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E-Book

Wladimir

Die ganze Wahrheit über Putin

AutorStanislaw Belkowski
VerlagRedline Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783864144394
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Wer ist Putin wirklich? Er inszeniert sich als Angler mit gestähltem Oberkörper, als Taucher, Pilot, Macho und Frauenheld - doch obwohl es mittlerweile Dutzende Bücher und Tausende Artikel über den Staatschef Wladimir Putin gibt, bleibt die Person hinter dem Amt seltsam unklar. Ist er tatsächlich der russische »Übervater«? Der Staatserneuerer, der das Tor zu einer leuchtenden Zukunft aufgestoßen hat? Oder doch eher der »Kremltyrann«, der im Begriff ist, die junge russische Demokratie zu zerstören? Stanislaw Belkowski, Insider des Moskauer Politbetriebes, widerlegt in seinem Buch die hartnäckigsten Mythen über Wladimir Putin und beleuchtet dessen persönliche Motive für sein politisches Handeln. Er beschreibt, dass Putin weder KGB-Spion war, wie o¬ berichtet wird, noch der Frauenschwarm ist, als der er von seinen Anhängern hingestellt wird. Dafür aber ist Putin einer der reichsten Männer Russlands. Belkowski weiß auch, warum Putin die Georgier nicht mag - und seinem eigenen Volk, den Russen, nicht viel zutraut. Entstanden ist so ein spannendes und überraschendes Porträt des mächtigsten Mannes Russlands.

STANISLAW BELKOWSKI ist einer der bekanntesten Politikanalysten Russlands sowie Berater und Redenschreiber für einige der prominentesten russischen Politiker. 2004 hat er das Institute for National Strategy gegründet. Der Buchautor und Politikexperte wurde im Westen durch seine kritischen Kommentare zum YUKOS-Skandal und dem damit verbundenen Prozess gegen Michail Chodorkowski bekannt. Er ist Ansprechpartner für viele westliche Medien. Seine Kommentare erschienen u. a. bereits in Der Spiegel, Die Welt, The New York Times und The Wall Street Journal.

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Leseprobe

Einleitung


Über Wladimir Wladimirowitsch Putin gibt es Dutzende Bücher, Tausende Artikel und Millionen interessanter, scheinbar kluger und zutreffender Bemerkungen, und zwar in allen Sprachen der Menschheit – von Deutsch bis Suaheli. Man könnte meinen, dass wir mittlerweile alles über diesen Mann wissen, abgesehen von dem, was prinzipiell nicht bekannt werden soll und was erst Jahre nach seinem politischen, physischen oder einem anderen, wissenschaftlich verifizierbaren Tod ans Licht kommt. Wozu dann noch ein weiteres Buch über ihn?

Dafür gibt es einen guten Grund.

Alle bisherigen Publikationen haben uns Putin nicht erklärt. Denn fast immer gehen sie von falschen Voraussetzungen und Vermutungen aus, nicht selten scheitern die Autoren auch an ihrer ideologischen Voreingenommenheit. Für die Mehrheit der Biografen des amtierenden russischen Präsidenten ist diese jedoch nicht äußerlich und marktorientiert, sondern erstaunlicherweise innerlich und ehrlich. Einige halten den zweiten demokratisch gewählten Präsidenten der Russischen Föderation für einen Retter und Erneuerer des Staates, für jemanden, der das Tor zu einer leuchtenden russischen Zukunft aufstößt. Und die Autoren passen alle Gegebenheiten aus Putins Leben, seien sie real oder fiktiv, dieser Einschätzung an.

Andere wiederum sind voller Wut und Hass auf den »Kreml-Tyrannen« und bezichtigen ihn der Zerstörung der jungen russischen Demokratie, auf deren Geschmack mein Land erstmalig Ende der 1980er-Jahre kam, als das scheinbar unerschütterliche Imperium von Lenin und Stalin buchstäblich im Handumdrehen zusammenbrach.

Sowohl die einen als auch die anderen sind im Unrecht – ob sie ihn nun vergöttern oder den Kreml-Herrscher hasserfüllt kritisieren. Keiner hat seinen Helden beziehungsweise Antihelden in erforderlicher Weise durchschaut. Ich werde es versuchen.

Dieses Buch wurde geschrieben, um auch die hartnäckigsten Mythen über Wladimir Putin zu widerlegen und ihn so zu zeigen, wie er ist, aus Staub und Erde, wenn auch nach vierzehn Jahren großer Macht von bester Qualität. Ich hoffe, Folgendes zeigen zu können:

  • Putin war nie als Auslandsspion tätig, wovon alle Welt ausgeht. Mehr noch, er kann nicht einmal dem System des KGB der UdSSR zugerechnet werden. In diesem System war er ein Außenseiter. Der KGB hätte den künftigen Präsidenten der Russischen Föderation Ende der 1980er-Jahre fast zugrunde gerichtet, als er seine sowjetische Karriere zum Entgleisen brachte. Die politische Biografie Putins beginnt mit Anatoli Sobtschak, dem ehemaligen Vorsitzenden des Leningrader Stadtsowjets der Volksdeputierten (1990 bis 1991) und Bürgermeister der Stadt Sankt Petersburg (1991 bis 1996) – als leidenschaftlicher Gegner des Sowjetsystems und erklärter Antagonist und Zerstörer der Geheimdienstmaschinerie.
  • Putin ist der wahre und getreue Nachfolger Boris Jelzins. Er hat den strategischen Kurs seines Vorgängers nicht zerstört, wie die russische (und internationale) liberale Öffentlichkeit gern äußert, sondern ihn, ganz im Gegenteil, bis an seine ursprünglich gesetzte, logische Grenze geführt. Jelzin sollte seinem Nachfolger vom Jenseits aus ebenso dankbar sein, wie er es auch im Diesseits war. Aber auch Putin hatte und hat allen Grund, dem ersten Präsidenten dankbar zu sein. Jelzin erwählte ihn im Sommer 1996 nach dem dramatischen Einbruch Sobtschaks bei den Bürgermeisterwahlen in Sankt Petersburg. Damals hatte das frisch gewählte Oberhaupt der ehemaligen russischen Hauptstadt im Norden, Wladimir Jakowlew, den einflussreichen Mitgliedern von Sobtschaks Clique die Tür gewiesen – allen voran Wladimir Putin. Daraufhin holten Jelzins Leute den leicht panischen Putin, der schmerzvoll ein erneutes Scheitern seiner gerade warmgelaufenen Karriere erwartete, nach Moskau. Und zwar in die Präsidialverwaltung auf einen Posten, der zwar klein war, seiner Karriere jedoch einen neuen Anstoß geben konnte. Jelzin im Jahr 1996 wurde für Putin das, was Sobtschak im Jahr 1990 für ihn gewesen war.
  • Putin ist Geschäftsmann und ein Freund des Business. Nicht mehr und nicht weniger. Eine Auslegung dieser These findet sich weiter unten.
  • WWP (wie man den russischen Präsidenten auch nennt) hat weder die unter Jelzin entstandene Oligarchie noch den Einfluss der mächtigsten Unternehmer der 1990er-Jahre zerstört. Im Gegenteil – die Oligarchen der Jelzin-Zeit wurden unter Putin noch stärker und reicher. Es gibt einige Ausnahmen, aber sie bestätigen nur die Regel.
  • Putin hat nie die für Russland legendäre Machtvertikale geschaffen, über die so viel geschrieben und gesagt wurde. Unter ihm entstand eine Horizontale der Macht, die aus einer unzählbaren Menge von Gewaltzentren besteht. In jedem dieser Zentren, die das große Geld mit der zivilen und staatlichen Bürokratie vereinen, entsteht die russische Macht, hier lebt sie und stirbt von Zeit zu Zeit ab. Von vielen Entscheidungen, die an den Knotenpunkten dieser Horizontalen getroffen werden, erfährt Putin als Letzter oder nie. Die Philosophen der Postmoderne würden ein solches Machtmodell »rhizomatisch« nennen, ein System­administrator »verlinkt«. Auf keinen Fall jedoch kann man von einer strengen Hierarchie sprechen, an deren Spitze Putin steht, so wie heute die Mehrheit der Menschheit denkt.
  • Putin war nie ein Imperialist und ist es auch heute nicht. Er ist ein Kleinbürger, dem imperiale Ausmaße Angst machen, wenn es um Ideen, Konzepte, Maßnahmen, Gegenmaßnahmen oder andere langfristige Entscheidungen geht. Keines der bisherigen russischen Staatsoberhäupter hat so viel zum Zerfall des Russischen Imperiums und zur Umwandlung des Landes in einen Nationalstaat europäischen Musters beigetragen, wozu die freiwillige und unfreiwillige Diskreditierung von imperialen Symbolen gehört, die den Russen bereits in Fleisch und Blut übergegangen sind. Darin liegt ja das Paradox: Indem er die imperialen Symbole konserviert, setzte er die zügellose Kraft des imperialen Zerfalls frei.
  • Putin ist antisowjetisch. Alles Graue und Grässliche, was an die Sowjetunion erinnert, ist ihm zuwider. Und sei es nur deshalb, weil er in der Tragödie der UdSSR ein Pechvogel war, während er im Vaudeville der Russischen Föderation ein mustergültiger Glücksritter wurde.
  • Putin ist russophob. Und zwar ganz klassisch und par excellence, als habe er sich aus einer wissenschaftlichen Broschüre materialisiert. Das russische Volk betrachtet er äußerst kritisch, er traut ihm keine kontinuierliche schöpferische Tätigkeit zu. Putin meint, die Russen seien untätige Schwärmer. Wahrscheinlich würde er der These zustimmen, dass die Russen Heilige sein können, dabei aber unredlich sind, wie der russische Denker Konstantin Leontjew es formulierte. Wie aber soll man einen modernen Kapitalismus aufbauen, wenn es an der banalen, langweiligen, bourgeoisen Ehrlichkeit mangelt? Putin meint, sowohl die Macht als auch die Philosophie in Russland müssten deutsch sein. Bleibt nur die Frage, wie man das erreicht.
  • Putin hat keinen der Kriege gegen Tschetschenien angefangen. Er hat weder Anna Politkowskaja noch Alexander Litwinenko umgebracht. Generell ist er kein Mörder, weder von seinen Intentionen noch von seiner Mentalität her. Und wenn er dennoch Mordbefehle ausgegeben hat oder davon wusste, dass sie einem seiner Freunde erteilt wurden, hat er dabei stets Augen und Ohren verschlossen.
  • Putin ist kein Macho und kein atemberaubender Liebhaber. Er ist ein Held der geschlechtlichen Einsamkeit mit unklarer (oder wie man es gebildet ausdrückt: amorpher) Sexualität. Die Mehrzahl der Gerüchte über seine Eroberungen und Affären sind Werbetricks, die mal besser funktionieren (wie zum Beispiel die Affäre mit der Kunstturnerin Alina Kabajewa, an der niemand zweifelt) und mal schlechter (die Affäre mit der Sängerin Anna Netrebko, an der sogar die zweifeln, die wissen, dass es eine solche Opernsängerin gibt).
  • Putin ist Idealist. Er glaubt aufrichtig, für das gegenwärtige Russland und unter den gegebenen Umständen ein guter Regierungschef zu sein – kein großartiger, kein glänzender, sondern ein ordentlicher und solider. Er hat weder das Land betrogen noch diejenigen, die ihn in sein Amt gebracht haben. Vielleicht hat er damit gar nicht so unrecht.
  • Von Putin ist alles Mögliche zu erwarten, nur keine radikalen Reformen. Die vorherrschende Idee seiner Staatsführung ist, nichts zu »verschütten«, damit er, gemessen an einer gewissen Auswahl formaler Kriterien, nach seiner Regierungszeit nicht schlechter dasteht als vorher. Boris Jelzin gab ihm die Worte mit auf den Weg: »Behüten Sie Russland!«, und WWP hat das ganz wörtlich genommen, ohne darin einen Hauch von Ironie oder Zynismus zu sehen. Deswegen muss man sich die hundertsiebenundzwanzigste Beteuerung des russischen Präsidenten, es stünden »Veränderung des russischen Wirtschaftsmodells« oder »massenhafte Verhaftungen korrupter Beamten« an, gar nicht mehr anhören. Putin ist ein träger Herrscher. Nie würde er das Alte gegen etwas Neues tauschen, wenn das Alte immer noch funktioniert, selbst mit gewissen Störungen, und wenn es wie eine Ölpipeline und der Ölpreis den Erfolg sichert. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen von dieser These, zum Beispiel die Auflösung der Russischen Akademie der Wissenschaften, die von Putin und seinem Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew 2013 zielstrebig durchgeboxt wurde. Aber auch hier bestätigt die...
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