Mit Gedanken umgehen
„Du kannst nicht verhindern, dass die Vögel der Besorgnis über deinem Kopf fliegen, aber du kannst verhindern, dass sie sich auf deinem Kopf ein Nest bauen.“
Martin Luther
Worauf Sie beim Umgang mit Gedanken achten sollten
Wenn Sie beim Üben versuchen, sich auf einen Aspekt zu konzentrieren, ist es gut möglich, dass der Geist besonders unruhig ist und umherwandert. Es scheint so, als könne eine wirkliche Konzentration nicht möglich sein. Dies ist, besonders anfänglich, eine ganz normale Reaktion, von der Sie sich nicht verunsichern lassen dürfen. Gehen Sie einfach davon aus, dass es fast allen Menschen am Anfang so geht. Vergleichbar ist dies mit wilden Tieren, die eingefangen werden sollen. Will man so ein Tier auch noch anbinden, wehrt es sich umso heftiger. Ähnlich ist der Prozess im Umgang mit den Gedanken. Versucht man, sie an ein Thema oder an Stille „anzubinden“, werden sie aufmüpfig und wehren sich, werden im Zweifel erst mal intensiver. Würde man, um den Prozess zu beschleunigen, auf das Tier gar mit einem Stock einschlagen, anstatt abzuwarten bis es sich beruhigt hat, würde es noch wilder reagieren. Ähnlich verhält sich unser Geist. Versuchen Sie deshalb nicht, ihn mit Anstrengung unter Kontrolle zu bringen, sondern beobachten Sie, wie er sich nach einer Weile wieder beruhigt und Gedanken als solche erkennt und nicht mehr so wichtig nimmt. Das besondere an dieser Erkenntnis ist: Gedanken können ihre Macht verlieren!
Ein anderes entlastendes Bild ist es, die Gedanken mit Affen, die sich von Baum zu Baum hangeln, zu vergleichen. Manchmal springen sie innerhalb eines Baumes hin und her und manchmal von Baum zu Baum. So ist es mit unseren Gedanken: Manchmal springen sie innerhalb eines Themenkreises hin und her, manchmal aber auch zwischen sehr unterschiedlichen Themen – ohne erkennbares System. Versuchen Sie, so freundlich wie möglich auf Entdeckungsreise zu gehen und ihren Geist und die damit verbundene gedankliche Unruhe wahrzunehmen, auszuhalten und langfristig zu bändigen.
Auf das Hören konzentrieren, Einstiegsübung
Hören Sie, was gerade hörbar ist. Strengen Sie sich nicht an, lassen Sie sich nicht stören. Die Geräusche gelangen zu Ihren Ohren, so wie sie in diesem Moment entstehen. Machen Sie sich klar, dass die meisten Geräusche einen Anfang und ein Ende haben. Es mag sein, dass Sie bestimmte Geräusche bevorzugen und andere ablehnen. Werden Sie sich dieser Bewertung bewusst. Versuchen Sie, sich auch klar zu machen, dass Sie die Geräusche nicht machen, sondern dass Sie sie nur wahrnehmen und die Reaktion darauf beeinflussen können. Natürlich ist der Geist gedanklich unterwegs. Schauen Sie, wohin Ihre Gedanken Sie tragen. Gedanken sind nur Gedanken, sie haben mit der Gegenwart häufig nichts zu tun, sie sind Konstrukte unseres Gehirns. Und wenn Sie sich zum hundertsten Mal beim Denken ertappen, nutzen Sie die Gelegenheit und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit erneut auf das Hören aus. Was hören Sie in diesem Moment? Machen Sie sich klar, dass die Geräusche in der Gegenwart stattfinden und ein guter Anker sind, sich mit dem Jetzt zu verbinden. Genauso ist es mit dem Atem, auch er findet ausschließlich in der Gegenwart statt. Versuchen Sie nun, die Aufmerksamkeit nach innen zu richten und den Atem als Anker zu nutzen. Der Atem ist die andauernde Verbindung von innen nach außen. Verändern Sie Ihren Atem nicht, sondern beobachten Sie, wie er gegenwärtig fließt, vielleicht ruhig, tief oder eher oberflächlich. Versuchen Sie, die Aufmerksamkeit noch eine Weile beim Atem zu halten. Falls Sie sich erneut in Gedanken verlieren, nehmen Sie dies freundlich zur Kenntnis und atmen Sie bewusst weiter.
Denken, denken, denken …
Nehmen Sie sich einfach ein wenig Zeit, konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem und beobachten Sie sich beim Denken. Indem man seine Gedanken beobachtet, ohne permanent in sie verstrickt zu sein, oder den Aufforderungen folgt, die das Denken an einen stellt, erfährt man viel über sich selbst. Achtsamkeit führt dazu, dass man diesen Gedankenstrom, der unaufhörlich produziert wird, an sich vorbeiströmen lässt. Wir müssen nicht jedem Gedanken folgen, wir müssen nicht jeder Aufforderung zur Tätigkeit folgen. Was ist es also, was uns auffordert, den Reizen, die unaufhörliches Denken mit sich bringt, zu widerstehen und das Denken einfach zu beobachten? Diese Frage kann nur jeder für sich selbst beantworten. Es beginnt eine Reise nach innen. Nichts, was man bisher dachte, was von außen kommt, ist wirklich wichtig. Sicherlich ist es gut, wenn man Freunde hat, eine Familie, materielle Dinge. Aber sie sind nicht so wichtig, wie man denkt, zumindest nicht in dem Ausmaß, wie man es sich vorstellt. Unser Lebensglück und unsere Zufriedenheit liegen nicht ausschließlich außerhalb unserer Person, sondern in erster Linie in uns. Unser Denken kann uns dieses Lebensglück nehmen, aber auch wieder zurückgeben. Wir können uns dann in uns, in unserer Haut wieder zu Hause fühlen. Denken erschafft ständig neue Welten, es reißt aber auch ständig Welten ein. Insofern sind wir die Schöpfer unserer eigenen Welt.
„Weißer Raum mit zwei Türen“, Imagination
Stellen Sie sich Ihren Kopf als einen leeren, mit weißem Licht erfüllten Raum vor.
Es gibt zwei gegenüberliegende Türen, die zwar geschlossen sind, aber nicht verschlossen.
Stellen Sie sich nun Ihre Gedanken vor, wie sie von draußen zu Besuch in den schönen, hellen und leeren Raum drängen. Wenn Sie versuchen, die Tür von innen zuzuhalten, wird es außen einen Stau geben, ein Drängen und Gerangel. Tatsache ist, die Gedanken sind neugierig und begehren alle, in diesen hellen, schönen Raum zu gelangen.
Versuchen Sie, sich nun vorzustellen, wie Sie nach und nach die Türe auf der rechten Seite, von innen öffnen und einen oder auch mehrere Gedanken hereinlassen. Finden Sie heraus, um welche Art Gedanken es sich handelt. Gedanken können Sorgen, Hoffnungen, Wünschen oder anderen Überschriften zugeordnet werden. Dann öffnen Sie die Tür auf der gegenüberliegenden Seite. Die identifizierten und somit bekannten Gedanken können, wenn Sie sie nicht am Gehen hindern, den hellen Raum verlassen. Man kann sogar, wenn man sich dies gestattet, ein wenig beim Verabschieden nachhelfen.
Machen Sie dies von Zeit zu Zeit mit den draußen wartenden Gedanken. Schauen Sie einfach öfter nach, was noch draußen steht. Manchmal wird es großen Andrang geben und manchmal warten draußen keine Gedanken. Seien Sie dann nicht enttäuscht. Kommen Sie in Bewegung und investieren Sie Ihre Kraft nicht in das Zuhalten der Tür von innen. Tun Sie dies in Ihrer Vorstellung mit einer guten Portion Humor.
Sie können nun, falls Sie sich in einem entsprechenden Kontext befinden, dieses Thema gestalterisch zum Ausdruck bringen.
Sie möchten sich diese Übung gerne anhören?
„Wasserfall“, Imagination
Lassen Sie Gedanken oder gar eine Gedankenflut vor Ihrem inneren Auge auftauchen und vergleichen Sie diese mit einem heftigen Wasserfall.
Stellen Sie sich nun vor, Sie sind ein Teil desselben und werden mit voller Wucht mitgerissen, völlig haltlos. Nehmen Sie jetzt in Ihrer Fantasie auf einem Felsen neben oder hinter dem Wasserfall Platz. Beobachten Sie, wie alles an Ihnen vorbeistürzt. Sie können die Wucht spüren, aber Sie sind nicht mehr im freien Fall. Sie werden vielleicht nass, aber nicht mehr mitgerissen.
Spüren Sie noch eine kurze Zeit nach, wie es sich mit der Vorstellung des veränderten Bildes anfühlt.
Gegebenenfalls können Sie die Gelegenheit nutzen, das Erlebte oder Vorgestellte in beliebiger Form gestalterisch auszudrücken.
Manchmal gehen wir wie benommen durchs Leben, befinden uns in einer Art Halbschlaf. Wir sind oft insgesamt unzufrieden, bisweilen unglücklich. Den ganzen Tag gehen uns beliebige, belanglose oder gar belastende Gedanken durch den Kopf. Wir können somit nicht sehen, was wir wirklich erleben.
Den meisten Menschen ist überhaupt nicht bewusst, dass sie dauernd denken. Das Denken ist zumeist ungenau, chaotisch sprunghaft und auch widersprüchlich, aber fast immer aktiv. Gedanken sind wie das Wetter: stürmisch, klar, neblig, warm, kalt.
Im Rahmen der Übungen wird immer wieder versucht, die Aufmerksamkeit zu lenken. Das Wegdriften der Aufmerksamkeit von einem Meditationsobjekt ist kein Fehler, sondern sehr natürlich und passiert allen Menschen. Eine häufige Erkenntnis ist: „Ich bin nicht meine Gedanken, ich habe welche.“ Identifizieren Sie sich also nicht mit Ihren Gedanken. Das klingt zunächst banal, die Tatsache ist aber häufig schon sehr entlastend.
Ein erster Schritt ist es, Distanz zu entwickeln. Distanz benötigt man, um sich davor zu schützten, sich in seine Gedanken zu verstricken oder sich darin zu verlieren. Erschwerend kommt die Tatsache, dass an vielen Gedanken intensive Gefühle hängen, hinzu. Wenn man sich darin verloren...