»Ein Bankier ist ein Mensch, der seinen Schirm verleiht,
wenn die Sonne scheint, und ihn sofort zurückhaben will,
wenn es zu regnen beginnt.«
Mark Twain
Der schlechte Ruf von Banken und Bankern ist offenbar keine neue Erscheinung. Trotzdem wird uns von Kindesbeinen an erzählt, dass unser Geld bei ihnen besser angelegt ist als im Strumpf, im Sparschwein oder unter der heimischen Matratze. Ist dem wirklich so? Jedenfalls scheinen die sogenannten Geldinstitute seit Mark Twains Lebzeiten wenig Interesse daran gehabt zu haben, ihren Ruf zu verbessern. Wie sonst erklären sich die 2008 von Banken verursachte Finanzkrise und sämtliche Skandale, mit denen die Branche seither immer wieder für Schlagzeilen sorgt: Der Kauf der Hypo Alpe Adria durch die Bayerische Landesbank, Herr Nonnenmacher und seine HSH Nordbank, die Hypo Real Estate, die mit 130 Milliarden Euro (!) gerettet werden musste, Libor und Zinsmanipulationen, Steuerbetrug und -hinterziehung bei der Deutschen Bank, Leerverkäufe, Spekulation mit Grundnahrungsmitteln, Geldwäsche bei HSBC und, und, und – deutsche wie internationale Beispiele gäbe es noch so manche.
Dass wir für Spareinlagen weit weniger als ein Prozent Zinsen bekommen, für den Dispo-Kredit aber zweistellige Zinsen bezahlen, ist ärgerlich genug. Dass wir Steuerzahler seinerzeit für die Geburtstagsparty von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann blechen durften, ebenfalls. Und dass uns ständig eingebläut wird, uns gefälligst selbst um die Altersvorsorge zu kümmern, ist dank des drohenden Rentenlochs und der Überalterung unserer Gesellschaft zwar sinnvoll und verständlich, aber in Anbetracht der Geschäftspraktiken unserer Geldhäuser ziemlich riskant. Wie und wo sollen wir denn bitte schön vorsorgen, wenn die meisten Anlageprodukte nur dazu da sind, den Profit der Banken und die Boni der Bank(st)er sicherzustellen oder gar zu steigern? Politikern wie Gesetzgebern jedenfalls scheinen Willen oder Mittel zu fehlen, die Banken endlich zu regulieren und eine echte Bankenreform durch zu ziehen ...
Kunde (K) hat 400.000 Euro auf seinem Sparbuch. Berater (B) hat K im Visier – und zu einem ganz unverbindlichen Gespräch in sein Büro eingeladen, »man hat sich ja schon viel zu lange nicht mehr gesehen« ... Nespresso-Kaffee, Schoko-Cookies, ein gediegenes Ambiente, entspannter Smalltalk über Wetter, Weib und WM. Irgendwann sagt B ganz beiläufig zu K:
B: Ihnen ist wichtig, jederzeit an eine bestimmte Summe Ihres Geldes zu kommen?
K: (nickt)
B: Wie viel sollte es sein?
K: Ungefähr 50.000 Euro!?
B: Nehmen Sie doch 100.000 ... Und der Rest könnte langfristig und sicher angelegt werden.
K: (nickt und nimmt sich noch ein Cookie)
B: Und wenn Sie es jederzeit problemlos auf Ihre Kinder übertragen können, dann wäre das in Ordnung für Sie?
K: (kaut, nickt, räuspert sich)
B: ... und wenn Sie garantiert von guten Unternehmen acht Prozent bekämen? Wäre das auch okay für Sie?
K: (leuchtende Augen)
B: Wollen Sie wirklich darauf verzichten, weil Sie langfristig 400.000 Euro auf dem Sparbuch haben? Und ist es Ihnen wichtig, dass es nichts mit Börse und Aktienkursen zu tun hat?
K: (nickt)
B: Denn Sie sind ja jetzt siebzig und wollen bestimmt nicht mehr spekulieren, oder?
K: (schüttelt den Kopf)
B: Chinas Märkte boomen. Die wollen und müssen viel im- und exportieren. Riesige Warenflüsse. Wissen Sie, wie viel in einem Flugzeug transportiert werden kann?
K: Ganz schön viel ...
B: Aber wissen Sie auch, wie viel auf ein Containerschiff passt? 180 Flugzeugladungen. Mit einem Schiff. Und da könnte ich Ihnen jetzt helfen, daran zu partizipieren. Acht Prozent jährlich. Über 15 Jahre. Denn die Schiffe müssen ja immer fahren. Ist das interessant für Sie?
K: Ja.
B: (leuchtende Augen angesichts der 15 Prozent Provision) Noch einen Espresso, lieber K?
Schließlich schiebt B den Vertrag inklusive Verkaufsprospekt über den Tisch mit den Worten: »Hier, das sind Ihre acht Prozent Ausschüttung. Hinten steht noch mal alles, was wir schon geklärt haben. Ich sag’ immer ›von Anwälten für Anwälte‹ ... Aber wenn Sie nicht schlafen können, lesen Sie sich ruhig alles durch. Ihr Geld ist jetzt jedenfalls ganz sicher angelegt. Und die Börsenkurse brauchen Sie überhaupt nicht mehr zu interessieren.«
Und K denkt: ›Och, der ist ja so nett und so seriös. Typisch Postbank. Keiner dieser Provisionshaie ...‹
Ungefähr so könnte ein Gespräch gelaufen sein.
Doch was K nicht weiß: B ist selbstständiger Finanzvermittler, der sich die Provision mit der Postbank teilt. Hintergrund: Die Postbank ist ein Tochterunternehmen der Deutschen Bank. Und die freien Vertriebler der Deutschen Bank (»mobiler Vertrieb«) umwarben die Postbank eines Tages, um an deren Privatkunden mit den hohen Sparbucheinlagen zu kommen. Daraufhin gründete die Postbank nur allzu gerne ihrerseits eine Vermögensberatung mit selbstständigen Handelsvertretern, um sie über eben diese Kunden »rüberzulassen«.
Freudig erregt unterschreibt K den Vertrag. In diesem Moment ist er Mitreeder – mit allen Chancen und Risiken. Und die Postbank bzw. ihr Handelsvertreter mit einem Beratungsgespräch, zwei Nespresso-Kapseln und ein paar billigen Plätzchen um eine Provision von 45.000 Euro reicher.
Jahrelang wurden potenzielle Anleger von der Bank ihres Vertrauens in Bussen zu den Werften gekarrt. »Hier wird gerade Ihr Schiff gebaut ... Sehen Sie, das ist es!« Eine persönliche Führung über die Werft, Canapees und Getränke, ein Vortrag, noch mehr Essen und noch mehr Getränke. »Das machen wir natürlich nur für unsere allerbesten Kunden. Diese Chance bekommt nicht jeder.« Und am Ende eines solchen Abends werden dreißig bis vierzig Verträge unterschrieben – und der frisch gebackene kleine Onassis fährt nach Hause in dem Glauben, ab jetzt an den sprudelnden Gewinnen beteiligt zu sein. Von Klippen oder gar Eisbergen keine Spur. »Das Risiko von Anlageprodukten«, so ein Berater der Commerzbank7, »wird heruntergespielt. Sonst macht der Kunde gar nichts mehr« ... bis es dann eines Tages kräftig rumst: Die weitverbreitete und von den Banken forcierte Gier nach Schiffsanleihen hat zu einem Überangebot an Containerschiffen geführt, die Chartergebühren sinken, die Schiffe sind nicht ausgelastet oder liegen tagelang leer im Hafen. So versiegen die erhofften Gewinne, bis sie schließlich ganz ausbleiben und das investierte Kapital langsam aufgezehrt wird. Und irgendwann ist es futsch. Unternehmerisches Risiko. Oder das Ergebnis einer Falschberatung? Bei einem vermeintlich freien Finanzberater, der im Beirat von 130 Schiffsfonds sitzt und je Fonds 4.000 Euro jährlich an Aufwandsentschädigung kassiert, dürfte die Antwort nicht schwerfallen ... Aber auch bei unzähligen anderen »geschlossenen Beteiligungen« wie Immobilien- und Medienfonds mussten viele Anleger Lehrgeld bezahlen. Denn ist der Vertrag erst mal unterschrieben, ist die investierte Summe für zehn bis zwanzig Jahre regelrecht eingesperrt und der Anleger Unternehmer. Mit allen Chancen, aber auch allen Risiken, sei es, dass das Großprojekt in finanzielle Schieflage gerät – dann muss der Fondsbeteiligte Geld nachschießen –, oder eben komplett den Bach runtergeht. Totalverlust. Nach der Wende wurden viele Einkaufscenter in den neuen Ländern über geschlossene Fonds als GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) finanziert. Das heißt, der Anleger haftet mit allem, was er hat. Würde ein Bank- oder freier Finanzdienstberater diese Einzelheiten schonungslos offen auf den Tisch legen, zögen wohl die meisten Bankkunden erschreckt ihr Portemonnaie zurück. Also erzählt man lieber etwas von modernsten Einkaufscentern in exzellenter Lage und von Super-Renditechancen während der zehnjährigen Laufzeit. Und wenn die üppigen Ausschüttungen schließlich doch eher mager ausfallen? Kein Problem: Die gewiefte Fondsgeschäftsführung, die sich über die Fondsgebühren längst die Taschen gefüllt hat, stellt sich auf der nächsten Gesellschafterversammlung wieder selbstbewusst lächelnd vorne hin und spricht eloquent von rosigen Aussichten. Tosender Applaus – und alle Anleger gehen beruhigt nach Haus. »Die werden sich schon kümmern.« Und niemand muss sich eingestehen, wohl doch ziemlich blauäugig gewesen zu sein ...
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Je höher das Renditeversprechen, desto höher das Verlustrisiko.
Klar ist: Wenn ein provisionsorientierter Finanzberater und ein profitorientierter Kunde zusammensitzen, ist der Finanzberater letztlich nur Wunscherfüller für den Kunden – und hat leichtes Spiel. »Gutgläubigkeit, Gier und gefährliches Halbwissen gehen eine Allianz ein, die es den Bankberatern allzu einfach macht«, sagt Jan-Henning Ahrens, Fachanwalt für Bank- und Kapital-marktrecht. 8 Heikel und bösartig wird es in dem Moment, wo jeder Kunde in den Augen der Bank zur Kuh mutiert, die man für dumm verkaufen kann und melken muss.
Ein kleines Beispiel aus dem Nähkästchen: Als bekennender Kino-Fan, insbesondere angelsächsischer Produktionen, wurde mir vor einigen Jahren von meiner Hausbank ein Filmfonds angeboten, über den ich mich angeblich direkt an Hollywood-Filmen mit Nicolas Cage, Julia Roberts und anderen »very...