Patientenverfügung
Eine Patientenverfügung ist die schriftliche Vorauserklärung eines volljährigen einwilligungsfähigen Menschen darüber, welche Behandlungen und Eingriffe im Falle des Verlusts eigener Willensbildung und Entscheidungsfähigkeit untersagt und/oder gewollt sind. Eine Patientenverfügung, die in ausreichend differenzierter Weise die Situation, für die sie gelten soll, beschreibt, ist für den Arzt (und andere Beteiligte wie beispielsweise Pflegeheime) unmittelbar bindend, das heißt, die Einschaltung eines Bevollmächtigten oder Betreuers ist zwar sinnvoll, jedoch nicht Voraussetzung dafür, einer Patientenverfügung zur Geltung zu verhelfen. Der Widerruf einer Patientenverfügung bedarf keiner Form, er kann mündlich erfolgen, was aber voraussetzt, dass der Patient zu diesem Zeitpunkt noch oder wieder über die notwendige Einwilligungsfähigkeit verfügt. Der Wille des Patienten kennt keinen Formzwang: Rechtsverbindlich ist also nicht allein eine schriftlich verfasste Patientenverfügung; der mündlich geäußerte Wille und selbst der mutmaßliche Wille sind es ebenso.
Vom Sinn einer Patientenverfügung
Dass manche Leidenssituationen am Lebensende vermeidbar wären und zudem manche Sterbefälle heute nicht selten streitig enden, liegt nicht allein an medizinischer und/oder juristischer Unkenntnis, sondern eher an mangelnder oder fehlender Vorsorge für das Unabänderliche. Dieses Faktum ist einerseits der viel zitierten »Verdrängung« des Lebensendes geschuldet, andererseits der verbreiteten Unkenntnis darüber, dass das Sterben, jedenfalls in gewissen Grenzen, der eigenen Gestaltung zugänglich ist: Es fehlt beispielsweise allzu oft das Wissen darüber, dass kein Mensch gegen seinen Willen ‒ vom Notfall einmal abgesehen ‒ behandelt werden darf; dass vielmehr das Leben des Patienten gegen seinen Willen zu verlängern seine Würde und sein Selbstbestimmungsrecht verletzt und eine strafbare Körperverletzung darstellt. Dies gilt ganz besonders für den Fall krankheitsbedingter Einwilligungsunfähigkeit, etwa bei einem ausgedehnten Schlaganfall oder im dauerhaften Koma. Zu versuchen, dem Sterben etwas von seinem Schrecken zu nehmen, den Prozess des Sterbens zu erleichtern und den Weg zu mehr Mitmenschlichkeit und Zuwendung am Lebensende zu ebnen, ist der tiefere Sinn der Vorsorge für das eigene Lebensende.
Es ist daher sinnvoll, auf der Grundlage des eigenen Lebensentwurfs und der eigenen Wertvorstellungen sich bereits in gesunden Tagen ‒ erst recht aber im Zustand beginnender chronischer, zumal fortgeschrittener Krankheit ‒ Gedanken über das eigene Lebensende zu machen: Was wünsche und will ich für den Fall eigener Einwilligungs- beziehungsweise Entscheidungsunfähigkeit? Will ich in aussichtsloser Krankheit wiederbelebt, künstlich ernährt oder dialysiert werden? Will ich, dass ebendies unterbleibt? Mein Leben also nicht unter allen Umständen erhalten werden soll? Oder wünsche ich vielmehr ‒ unabhängig von der noch zu erwartenden Lebenszeit ‒ maximale Linderung aller Symptome und damit bestmögliche Lebensqualität? Wäre hospizliche Versorgung eine Option? Begleitung durch einen Geistlichen?
Diesen höchst persönlichen Fragen und Vorstellungen, die man am besten zunächst mit sich selbst, sodann mit einem Arzt seines Vertrauens, mit Angehörigen und Freunden erörtert, kann eine Patientenverfügung für den Fall des Verlusts der freien Willensbildung Ausdruck und Form verleihen. Glücklicherweise sind 90 Prozent aller sterbenden Menschen bis kurz vor ihrem Todeszeitpunkt selbstbestimmungsfähig wie auch selbstbestimmungsberechtigt, sodass eine Patientenverfügung beziehungsweise die Wahrnehmung der eigenen Interessen durch einen Vertreter nicht zum Tragen kommen.
Ein Vertreter ist im Falle des Verlusts eigener Willensbildung befugt, für den Patienten ‒ in seinem Sinne ‒ zu entscheiden beziehungsweise seinem mündlich geäußerten Willen oder seiner schriftlich niedergelegten Patientenverfügung zu Ausdruck und Geltung zu verhelfen. Der Vertreter kann mittels einer Vorsorgevollmacht als Bevollmächtigter vom Patienten selbst eingesetzt werden, oder das Betreuungsgericht bestimmt auf seinen Antrag hin einen Betreuer (Einzelheiten siehe weiter unten).
Voraussetzungen für eine verbindliche Patientenverfügung
Eine Patientenverfügung ist definiert als eine schriftliche, für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit getroffene Vorausfestlegung eines urteilsfähigen Volljährigen über die Einwilligung oder Untersagung bestimmter, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehender Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztlicher Eingriffe.
Ihr Verfasser muss die Festlegungen gerade für diejenigen Lebens- und Behandlungssituationen getroffen haben, die aktuell zu entscheiden sind. Die Äußerung innerhalb einer Patientenverfügung, in bestimmten Krankheitssituationen »lebenserhaltende Maßnahmen« zu untersagen, ist nach jüngster BGH-Rechtsprechung nicht unbedingt hinreichend. Diese Maßnahmen sind am besten dahingehend zu konkretisieren, dass zum Beispiel eine Wiederbelebung, künstliche Ernährung oder Beatmung, Antibiotikatherapie, Dialyse oder die Verlegung auf eine Intensivstation nicht gewollt sind. Um hier irrige oder juristisch unwirksame Formulierungen zu vermeiden, sollten unbedingt vorgedruckte Formulare verwendet werden (zum Beispiel die Bayerische Patientenverfügung, siehe Anhang). Seine Festlegungen zu begründen oder nicht steht ihrem Verfasser frei.
Die schriftliche Fixierung der eigenen Wertvorstellungen und Behandlungswünsche muss formal den Vorschriften des § 1901a Abs. 1 BGB, Patientenverfügung entsprechen. Man sollte auch deswegen keine eigenen Formulierungen, sondern »wasserdicht« formulierte Vordrucke verwenden. So wird die Umsetzung der Patientenverfügung nicht an fehlerhaften oder unscharfen Formulierungen scheitern (Vordruck siehe Anhang).
Die Festlegungen dürfen nicht gegen ein gesetzliches Verbot (zum Beispiel § 216 StGB, Tötung auf Verlangen) oder gegen die sogenannten »guten Sitten« (zum Beispiel Wunsch, nach Eintritt des Todes verstümmelt zu werden) verstoßen.
Es dürfen keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Patientenverfügung unter äußerem Druck oder aufgrund eines Irrtum oder einer Täuschung zustande gekommen ist.
Die Festlegungen dürfen zuvor nicht widerrufen worden sein.
Patientenverfügung und Organspende: kein Widerspruch!
Voraussetzung für eine Organspende ist nach deutschem Recht die Feststellung des unumkehrbaren Todes des gesamten Gehirns (»Hirntod«), der mit absoluter Sicherheit festgestellt werden kann. Es können aber nur dann Organe entnommen werden, wenn nach der Feststellung des Gesamttods der Kreislauf und damit die Durchblutung der Organe durch künstliche Beatmung aufrechterhalten werden. Das bedeutet die Verlegung auf eine Intensivstation zum Zweck der Organerhaltung für eine erfolgreiche Transplantation (die sogenannte »Organprotektion«). Dort können die Angehörigen Abschied nehmen. Nach Eintreten des Hirntods und dessen Diagnose werden dem beatmeten Patienten Organe zum Zweck der Transplantation entnommen, erst dann wird die Beatmung beendet und der Tote den Angehörigen zur Bestattung übergeben.
Ein solches Vorgehen setzt natürlich die Beachtung der Patientenverfügung beziehungsweise des von den Angehörigen den Ärzten mündlich übermittelten Patientenwillen voraus und zudem das ärztliche Urteil, dass der Tod des Patienten auch ohne Maßnahmen der Lebensverlängerung eintreten wird.
Hat sich ein Patient in einer Patientenverfügung (oder mündlich) gegen Maßnahmen der Lebensverlängerung in der aktuell vorliegenden Situation ausgesprochen, widerspricht das dargestellte Vorgehen dem Patientenwillen. Um eine solche Konfliktsituation aufzuheben, sollte der Verfasser einer Patientenverfügung ‒ ergänzend zu einem eventuell schon vorhandenen Organspendeausweis – zusätzlich eine schriftliche Erklärung abgeben, in der er sein Einverständnis zur Organentnahme erklärt (siehe Anhang).
Meist kommt allerdings eine Organentnahme bei Personen, die in ihrer Patientenverfügung die künstliche Lebensverlängerung untersagt haben, nicht in Betracht. Zum einen, weil Patienten mit Tumorerkrankungen und bestimmten Infektionen (zum Beispiel HIV) von einer Organentnahme zu Transplantationszwecken von vornherein ausgeschlossen sind; zum anderen sind bei Eintritt des natürlichen Todes oftmals die Organe nicht mehr für eine Transplantation geeignet, wenn etwa gemäß dem Willen des Patienten längere Zeit eine künstliche Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit unterblieben ist. So ist zu erklären, dass eine Organentnahme in etwa einem Dreiviertel aller Fälle bei akut versterbenden Patienten vorgenommen wird, entweder Unfallopfern mit Schädelhirnverletzungen, die nicht mit dem Leben vereinbar sind, oder Patienten mit akuten ausgedehnten Hirnblutungen.
Weitere Leitsätze zur Patientenverfügung
Grundsätzlich unterliegt der Patientenwille keinem Formzwang! Die Patientenverfügung (als schriftlich niedergelegter Patientenwille) stellt nur eine Möglichkeit dar, den Willen ihres Verfassers verbindlich zum Ausdruck zu bringen. Mündlich im Voraus geäußerte Behandlungswünsche eines aktuell willensunfähigen Patienten sind, wenn sie glaubhaft und begründet vorgebracht werden, rechtlich ebenso verbindlich wie der schriftlich niedergelegte Wille...