilfegruppen145
Beobachtungen bei der Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe146
Alternative Formen der Selbsthilfe149
Zusammenfassung149
8 Grundsätzliches zur Spielertherapie150
Behandlungsangebote und ihre Vernetzung151
Suchtmodell als Therapieplan152
Therapieziele154
Integrativer Behandlungsansatz155
Zusammenfassung158
9 Ambulante Behandlung159
Gespräche mit Mitarbeitern von Spielerberatungsstellen161
Formen und Aufgaben der Spielerberatung165
Phasen und Schwerpunkte der ambulanten Spielerbehandlung166
Kontaktaufnahme166
Motivation im Therapieprozess168
Schritte zur Krankheitseinsicht und Spielabstinenz170
Die Frage nach dem Warum – die Ursachen172
Gruppenarbeit175
Konzepte gegen Gruppen- fluktuation und Schwellenängste175
Themen in der Nachsorge stationär behandelter Spieler178
Möglichkeiten und Grenzen ambulanter Therapie180
Zusammenfassung180
10 Spieler in stationärer Therapie182
Historisches: die Anfänge stationärer Therapiekonzepte184
Indikation186
Phasen und Schwerpunkte der stationären Spielerbehandlung187
Vorgespräche – Kontraindikationen187
Individuelle Therapieplanung189
Finanzielle Situation und Geldmanagement193
Behandlungskonzept193
Motivation194
Krankheitseinsicht197
Abstinenz199
Psychotherapie der Ursachen und Entwicklung alternativer Verhaltensweisen202
Gruppentherapie als zentraler Bestandteil eines multimodalen Therapiekonzepts206
Rahmenbedingungen gruppentherapeutischer Behandlung207
Zusätzliche wöchentliche Spieler-Gruppenstunde209
Wirkfaktoren der Gruppenarbeit211
Umgang mit problematischen Situationen und Verhaltensweisen in der Gruppentherapie216
Psychologische Schulen in der Gruppentherapie221
Individualtherapie221
Sport, kreatives Gestalten, Arbeitstherapie222
Sport223
Kreatives Gestalten224
Arbeitstherapie225
Besonderheiten in der Klientel225
Therapie von spielsüchtigen Frauen225
Pathologisches Spielverhalten bei (Roulette-) Glücksspielen im Internet227
Migration232
Probleme bei der Behandlung von Spielern in der Psychiatrie234
Therapieabbruch235
Reintegration und Nachsorge239
Therapeutische Wohngruppen239
Reintegration in die Arbeitswelt240
Erfolgskriterien240
Der Therapieverlauf – ein Fallbeispiel241
Zusammenfassung244
11 Der pathologische Glücksspieler und die Familie248
Familiäre Faktoren als Ursache der Krankheitsentwicklung249
Auswirkungen des pathologischen Glücksspiels auf die Familie250
Kinder von Spielsüchtigen251
Einbeziehung der Familie in die Therapie256
Familientherapie – eine Fallstudie256
Gruppentherapie mit Paaren257
Familiäre Koabhängigkeit und Therapieerfolg258
Unterschiede in der Behandlung von Alkoholiker- und Spielerfrauen259
Therapeutische Maßnahmen für Eltern260
Neuere ambulante und stationäre familien- therapeutische Ansätze in Deutschland261
Familientherapeutische Perspektiven264
Zusammenfassung267
12 Rückfälligkeit269
Rückfälligkeit, Krankheitskonzept und die Frage des kontrollierten Suchtmittelgebrauchs270
Rückfallmodelle272
Rückfälligkeit in der therapeutischen Auseinandersetzung274
Rückfallprophylaxe in verschiedenen Behandlungsphasen278
Kontaktphase278
Entwöhnungsphase278
Nachsorgephase280
Zusammenfassung281
13 Evaluation verschiedener Behandlungsansätze283
14 Ansatzpunkte präventiver Maßnahmen289
Glücksspiel und Spielerschutz291
Ein regulatives Rahmenmodell sowie primär- und sekundärpräventive Handlungsmöglichkeiten295
Erkennungsmerkmale problematischer Spieler in Spielsituationen295
Spielsperre298
Gestaltung der Spielstruktur299
Prävention im Kindes- und Jugendalter299
Risikofaktoren im sozialen Umfeld302
Schutzfaktoren im sozialen Umfeld303
Zusammenfassung304
Anhang309
A Allgemeine Informationen311
A1 Kontaktadressen311
A2 Stationäre Einrichtungen311
A3 Nützliche Internetadressen312
A4 Ergebnisse der Untersuchung von Bachmann & Banze (1992) und Schwarz & Lindner (1990)313
A5 Persönlichkeitsprofil pathologischer Spieler314
A6 Psychologische Schulen in der Gruppentherapie pathologischer Glücksspieler315
B Arbeitsmaterialien zum Therapieverlauf320
B1 Zwanzig Fragen der Anonymen Spieler320
B2 Die erste Zeit des Entzugs und der Entwöhnung vom Glücksspielen320
B3 Therapieplanung322
B4 Schuldenbilanz und -regulierung324
B5 Monatshaushaltsplan325
B6 Tagesausgabenprotokoll327
B7 Selbsteinschätzungsskalen: Therapieschritte und Fragestellungen328
B7.1 Therapiemotivation (TMO)328
B7.2 Krankheitseinsicht (KE)330
B7.3 Therapie der Ursachen (TdU)332
B8 Abstinenz334
B8.1 Abstinenzgründe auf der Waage334
B8.2 Ergebnis einer Therapiegruppenarbeit zum Thema Vorteile der Abstinenz und »Vorteile« des Suchtverhaltens335
B9 Vorteile der Abstinenz336
B10 Veränderte Einstellungen zum Verlangen337
B11 Veränderte Einstellungen zu Suchtmitteln338
B12 Liste von Ideen und Gründen zum Spielen339
B13 Konsequenzen des Glücksspiels – Checkliste340
B14 Therapieabbruchgefahr (TAG)341
B15 Was muss ich beachten, wenn die Therapie zu Ende ist?343
B16 Rückfallvorhersageskala344
B17 Rückfallriskante Situationen und Bewältigungsstrategien346
B18 Ein Mitpatient ist rückfällig346
B19 Rückfallprävention347
B19.1 Erkenntnisse und Gedanken347
B19.2 Planung eines Notfall-Kärtchens bei Rückfall- oder Therapieabbruchgefahr348
B19.3 Beispiele für von Patienten entworfene Notfallkärtchen349
B20 Struktur und Aktivitätsplan: Alternativen zum Suchtverhalten351
Arbeitsblatt352
Literatur358
Personenverzeichnis384
Sachverzeichnis390

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