Trotz der hohen Bedeutung des Preismanagements für Unternehmen (siehe Kapitel 2.1.2) weist dessen Management nach wie vor eine geringe Professionalisierung in der Praxis auf, obwohl die Erkenntnis der Probleme wissenschaftlich erforscht und seit mindestens einem Jahrzehnt bekannt sind.[75]
Wiltinger hebt in seiner Arbeit zum Preismanagement bereits 1998 die Prämissen bisheriger Preisforschung auf: [76]
1. Die für eine Preisentscheidung notwendigen Informationen stehen jederzeit kostenlos und unbeschränkt zur Verfügung.
2. Die Zusammensetzung der am Prozess beteiligten Manager und die interne Ablauforganisation beeinflusst die Preisentscheidung nicht.
3. Der erzielte Transaktionspreis ist das Ergebnis einer einzigen, isolierten und in sich konsistenten Entscheidung.
Die identifizierten Probleme wurden von ihm zu drei Problemkreisen zusammengefasst, die jeweils mit einer der drei in seiner Arbeit widerlegten Thesen korrespondieren: dem Problemkreis der Information (These 1), dem Problemkreis der Entscheidung (These 2) und dem Problemkreis der Koordination (These 3).
Eine Gruppierung der Probleme nach prozessualen Aspekten bietet sich jedoch in dieser Arbeit aufgrund der gewählten Controllingkonzeption eher an. Im Rahmen einer Studie zu den Problemen von Industriegüterunternehmen in der Preispolitik wurden die folgenden Punkte im Vorfeld der Befragung theoriebasiert abgeleitet, identifiziert und den Phasen der Preisentscheidung zugeordnet:
Tabelle 3: Problemfelder nach Prozessphase (in Anlehnung an Rullkötter (2008), S. 95)
Wie aus der Tabelle 3 ersichtlich, ist das Spektrum an Rationalitätsdefiziten im Preismanagement relativ breit, da das Feld der Preisentscheidung extrem komplex ist. Ein adäquates Controlling tut in Anbetracht des derzeitigen Professionalisierungsgrads not.
Eine tiefer greifende Auseinandersetzung mit den Problemfeldern des Preismanagements erfolgt im Hauptteil der Arbeit, wo auch auf die Gegebenheiten des Lebensmitteleinzelhandels in der jeweiligen Prozessphase eingegangen wird.
Abgeleitet aus den Rationalitätsbeschränkungen in der Preisbildung muss die Aufgabe eines Rationalitätssicherung anstrebenden Controllings mehr umfassen als nur die Phase der Kontrolle.[77] Es ist nun von Vorteil, dass Weber und Schäffer die Ziele und Aufgaben des Controllings vom idealtypischen Führungszyklus abgeleitet haben, da diese Vorgehensweise auf den Preismanagementprozess übertragbar ist.
Aus dem Preismanagementprozess heraus können nun die Ziele und Aufgaben des Preiscontrollings entwickelt werden. Als Fundamentalziel des Preiscontrollings ist letzten Endes die Sicherung einer rationalen Preiszielerreichung anzustreben. Um dies umzusetzen, wird nach Instrumentalzielen auf Ebene der Prozessphasen und nach den Rationalitätsobjekten differenziert (siehe Abbildung 9).[78]
Abbildung 9: Ziele des Preiscontrollings (eigene Darstellung)
Aufgrund der komplexen Wirkungszusammenhänge und der Unsicherheitsproblematik ist eine absolute objektive Rationalität beim Fundamentalziel der rationalen Preiszielerreichung nicht nur ex ante unmöglich zu realisieren (siehe Kapitel 2.1), sondern wäre auch ex post unmöglich zu erkennen.
Die Aufgaben des Preiscontrollings müssen daher an den jeweiligen Rationalitätsengpässen der einzelnen Phasen, den Schnittstellen zwischen den Phasen und an den Rationalitätsobjekten ansetzen, um sich durch annäherndes Erreichen der Instrumentalziele (Ergebnis-, Prozess- und Inputrationalität der jeweiligen Preismanagementphase) dem Hauptziel der rationalen Preiszielerreichung anzunähern.[79]
Zweckmäßig lassen sich die Aufgaben einerseits nach Rationalitätssubjekt und andererseits nach zeitlichem Bezug gliedern.
Abbildung 10: Spektrum der Preiscontrollingaufgaben (in Anlehnung an Florissen (2005), S. 221)
Die proaktiven Aufgaben verhindern die Entstehung von Defiziten bereits ex ante. Auf individueller Ebene lassen sich hier die Stärkung der Fähigkeiten (z.B. Lernen oder Antizipieren), sowie die Veränderung mentaler Modelle subsumieren. Auf Ebene der Gruppe bedeutet dies die Organisation der Gruppe und ihre Verhaltensregeln so zu beeinflussen, dass keine Konflikte aufschwellen und die Gruppe inhaltlich bessere Entscheidungen trifft.
Gegenstand der reaktiven Aufgaben ist bereits aufgetretene Defizite ex post zu identifizieren. Die Aufmerksamkeit, die Selbstkritikfähigkeit aber auch Durchsetzungsfähigkeit der Preismanager gilt es hier auf individueller Ebene zu verbessern. Für Gruppen setzt sich das Preiscontrolling die Abmilderung von aufgetretenen Konflikten, sowie die Überbrückung von Koordinationsdefiziten zur Aufgabe. Die Bereitstellung von Fakten-, Methoden- und Beziehungswissen trägt je nach Kontext proaktiv oder reaktiv zur Vermeidung von Rationalitätsdefiziten bei.[80]
Unter Instrumenten, die zur Sicherstellung der Rationalität durch das Controlling allgemein und dadurch auch für das Preiscontrolling im Speziellen angewandt werden, sollen in dieser Arbeit Methoden und Verfahren verstanden werden, die unabhängig vom Aufgabenträger zur Umsetzung einer rationalen Preiserreichung durch Sicherstellung der Rationalität in den jeweiligen Prozessphasen des Preismanagements beitragen.
Die intensive Auseinandersetzung mit den Unterzielen, den Aufgaben, sowie den Instrumenten des Preiscontrollings erfolgt im Hauptteil dieser Arbeit unter Berücksichtigung der besonderen Ansprüche des Preismanagements im Lebensmitteleinzelhandel.
Ob Preiscontrolling an sich durch Controller, durch andere Stellen im Unternehmen oder ob sie im Zusammenspiel von Funktionsträgern wahrgenommen wird, hängt im Wesentlichen von deren Stärken und Schwächen ab und kann sich je nach Managementphase unterscheiden. Mögliche Träger der Aufgaben des Preiscontrollings können in interne und externe Aufgabenträger differenziert werden (siehe Abbildung 11):
Abbildung 11: Mögliche Funktionsträger des Preiscontrollings (in Anlehnung an Bolte (2008), S. 100)
Verfügt der Träger der Aufgabe über die notwendigen Qualifikationen, ist es unerheblich, welcher der aufgezeigten potentiellen Träger die Aufgaben übernimmt und die Instrumente einsetzt.[81]
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden die funktionalen Aspekte des Preiscontrollings betrachtet und je nach Phase beleuchtet, welche Gruppe für die Controllingaufgabe aufgrund der Beurteilungskriterien von Effektivität und Effizienz am besten geeignet ist. Erst im Kap 5.8 werden institutionelle Einbettungsvorschläge für das Preiscontrolling im Handel erarbeitet.
Preiscontrolling ist auf die Unterstützung des Preismanagements ausgerichtet, wobei das Preismanagement selbst ein Bestandteil des Marketing-Mix ist. Daraus lässt sich der Rückschluss ziehen, dass das Preiscontrolling ein Teil des Marketingcontrollings darstellt.[82] Da der Grundgedanke des Marketings in der konsequenten Orientierung der Unternehmung an bestehenden und potentiellen Kunden besteht, stehen für das Marketingcontrolling die (Rationalitäts-) Sicherung von Produkt-Markt-Beziehungen im Vordergrund.[83] Sie umfasst hiermit die rationale Sicherstellung der Kundenorientierung, des Konkurrenzfokus und der funktionsübergreifende Koordination.[84]
Das operative Marketingcontrolling bezieht sich primär auf die vier klassischen Marketinginstrumente: Produkt, Kommunikation, Distribution und Preisgestaltung.[85] Von besonderer Bedeutung ist die Konsistenz der Instrumentalstrategien für das Marketingcontrolling. Dieses muss nämlich darauf achten, dass die einzelnen Instrumente aufeinander abgestimmt sind. Verbundeffekte zwischen den Instrumenten (interinstrumentelle Effekte) sind z.B.:[86]
sachliche Verbundeffekte (Die Preissetzung hat einen Einfluss auf die Werbeträgerauswahl.)
räumliche Verbundeffekte (Bei regionaler Distribution benötigt man keine internationale Werbung.)
zeitliche Verbundeffekte (Preissenkungen während einer Penetrationsstrategie lassen im Zeitablauf u.U. eine Qualitätsminderung vermuten.)
formale Verbundeffekte (Eine moderne Verpackung erfordert eine moderne Kommunikationspolitik.)
Die interinstrumentellen Verbundeffekte verdeutlichen, dass die...