In der Literatur sind bis heute viele Studien zu finden, die sich mit der Verarbeitung von Informationen durch den Kapitalmarkt beschäftigen. Seit der vielbeobachteten Veröffentlichung von Fama/Fisher/Jensen/Roll (1969)[75] zu Stock Splits wurde in den siebziger Jahren eine Reihe von Untersuchungen zu den kurzfristigen Kursanpassungen bei der Durchführung von Finanzierungsmaßnahmen vorgelegt. In den achtziger Jahren standen Untersuchungen zu Ankündigungseffekten im Blickpunkt des wissenschaftlichen Interesses, die sich insbesondere auf Veränderungen der Kapitalstruktur, des Ausschüttungsverhaltens oder der Kontrolle von Unternehmen bezogen. Die beobachteten sofortigen Kursreaktionen sind nach Einschätzung von Fama (1991) der klarste empirische Befund für die Existenz informationseffizienter Märkte.[76]
Gegenstand dieses Kapitels sind verschiedene Messkonzepte zur Informationseffizienz. Neben der differenzierten Vorgehensweise bei Untersuchungen zur schwachen, halbstrengen und strengen Informationseffizienz werden insbesondere Modelle zur Renditebereinigung, sowie die daraus resultierenden Probleme beschrieben.
Unabhängig davon, welche Form der Informationseffizienzhypothese, also die der schwachen, halbstrengen oder strengen Form, empirisch getestet werden soll, weisen fast alle Untersuchungen für den Aktienmarkt mehr oder weniger folgende Grundstruktur auf: Ausgangspunkt der Untersuchung ist ein Gleichgewichtsmodell für den Aktienmarkt.[77] Für die jeweils relevante Art der Information wird anschließend untersucht, ob ein Investor, nachdem ihm die neue Information zugegangen ist, durch sofortigen Kauf oder Verkauf der jeweiligen Aktien und spätere Glattstellung der Position systematisch Überrenditen erzielen kann. Dabei wird die Überrendite für einen bestimmten Zeitpunkt t jeweils als Differenz aus der beobachteten Rendite von t-1 nach t und der mit Hilfe des Gleichgewichtsmodells für diese Zeitspanne ermittelten, erwarteten Gleichgewichtsrendite berechnet. Die Zeitspanne von t-1 nach t entspricht dabei der in der jeweiligen Untersuchung gewählten Zeiteinheit.[78] Entsprechend werden die über den Zeitraum zwischen Kauf bzw. Verkauf und Glattstellung der Position aufkumulierten Überrenditen pro Zeiteinheit als Überrendite oder auch „abnormal return“ bzw. „abnormal performance“ dieses Zeitraums bezeichnet.[79] Um statistisch signifikante Aussagen darüber zu ermöglichen, ob festgestellte Überrenditen im Zusammenhang mit einer bestimmten Informationsart nicht nur zufälliger Natur sind, wird i.d.R. eine Stichprobe untersucht, die eine größere Anzahl von Kurszeitreihen umfasst und auf die gleichartige Informationen eingewirkt haben.[80] Dabei wird die erläuterte aufkumulierte Differenz aus beobachteter und erwarteter Rendite pro Zeiteinheit im vorliegenden Zusammenhang nur dann als Überrendite betrachtet, die auf Informationsineffizienz hinweisen könnte, wenn sie bei einer positiven Information, die als Kaufsignal gedeutet wird, auch ein positives Vorzeichen besitzt. Entsprechend muss sie bei einer Nachricht, die der Investor als Verkaufssignal deutet, ein negatives Vorzeichen aufweisen.
Darüber hinaus sei noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass es für eine Ablehnung der Informationseffizienzhypothese erforderlich ist, dass eine in der Untersuchung festgestellte Überrendite für einige aus der Gruppe der jeweils betrachteten Investoren durch eine kurzfristige Strategie auch tatsächlich noch realisierbar gewesen wäre. Das bedeutet, dass die Information, welche die Überrendite ausgelöst hat, für diese Investoren bereits verfügbar gewesen sein muss, solange am Markt noch zu Kursen gehandelt wurde, welche die betreffende Information noch nicht voll reflektierten. Kommt es z.B. nach Veröffentlichung einer neuen Information stets zu einer sofortigen Neubewertung der Aktie durch den Markt und zu einer entsprechenden Anpassung des Kurses, so entsteht zwar dadurch eine abnormal hohe Rendite, kein Investor hat jedoch noch Zeit, diese systematisch durch unmittelbare Reaktion auf die veröffentlichte Information zu realisieren. Im folgenden wird auch in diesem Fall von einer Überrendite gesprochen, die allerdings nur ex-post beobachtet und nicht ex-ante prognostiziert werden kann. Die Feststellung einer solchen Überrendite führt damit noch nicht zur Ablehnung der Informationseffizienzhypothese.
Ob bereits eine signifikant von Null verschiedene Überrendite, die nur einen sehr geringen Betrag aufweist, zur Ablehnung der jeweiligen Informationseffizienzhypothese führt, wird in den Untersuchungen nicht einheitlich entschieden. Fama (1976) differenziert in diesem Zusammenhang zwischen einer Definition von Informationseffizienz im engeren Sinne und einer weniger streng gefassten Definition. Folgt man ersterer, so wird schon bei einer auch noch so kleinen signifikanten Überrendite die Hypothese der Informationseffizienz abgelehnt. Bei der weniger streng gefassten Definition kommt es hingegen nur dann zu einer Ablehnung, wenn die Überrendite größer ist, als die durch die jeweiligen kurzfristigen Wertpapiertransaktionen ausgelösten Transaktionskosten.[81] In der überwiegenden Mehrzahl der Untersuchungen wird Informationseffizienz im zuletzt genannten Sinne verstanden und deshalb werden Transaktionskosten bei der Berechnung der Überrendite explizit mit berücksichtigt.[82]
Nachfolgend werden Besonderheiten beschrieben, welche die empirischen Tests der einzelnen Formen der Informationseffizienz auf Aktienmärkten kennzeichnen.
Die Tests der Informationseffizienzhypothese in ihrer schwachen Form unterscheiden sich von den Tests der umfassenden Versionen v.a. dadurch, dass sie häufig von wesentlich einfacheren Gleichgewichtsmodellen für die Bewertung am Aktienmarkt ausgehen. So arbeiten zahlreiche Untersuchungen mit einem Modell, bei dem angenommen wird, dass die erwartete Gleichgewichtsrendite pro Periode über alle Perioden konstant ist oder bei dem lediglich unterstellt wird, dass die erwarteten Gleichgewichtsrenditen jeweils positiv sind.[83]
Besonders einfach ist der Testansatz im Fall konstanter erwarteter Gleichgewichtsrenditen. Hier müssen die Aktienrenditen lediglich auf Autokorrelation getestet werden.[84] Ist die Hypothese, dass der Autokorrelationskoeffizient bezüglich beliebiger ‚time-lags’ null beträgt, zumindest für ein ‚time-lag’ abzulehnen, so würde dies bedeuten, dass mittels bereits realisierter Aktienrenditen systematische Abweichungen der zukünftigen Rendite vom Gleichgewichtwert des Modells prognostiziert werden können.[85] In diesem Fall wäre die Informationseffizienzhypothese in ihrer schwachen Form abzulehnen.[86]
Wird unterstellt, dass erwartete Renditen im Gleichgewicht stets positiv sind, so wird sehr häufig auf schwache Informationseffizienz getestet, indem die mittels sog. Filterregeln erzielbaren Renditen den alternativ mittels einer einfachen Bestandshaltestrategie erzielbaren Renditen gegenübergestellt werden. Dabei wird i.d.R. folgendermaßen vorgegangen: Anhand einer Stichprobe vergangener Aktienrenditen wird die Rendite berechnet, die ein Investor über den Untersuchungszeitraum erzielt hätte, wenn er zu Beginn in den Kauf einer betrachteten Aktie investiert und am Ende des Untersuchungszeitraums die Position durch Verkauf wieder glattgestellt hätte. Dieser ‚buy-and-hold’-Strategie wird die Rendite einer Strategie gegenübergestellt, die in vorgegebener Weise bestimmten Kauf- und Verkaufssignalen folgt.[87] Eine für verschiedene Untersuchungszeiträume und verschiedene Aktien beständig überlegene Filterregel würde darauf hindeuten, dass mittels der Auswertung von Informationen über vergangene Renditeverläufe zusätzliche Gewinne erzielt werden könnten. Dies steht im Widerspruch zur Hypothese der schwachen Informationseffizienz.
Eine weitere Möglichkeit zur Überprüfung der schwachen Informationseffizienz besteht mit Hilfe einer Kointegrationsanalyse. Das Konzept der Kointegration beschreibt die Eigenschaft nicht stationärer Zeitreihen, sich in einem langfristig stabilen Gleichgewicht zu befinden. Ist eine Linearkombination von nichtstationären Zeitreihen stationär, so sind diese Zeitreihen kointegriert.[88] Wird im Rahmen empirischer Untersuchungen eine Kointegrationsbeziehung zwischen Kursen unterschiedlicher Werte am Aktienmarkt gefunden, muss von Informationsineffizienz ausgegangen werden. Umgekehrt kann dagegen bei Nichtvorliegen einer Kointegrationsbeziehung nicht von schwacher Informationseffizienz ausgegangen werden, da zusätzlich kurzfristige Abhängigkeiten bestehen können, die der Informationseffizienzhypothese widersprechen.[89]
Stellvertretend für alle empirischen Tests auf halbstrenge Informationseffizienz werden im folgenden lediglich ein Testansatz sowie modifizierte bzw. erweiterte Formen dieses Ansatzes vorgestellt. Die Annahmen und das...