|37|1 Sich kennenlernen
Es gibt drei Situationen, in denen Vorstellungsrunden oder -spiele wirklich ihren Zweck erfüllen: (1) Wenn man mit einer neuen Gruppe arbeitet, (2) wenn ein neuer Teilnehmer in die bestehende Gruppe kommt und (3) wenn ein (neuer) Trainer auf eine bestehende Gruppe trifft. Der gemeinsame Nenner dieser Situationen ist das gestörte Gleichgewicht, beziehungsweise der Umstand, dass noch gar kein Gleichgewicht hergestellt werden konnte. Das bedeutet, in der Gruppe herrscht eine gewisse Unsicherheit. Auf Unsicherheit reagieren Gruppen unterschiedlich. Es kann eine „Kampf- oder Fluchtreaktion“ im Raum stehen. Eine Gruppe kann sich dem Neuankömmling gegenüber feindselig positionieren, sich ständig verteidigen und zurückziehen, sobald der Versuch unternommen wird, die Individuen der Gruppe zu vereinen. Die Unsicherheit zeigt sich möglicherweise nicht unmittelbar, unter Umständen erst während der Evaluation. Hier kommt es auf den Trainer an, der das Tempo und die Bereitschaft der Gruppe im Blick haben sollte, aber auch jeden einzelnen Teilnehmer. In fast allen Fällen gilt, dass die Übungen niedrigschwellig sein müssen. Jeder soll mitmachen können.
Bei den Vorstellungsrunden oder Kennenlernspielen gilt es, verschiedene Aspekte zu unterscheiden. Am meisten auf der Hand liegend ist der funktionale oder rationale Aspekt. Die Teilnehmer lernen durch die Vorstellungsrunde die Namen und sonstigen Besonderheiten der anwesenden Personen und ihrer Lebensläufe kennen. Suchen Sie explizit die Aspekte heraus, die für das Training direkt oder indirekt funktional sind. Wenn Sie ein Selbstbehauptungs-Training veranstalten, bürden Sie anderen dann nicht sofort Details aus den Lebensläufen der Teilnehmer auf. Die Teilnehmer sind vermutlich mehr daran interessiert, zu erfahren, ob die anderen Gruppenmitglieder vor diesem Training auch so angespannt sind wie sie selbst. Bei einem Training zum Thema Karrieremanagement kann die Information über Stationen im Lebenslauf dagegen durchaus sinnvoll sein.
Der zweite Aspekt von Vorstellungsrunden und -spielen ist die Herstellung von Sicherheit. Das bedeutet, die Vorstellungsrunden sollen niedrigschwellige Übungen sein, an denen jeder Anwesende teilnehmen kann. Der Trainer lädt die Teilnehmer dazu ein, eine Haltung anzunehmen, die in punkto Offenheit und Verletzlichkeit für sie akzeptabel ist. Es kommt zu ersten, für die Teilnehmer annehmbaren Enthüllungen. Dabei bestimmen die Teilnehmer selbst, wo die Grenzen sind. Jeder |38|entscheidet für sich, worüber er sprechen will und worüber er nicht sprechen will. Über das Gefühl von Sicherheit in der Gruppe siehe auch Kapitel 3 zum Thema „Vertrauen und Zusammenhalt“.
Zu guter Letzt: Bei Kennenlernspielen wird auch die Ausgangsposition der Gruppe bzw. der Gruppenmitglieder festgelegt. Woher kommen die Mitglieder (auch im buchstäblichen Sinn), wie ist ihre physische Verfassung, wie sieht es mit ihrer Motivation aus? Wie offen sind sie einander gegenüber, gibt es (ein Zuviel an) Humor, Spannung, muss der Trainer auf die Probe gestellt werden? Müssen diese Themen – aufgrund des Verlaufs der Vorstellungsrunde – besprochen werden oder genügen dem Trainer seine Beobachtungen und kann er sein Wissen indirekt nutzen? Die Teilnehmer sind sich am Ende des Spiels darüber im Klaren, wie sie zueinander und zum Training stehen. Die Art und Weise, wie die Interaktion jetzt abläuft, ist der Startpunkt und setzt den Ton für alles Weitere. Es wird klar, dass ein aktiver Beitrag von den Teilnehmern erwartet wird und dass Gespräche (meistens) auch untereinander stattfinden und nicht nur den Weg über den Trainer nehmen.
In jeder der im Folgenden beschriebenen Übungen ist ein (oder sind mehrere) Aspekt(e) hervorgehoben. Erkennen Sie die jeweils für Sie und Ihre Gruppe wichtigen Themen?
|39|Übung 6: Namensspiel 1 – aktiv und spielerisch
Ziel der Übung
Namen kennenlernen
Aktive Haltung der Teilnehmer
Das wird benötigt
Für jeden Teilnehmer ein Stuhl. Diese werden im Kreis aufgestellt.
Dauer der Übung
15 Minuten
Beschreibung
Es gibt zunächst eine oder zwei Runden, bei denen jeder Teilnehmer ganz ruhig seinen Namen sagt.
Ein Teilnehmer wird nun gebeten, in die Mitte des Kreises zu kommen. Es ist also ein Stuhl frei geworden. Die Person, die links des frei gewordenen Stuhles sitzt, nennt den Namen eines Teilnehmers aus der Runde. Dieser setzt sich daraufhin auf den leeren Stuhl. Die Person, die auf der linken Seite des Stuhles sitzt, der dadurch frei geworden ist, nennt einen neuen Namen. Die genannte Person geht zum Stuhl und setzt sich.
Das Spiel geht auf diese Weise weiter, mit einer kleinen Variation: Der stehende Teilnehmer versucht, sich auf den leeren Stuhl zu setzen, bevor die Person, deren Namen genannt wird, sich setzen kann. Wenn er schnell genug ist, stellt sich die Person, die zu spät kam, in die Mitte des Kreises. Setzt er sich bereits, bevor ein neuer Name aufgerufen wurde, dann ist derjenige, der den Namen hätte aufrufen müssen, an der Reihe, sich in die Mitte zu stellen.
Weitere Einsatzmöglichkeiten
Körperaktivierende Übung
Quelle
Überlieferung
|40|Übung 7: Namensspiel 2 – ein ruhiger Beginn
Ziel der Übung
Namen kennenlernen
Niedrigschwellige Art und Weise die Teilnehmer daran zu gewöhnen, etwas von sich preiszugeben und sich verwundbar zu zeigen
Dauer der Übung
15 Minuten
Beschreibung
Die Teilnehmer sitzen im Kreis und erzählen einander – in willkürlicher Reihenfolge – etwas über ihren Vor- und/oder Nachnamen. Als Anknüpfungspunkte können dienen: Die Frage der Herkunft oder der Bedeutung des Namens, auf welche Weise und von wem hat jemand seinen Namen bekommen, wie stehen die Teilnehmer zu ihrem Namen, können sie nette Begebenheiten/Anekdoten bezüglich ihres Namens erzählen, gibt es bekannte Persönlichkeiten mit demselben Namen, haben die Teilnehmer einen Taufnamen und wenn ja, weshalb? Welche Erfahrungen haben sie diesbezüglich gemacht, was können sie über Kosenamen oder Schimpfnamen erzählen?
Eventuell können die (einige der) anderen Gruppenmitglieder offene Fragen stellen.
Kontraindikation
Gruppen mit möglicherweise traumatischen Erfahrungen in der Vergangenheit.
Quelle
Überlieferung
|41|Übung 8: Namensspiel 3 – kurz, aktiv, einfach und spielerisch
Ziel der Übung
Namen kennenlernen
Ausdrucksfähigkeit fördern
In einem geschützten Rahmen etwas von sich preisgeben
Dauer der Übung
15 Minuten
Beschreibung
Die Teilnehmer stehen im Kreis. Eventuell findet zuerst eine Runde „Namen nennen“ statt.
Bitten Sie die Teilnehmer zu ihrem Namen ein Adjektiv zu sagen, das mit demselben Anfangsbuchstaben oder Anfangslaut (Alliteration) wie der Name beginnt und eine typische Charaktereigenschaft ausdrückt, also zum Beispiel: Sonnenhungriger Sebastian, mutige Maria. Die Suche nach dem Adjektiv kann auf eine assoziative Art und Weise geschehen. Die ersten Einfälle sind meistens recht gut geeignet. Bei einer großen Gruppe müssen Sie vorab keine Bedenkzeit geben.
In der folgenden Runde trägt jede Person ihre Alliteration laut vor, die Gruppe spricht nach. Person zwei (rechts von Person eins) folgt und so weiter, bis alle Mitglieder an der Reihe waren.
Noch einmal dieselbe Runde, aber nun wird der passende stimmliche, mimische und körperliche Ausdruck mit dazu genommen.
Einige Gruppenmitglieder können den Teilnehmern, deren Alliteration allgemein nicht verstanden wurde, eventuell offene Fragen dazu stellen.
Kontraindikation
Die Übung verlangt eine offene, aktive Haltung. Wenn im Anschluss in der Gruppe also darum gehen soll, genau zuzuhören oder konzentriert zu sein, kann diese Übung...