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Raumgeometrie im Mathematikunterricht der Grundschule. Entwicklung der Begriffsbildung von Kindern, 1.-4. Klasse

Entwicklung der Begriffsbildung von Kindern vom 1. bis zum 4. Schuljahr

AutorMalte von der Heide
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2004
Seitenanzahl74 Seiten
ISBN9783638255073
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Didaktik - Mathematik, Note: 2,0, Universität Hamburg (Fachbereich Erziehungswissenschaft Institut für Didaktik der Mathematik), Sprache: Deutsch, Abstract: Meine Arbeit zum Thema 'Raumgeometrie im Mathematikunterricht der Grundschule - Entwicklung der Begriffsbildung von Kindern vom 1. bis zum 4. Schuljahr' ist aufgeteilt in zwei Themenkomplexe. Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit der theoretischen Grundlegung der Raumvorstellung und verschiedenen Theorien zur Entwicklung des räumlichen Denkens und deren Ergänzungen und Kritik in der aktuellen Literatur. Die ersten Erlebnisse und Erfahrungen von Kindern finden in unserer dreidimensionalen Umwelt statt. Sie sammeln hier ihre wichtigen ersten Erfahrungen. Aus diesem Grund hebe ich den Stellenwert und die Bedeutung der 'Basisqualifikation Raumvorstellung' innerhalb des Geometrieunterrichts an der Grundschule hervor. Aufbauend auf die Theorie der Entwicklung des räumlichen Denkens schließt im 2. Abschnitt der Hausarbeit meine Untersuchung zur Begriffsbildung im Mathematikunterricht von Kindern vom 1. bis zum 4. Schuljahr an. Dazu habe ich einen Test zum Abfragen des geometrischen Begriffswissens entworfen und ausgewertet. Im Gegensatz zu bedeutenden Untersuchungen von z.B. Wollring, beschränke ich mich auf die verbale Komponente zur Beschreibung von geometrischen Objekten und des damit verbundenen geometrischen Begriffswissens. Ich habe mich dabei auf das verbale Beschreiben zur Ergebnissicherung gestützt, da es in der Definition des Begriffserwerbs liegt, dass nicht nur das Begriffswort gekannt werden muss, sondern auch der Inhalt des Wortes, d.h. die damit verbundene Vorstellung vorhanden sein muss. Diese kann als eine Möglichkeit verbal ausgedrückt werden. Der schriftliche Teil meiner Untersuchung diente dabei auch lediglich der Unterstützung, der Ergebnissicherung. Ich zeige die Entwicklung der Kinder im Laufe der ersten vier Klassenstufen der Grundschule auf, reflektiere anhand der Literatur und werte die Veränderungen in dieser Zeitspanne aus. Im Schlusswort beschäftige ich mich mit den Ergebnissen dieser Arbeit.

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Leseprobe

2. Räumliches Vorstellungsvermögen als ein Faktor der Intelligenz


 

Das räumliche Vorstellungsvermögen wird schon von Thurstone[28] als ein Faktor der menschlichen Intelligenz betrachtet. Thurstone ermittelte 1937 bei eigens entworfenen und durchgeführten Tests 13 Faktoren der menschlichen Intelligenz, sieben Primärfaktoren davon als klar deutbar: Das Sprachverständnis (Faktor V), die Wortflüssigkeit (Faktor W), die Rechenfertigkeit (Faktor N), das Wahrnehmungstempo (Faktor P), das räumliche Vorstellungsvermögen (Faktor S), die Merkfähigkeit (Faktor M) und das logische und schlussfolgernde Denken (Faktor R)[29].

 

Der Faktor S wird von Thurstone wie folgt definiert: „Das räumliche Vorstellungsvermögen umfasst die Fähigkeit mit zwei- und dreidimensionalen Objekten in der Vorstellung zu operieren“[30]. Spätere Ergebnisse lassen Thurstone diesen Faktor in drei Subfaktoren aufteilen [siehe Kapitel 2.2.1, S. 12f.].

 

Auch neuere Theorien unterstützen die Annahme, dass das räumliche Vorstellungsvermögen ein bedeutender Faktor der menschlichen Intelligenz ist. Gardners Theorie[31] der multiplen Intelligenzen weist die räumliche Intelligenz ebenfalls als einen von sechs weiteren Größen aus. Die räumliche Intelligenz charakterisiert er mit drei Teilfähigkeiten: der Fähigkeit der Wahr-nehmung der visuellen Welt, der Fähigkeit diese Wahrnehmungen zu transformieren und abzuändern und der Fähigkeit Bilder der Wahrnehmung nachzubilden, auch wenn keine greifbaren Objekte (physische Stimulierung) vorhanden sind.

 

Diese Fähigkeiten würden lose voneinander abhängen und Teil eines Ganzen seien.

 

Es gibt in der Literatur und Geschichte eine Vielzahl von sich zum Teil überschneidenden und gleichlautenden, aber gleichzeitig nicht gleichbedeutenden Begriffsdefinitionen und Worterklärungen des räumlichen Vorstellungsvermögens. Im nächsten Kapitel werde ich die wichtigsten und in der Entwicklung bedeutsamsten Begriffsbestimmungen erörtern und darstellen.

 

2.1 Der Begriff „räumliches Vorstellungsvermögen“ oder „Raum-vorstellung“


 

„Raumvorstellung ist die Fähigkeit, räumliche Objekte verinnerlicht zu sehen und sie mental bewegen zu können.“[32] Wollrings Definition der Raumvorstellung ähnelt der Erklärung von Thurstone. Er begründet aber weiter: Die Operationen mit den Objekten sollen dabei mental reversibel, d.h. umkehrbar, erfolgen können.[33]

 

Erweitern lässt sich diese Begriffsbestimmung der Raumvorstellung durch die Fähigkeit, „eine Konfiguration aus räumlichen Objekten und Beobachter verinnerlicht zu sehen und diese Konfiguration durch mentales Ändern der Position des Beobachters relativ zu den Objekten verändern zu können“[34]. Wollring schließt in diesem Punkt den Beobachter, mit den räumlichen Objekten zusammen, in die Erläuterung des Begriffs der Raumvorstellung mit ein; auch der Beobachter selbst soll vorstellbar und in der Vorstellung in seinem Standort veränderbar sein. Diese Position entspricht dem Faktor der räumlichen Orientierung S3 der Theorie von Thurstone, der das räumliche Vorstellungsvermögen in drei Subfaktoren aufteilt. [siehe Kapitel 2.2, S. 12f.].

 

Die Raumvorstellung geht also über die Wahrnehmung hinaus: „Beim räumlichen Vorstellungsvermögen werden die ‚Grenzen des Körpers zur Außenwelt überschritten‘“[35]. Die Sinneseindrücke von räumlichen Objekten werden nicht alleine erfasst, sondern auch gedanklich (mental) verarbeitet. Objekte müssen nicht greifbar sein, um mit ihnen in der Vorstellung zu operieren oder sich in der Vorstellung Bilder von den Objekten (Vorstellungsbilder) machen zu können.[36]

 

Diese noch relativ allgemein gehaltene Definition lässt sich weiter differen-zieren.

 

2.2 Die Unterkomponenten des Intelligenzfaktors „räumliches Vorstellungsvermögen“


 

Der sehr komplexe Faktor räumliches Vorstellungsvermögen wurde von zahlreichen Intelligenzforschern wegen seiner Vielschichtigkeit differenziert. Ich werde mich im Folgenden auf die wichtigsten Modelle beschränken.

 

2.2.1 Die Unterkomponenten von Thurstone


 

Eine Vorreiterrolle nimmt dabei die Theorie der Primärfaktoren der menschlichen Intelligenz von Thurstone ein. Im Gegensatz zu Spearman[37], der einen Generalfaktor g ermittelte, der für ihn als ein ausnahmsloser Intelligenzfaktor galt, entwickelte Thurstone die Testverfahren weiter und kam zu dem Schluss, dass es mehrere primäre mentale Fähigkeiten gibt.[38]

 

Der fünfte Faktor aus Thurstones Theorie, das räumliche Vorstellungsvermögen, wurde von ihm zunächst[39] als ein breit gefasster Primärfaktor angesehen, später[40] in drei Teilfaktoren (Subfaktoren) unterteilt:

 

 Der Faktor räumliche Beziehungen (S1) umfasst die Fähigkeit zur     Identifizierung (visuellen Wahrnehmung) räumlicher Konfigurationen von mehreren unbewegten Objekten oder Teilen von ihnen und deren Beziehungen untereinander von unterschiedlichen Blickpunkten aus. Dabei sind die Denkvorgänge größtenteils statisch; da die Konfiguration jedoch auch bewegt werden können, sind diese Prozesse dann dynamischer Natur.

 

Zur Lösung von Aufgaben aus diesem Bereich werden die Objekte mental als Ganzes bewegt, bleiben aber in ihrem Zustand unverändert, d.h. formfest. Es kommt zu keinen Rotationen, Verschiebungen, Faltungen, etc.

 

Der Standpunkt der eigenen Person liegt im Gegensatz zum Faktor der räumlichen Orientierung außerhalb der Aufgabenstellung.

 

 Der Faktor Veranschaulichung (räumliche Visualisierung) (S2) umfasst die gedankliche Vorstellung von räumlichen Bewegungen, d.h. von Rotationen, räumlichen Verschiebungen und Faltungen von einzelnen Objekten oder Teilen von ihnen. Anschauliche Hilfen werden dabei nicht verwendet. Die Denkvorgänge sind dabei als dynamisch zu charakterisieren.

 

 Der Faktor räumliche Orientierung (S3) beinhaltet die Fähigkeit, sich selbst in eine Aufgabe hineinzuversetzen, d.h. der Standpunkt der eigenen Person befindet sich innerhalb der räumlichen Aufgabensituation. Man muss sich mental und auch real im Raum zurechtfinden können.

 

Thurstones Modell gilt nach wie vor bei vielen Veröffentlichungen als Basis und Grundlage der Argumentationen.

 

2.2.2 Das Modell von Rost


 

Ähnlich des Modells von Thurstone sind auch die Unterscheidungen von Rost[41]. Er unterscheidet dabei folgende Komponenten:

 

 Die Komponente der Raumwahrnehmung umfasst die Fähigkeit des visuellen Erkennens und der kognitiven Verarbeitung dessen (vergleichbar mit dem Faktor S1 bei Thurstone).

 

 Die Raumvorstellung beinhaltet die Fähigkeit mit 2- und 3-dimen-sionalen Objekten in der Vorstellungsebene (mental) zu operieren (siehe Faktor S2 bei Thurstone).

 

 Das Raumverhalten schließt die Fähigkeiten zum Bewegen und Orientieren im Raum ein.[42]

 

2.2.3 Das Modell nach Linn und Petersen


 

Aufbauend auf die 3-Faktoren-Theorie von Thurstone haben Linn und Petersen (1985/86)[43] ihr Modell entwickelt[44] und damit eine wichtige Ergänzung geschaffen. Sie stellen folgende Fähigkeiten in den Vordergrund:

 

 Die räumliche Wahrnehmung enthält die Fähigkeit zur Identifikation der Horizontalen und der Vertikalen. Die Lage der eigenen Person spielt dabei eine wichtige Rolle (z.B.: Die Versuchsperson sitzt bei einer Aufgabenstellung auf einer schiefen Ebene).

 

Dieser Faktor ist gänzlich neu und bildet eine wichtige Ergänzung zu Thurstones Theorie.

 

 Die Vorstellungsfähigkeit von Rotationen umfasst die Fähigkeit sich die Rotationen von 2- und 3-dimensionalen Objekten vorzustellen. Dieser Punkt stellt deutliche Bezüge zu den Faktoren S1 und S2 von Thurstones Theorie her, stellt aber die Rotationen selbst deutlich in den Vordergrund.

 

 Testaufgaben zur Veranschaulichung zeigen neben Fähigkeiten aus Thurstones Faktor S2 auch grundlegende Fähigkeiten der Komponente räumliche Beziehungen.

 

Da nun bei der Lösung von Aufgaben zur Erfassung der räumlichen Beziehungen auch dynamische Denkvorgänge statt finden [siehe Kapitel...

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