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E-Book

Die Volksverblöder

Wie Politiker uns belügen und betrügen

AutorThomas Wieczorek
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783426421307
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Augen zu, wenn bei ehrgeizigen Großprojekten Milliarden versenkt werden. Hand auf, wenn Wirtschaftsbosse sich Vorteile verschaffen wollen. Wird Deutschland von völlig abgehobenen Falschspielern regiert? Parteienforscher Thomas Wieczorek wirft einen kritischen Blick ins Parlament und macht den Politiker-Check. Die Ergebnisse sind erschreckend. Kompetenter Weitblick und Integrität? Fehlanzeige. Stattdessen Arroganz, Verantwortungslosigkeit und blanker Egoismus. Das Wohl des Volkes bleibt auf der Strecke. Wieczorek deckt die eklatanten Missstände auf.

Thomas Wieczorek (1953 - 2013) war Journalist und Parteienforscher. Nach einem VWL-Studium an der Freien Universität Berlin arbeitete er u.a. für die dpa und Reuters und als freier Journalist für die Frankfurter Rundschau, den Deutschlandfunk, den Südwestfunk sowie den Eulenspiegel. Thomas Wieczorek, der über 'Die Normalität der politischen Korruption' promovierte, war Autor mehrerer politischer Debattenbücher, darunter die Bestseller 'Die Dilettanten', 'Die verblödete Republik' und 'Die geplünderte Republik'.

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Leseprobe

Die Welt wird von ganz anderen Persönlichkeiten regiert, als diejenigen glauben, die nicht hinter die Kulissen blicken!

Benjamin Disraeli, britischer Premierminister 1868 und 1874 bis 1880[1]

Einleitung: Eigennutz als Grundprinzip der Politik


Auf die Frage, was sein Sohn Roland denn gerade so treibe, pflegte Vater Karl-Heinz Koch stets zu antworten: »Der studiert auf Bundeskanzler.«[2] Damit traf Papa den Nagel auf den Kopf, und zwar nicht nur für den späteren hessischen Schwarzgeld-Ministerpräsidenten, sondern für einen Großteil der politischen Klasse insgesamt. Gerade unter den jüngeren Politikern denkt kaum einer auch nur im Traum daran, einen ehrlichen Beruf zu ergreifen. Und die Mär vom selbstlosen, um das Gemeinwohl besorgten Staatsmann ist spätestens seit dem Mega-Reibach des Peer Steinbrück nur noch eine Lachnummer. Aber das Volk ist nicht ganz so blöde, wie es sich die politische Klasse erhofft:

»Politiker sind so unbeliebt wie nie zuvor«, ergab eine Untersuchung des Marktforschungsunternehmens GfK. Das Vertrauen der Deutschen in ihre Politiker ist auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. In einer Umfrage landen Politiker abgeschlagen auf dem letzten Platz. Nur noch 9 Prozent vertrauen ihnen: Im Vorjahr waren es 14 Prozent. Manager, Werbefachleute und Journalisten schneiden ebenfalls schlecht ab.[3] Unsere Volksvertreter als arbeitsscheues, geld- und ruhmgeiles Gesocks, das zur Not sogar Doktorarbeiten fälscht?

Politik: Eine Hand wäscht die andere, und wenn’s mit Schmierseife ist.

Ekkehard Fritsch

Rund 45 Millionen Deutsche sind zwischen 25 und 64 Jahre alt,[4] also im regierungsfähigen Alter. Ließen sich unter dieser ungeheuren Masse keine 50 Leute finden, die es in Sachen Intelligenz locker mit unserer Bundesregierung aufnehmen können und die vor allem integer sind? Menschen also, um die sich nicht permanent Gerüchte von Korruption und Plagiat, fachlicher Überforderung und Verlogenheit ranken?

Sollten wir tatsächlich keine Besseren haben als die Hanseln in der Regierung, so wäre das die größtmögliche Blamage und Bankrotterklärung unseres Volkes.

 

»Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen«, hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt im Wahlkampf 1980 gelästert.[5] Offenbar haben sich viele (angehende) Politiker seine Worte zu Herzen genommen, denn tatsächlich hatte das Land selten eine derart allumfassende Perspektivlosigkeit wie heute. Schon allein das Grundgesetz mit seinen »ewigen Werten« wie Menschenwürde und Streben nach Glück wirkt angesichts der Wirklichkeit und der Aussagen der meisten Politiker wie der Wunschkalender naiver Zwölfjähriger.

Längst geht es nicht mehr um Ideen oder Pläne für eine bessere Welt, sondern nur um die Verhinderung des Schlimmsten. Arbeitnehmer denken nicht einmal mehr an Verkürzung der Arbeitszeit oder höhere Reallöhne; der bloße Arbeitsplatz gilt als Privileg. Senioren sind schon zufrieden, wenn sie der Altersarmut entgehen, Patienten, wenn sie im Krankenhaus aus Kostengründen nicht draufgehen, und Jungakademiker, wenn sie ein unbezahltes Praktikum erhaschen. Auf der anderen Seite verdoppelt sich das Vermögen der Steinreichen – nur 10 Prozent der hundert reichsten Deutschen haben ihr Vermögen nicht erheiratet oder ererbt, sondern durch ehrliche Arbeit erworben. Sogar dann, wenn sie für zehn Jahre im Koma liegen, werden sie reicher und reicher: Fast scheint es, als habe sich die Evolution umgekehrt, und wir würden in einigen tausend Jahren wieder auf den Bäumen leben angesichts unseres Systems womöglich noch früher.

Und selbst für den gutwilligsten Demokraten führt die Suche nach den Ursachen der Katastrophe und den Schuldigen zur Wirtschaft. Längst lautet die Frage nicht mehr, ob, sondern wie lange unsere Marktwirtschaft und ihr System der parlamentarischen Demokratie noch überleben.

Schwarz-Gelb, Rot-Grün, Linkspartei und jetzt auch noch die Piraten: Wenn das grundgesetzlich garantierte Recht der Bürger auf Stimmabgabe für die Partei ihrer Wahl zur »Unregierbarkeit« führt, dann passen Grundgesetz und unsere parlamentarische Demokratie offenbar nicht zusammen. Und nicht wenige aus dem Volk – damals der Dichter und Denker, heute der Duckmäuser und Denunzianten – wünschen sich einen starken Mann. 1933 lässt grüßen.

 

Dabei kann die politische Klasse nicht sagen, man habe sie nicht frühzeitig gewarnt. Schon im Juli 2008 meldeten sich zwei der brillantesten politischen Vordenker zu Wort.

So beschrieb Ex-Richter Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung »Das letzte Gefecht der Volksparteien«,[6] und der Göttinger Politikprofessor Franz Walter analysierte in Spiegel Online die Folgen, »Wenn Volksparteien zur Allerweltspartei werden«.[7] Denn die Logik der Parteien entspricht exakt dem neoliberalen Credo. Die Volksparteien haben längst keine Überzeugungen mehr, um andere dafür zu gewinnen, sondern sie suchen nach Marktlücken für Wählerfang.

Politik: die Führung öffentlicher Angelegenheiten zu privatem Vorteil, ein Streit der Interessen, der sich als Wettstreit der Prinzipien ausgibt.

Ambrose Bierce

»Die alten Bindungskräfte dieser Parteien haben stark nachgelassen, sie sind den Menschen nicht mehr, wie früher, eine politische Heimat, sondern eine Art Hotel: die Leute kommen und gehen – und bleiben immer öfter ganz weg. Sie finden dort nicht mehr, was sie jahrzehntelang gefunden haben: Grundorientierung. Das liegt nicht nur, aber auch an diesen Parteien.«[8]

Oder mit anderen Worten: »Gefordert und versprochen wird, was die meisten Stimmen verspricht: Nur keinen vor den Kopf stoßen: Immer stärker biedern sich die großen Parteien der sogenannten Mitte an und verzichten auf klare Wertvorstellungen. Die Beliebigkeit löst Loyalitäten und Machtgefüge auf, Populisten wittern ihre Chance. Ist die bürgerliche Industriegesellschaft dem Untergang geweiht?«[9]

Prantl bringt dies unmittelbar mit der sozialen Gerechtigkeit in Verbindung:

»… spektakulär ist die Bedeutung dieser Wahlen: Es handelt sich für SPD und CDU, für die ehemals großen Volksparteien, um das letzte Gefecht in dieser Rolle. Beide Parteien waren Volksparteien, und sie sind es immer weniger … Wie viel Volk braucht eine Volkspartei? Wenn 73 Prozent der deutschen Wahlbevölkerung die Verhältnisse in Deutschland als ungerecht betrachten und zugleich eine große Mehrheit glaubt, dass es ihr in zehn Jahren nicht besser, sondern schlechter gehen wird, dann ist das eine gewaltige Misstrauenskundgebung gegen die Volksparteien.«

Und dieses Misstrauen ist statistisch belegt: »Die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung geben eine Vorahnung von den Spaltungslinien der Gesellschaft: die Ungleichheit verschärft sich; die beispiellose Zunahme an Gleichheit, die Deutschland wie alle westlichen Länder im interkulturellen Vergleich seit dem 19. Jahrhundert erlebt hat, ist gestoppt; die soziale Dynamik der fünfziger Jahre, als in der Nachkriegsgesellschaft Millionen Menschen bei null anfangen mussten, hat sich längst erschöpft; die Bildungsoffensive der siebziger Jahre, als die Kinder kleiner Handwerker und strebsamer Facharbeiter zu Hunderttausenden auf der Strickleiter, die ihnen das BAföG geknüpft hatte, nach oben kletterten, gibt es nicht mehr.«

Und weiter: »Das Projekt sozialer Aufstieg ist beendet. Chancen für alle, Wohlstand für alle: Es waren dies die strahlenden Großunternehmungen der beiden Volksparteien. Neue Großprojekte der Befriedung, der Integration und der politischen Leidenschaft haben sie bisher nicht bieten können; die Desintegration nach Hartz IV hält an … Die politische Zukunft der bisherigen Großparteien wird … davon abhängen, ob ihnen ein glaubwürdiger Kurs gelingt, der Anschluss an die gesellschaftspolitischen Grundstimmungen findet.«[10]

Aber wie soll das gehen – vor allem bei diesem Personal? Wie kann es sein, dass im Jahr 2012 der 93-jährige Ex-Kanzler Schmidt als der beliebteste deutsche Politiker galt, nur knapp gefolgt vom 92-jährigen Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker?

Unabhängig von der allgemeinen Zweifelhaftigkeit von Beliebtheitsumfragen: Allein die Frage nach einem Fanclub für die Merkels, Pofallas und Seehofers, Gabriels, Steinbrücks und Nahles, Roths, Trittins und Kippings würde bei der Bevölkerung Hohngelächter auslösen.

 

Dabei wäre es zu einfach, unsere Politiker pauschal als inkompetente Stümper einzuschätzen. Einige sind vielleicht gar nicht so dumm und unfähig.

Der Politik ist eine bestimmte Form der Lüge fast zwangsläufig zugeordnet: das Ausgeben des für eine Partei Nützlichen als das Gerechte.

Carl Friedrich von Weizsäcker

Warum wohl wurde die 2004 von Deutschland unterzeichnete UN-Konvention, die Korruption umfassend und nicht nur beim Abstimmen unter Strafe stellt, vom Bundestag noch immer nicht umgesetzt?

Warum wohl gibt es bis heute kein Gesetz zur »Straftat Geldverbrennung«...

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