Einleitung
Der Mann, der von Idioten umgeben war
Ich ging schon aufs Gymnasium, als ich so richtig entdeckte, dass ich mich mit manchen Menschen viel besser verstand als mit anderen. Mit einigen Freunden konnte ich mich ganz leicht unterhalten, wir fanden stets die richtigen Worte, und alles lief locker und glatt. Es gab nie irgendwelche Konflikte, und wir mochten einander. Mit anderen hingegen lief alles schief. Vieles, was ich sagte, stieß auf taube Ohren, und ich begriff nicht, wieso.
Warum war es so einfach, mit manchen Leuten zu reden, während andere einfach Vollpfosten waren? Da ich noch so jung war, bereitete mir das zwar keine schlaflosen Nächte. Aber ich erinnere mich doch noch an einige Erlebnisse, nach denen ich rätselte, warum manche Gespräche leicht und flüssig liefen, während andere gar nicht erst in Gang kamen – ganz gleich, wie ich mich verhielt. Das war mir unbegreiflich. Ich weiß noch, dass ich dann begann, die Menschen mit verschiedenen Methoden zu testen. Ich fing an, in ähnlichen Kontexten die gleichen Dinge zu sagen, nur um zu sehen, welche Reaktion ich damit auslöste. Manchmal geschah tatsächlich das, was ich mir erhofft hatte – es entwickelte sich eine interessante Diskussion, aber bei anderen Gelegenheiten ereignete sich gar nichts. Die Menschen starrten mich einfach nur an, als käme ich von einem anderen Stern, und manchmal fühlte ich mich auch so.
In der Jugend sind die meisten Dinge ziemlich einfach. Dass bestimmte Leute in meinem Freundeskreis normal reagierten, hieß natürlich, dass sie automatisch die Guten waren. Und mit denen, die mich nicht verstanden, war etwas verkehrt. Eine andere Erklärung gab es dafür ja wohl nicht, oder? Ich war schließlich immer derselbe. Folglich stimmte mit manchen Leuten einfach etwas nicht. Allmählich begann ich mich schlicht von ihnen fernzuhalten, weil ich sie nicht verstand. Das können Sie als jugendliche Naivität bezeichnen, wenn Sie wollen, aber es hatte einige amüsante Folgen. In späteren Jahren hat sich all das leider geändert.
Und so ging das Leben weiter mit Arbeit, Familie und Beruf, und ich sortierte die Menschen weiterhin in Gute und Vernünftige einerseits, und solche, die für mein Empfinden überhaupt nichts verstanden hatten, andererseits.
Als ich 25 Jahre alt war, lernte ich eines Tages einen Mann kennen, der selbstständig war. Sture war in den Sechzigern, hatte früh eine eigene Firma gegründet und sie über viele Jahre hinweg ausgebaut. Ich bekam die Aufgabe, ihn zu interviewen, kurz ehe ein bestimmtes Projekt durchgeführt werden sollte. Zu Beginn sprachen wir darüber, wie es in seinem Unternehmen lief. Eine der ersten Äußerungen von Sture war, dass er von lauter Idioten umgeben sei. Ich erinnere mich noch, dass ich damals gelacht habe, weil das in meinen Ohren erheiternd klang. Aber er meinte es bitterernst. Sein Gesicht lief dunkelrot an, als er mir erklärte, dass die Leute, die in Abteilung A arbeiteten, allesamt komplette Idioten seien. In Abteilung B saßen lauter Dummköpfe, die überhaupt nichts kapierten. Und von Abteilung C hatte er noch nicht einmal angefangen zu reden. Die Leute dort waren die Schlimmsten von allen, weil sie dermaßen merkwürdig waren, dass Sture sich nicht vorstellen konnte, wie sie es morgens überhaupt zur Arbeit schafften.
Je länger ich ihm zuhörte, desto klarer wurde mir, dass an seiner Geschichte etwas völlig abwegig war. Ich fragte ihn, ob er glaube, dass er tatsächlich von Idioten umgeben sei. Er funkelte mich böse an und erklärte, dass nur die wenigsten seiner Angestellten wirklich ihr Geld wert wären.
Außerdem teilte Sture seinen Angestellten freimütig mit, was er von ihnen hielt. Er hatte keinerlei Hemmungen, jemanden vor der ganzen Belegschaft als Idioten zu bezeichnen. Das führte unter anderem dazu, dass sich seine Angestellten von ihm fernhielten. Niemand führte freiwillig ein Gespräch unter vier Augen mit ihm, weil sich alle vor ihm fürchteten, und er erfuhr nie schlechte Nachrichten, weil er oft genug seinen Unmut an deren Überbringer ausließ. In einem seiner Firmengebäude hatte man am Eingang sogar ein Warnlämpchen angebracht – diskret über dem Empfangstresen; es leuchtete rot, wenn der Chef im Haus war, und grün, wenn er nicht da war.
Alle wussten das. Nicht nur die Mitarbeiter, sondern sogar die Kunden warfen stets automatisch einen Blick auf das Lämpchen, damit sie wussten, womit sie zu rechnen hatten, wenn sie über die Schwelle traten. War das Licht rot, machten manche Leute gleich an der Tür wieder kehrt und beschlossen, zu einem günstigeren Zeitpunkt noch einmal wiederzukommen.
Wie wir alle wissen, hat man in jungen Jahren den Kopf voll brillanter Ideen. Folglich stellte ich die einzige Frage, die mir dazu einfiel: »Wer hat denn all diese Idioten in die Firma aufgenommen?« Mir war natürlich klar, dass er die allermeisten von ihnen selbst eingestellt hatte. Und das Schlimmste war, dass Sture begriff, was ich begriffen hatte. Implizit fragte ich damit: Wer ist hier eigentlich der größte Idiot?
Sture warf mich hinaus. Später erfuhr ich, dass er sich am liebsten eine Flinte geschnappt und mich abgeknallt hätte.
Dieser Vorfall machte mich nachdenklich. Hier hatte ich es mit einem Mann zu tun, der bald in den Ruhestand gehen würde. Er war offenkundig ein tüchtiger Unternehmer, der wegen seiner umfassenden Kenntnisse in seinem Geschäftsbereich großes Ansehen genoss. Aber genau genommen konnte er nicht mit Menschen umgehen. Er konnte die einzige Ressource in einer Organisation nicht verstehen, die man nicht kopieren konnte – die Angestellten. Folglich waren diejenigen, die er nicht verstand, Idioten.
Da ich außerhalb der Firma stand, erkannte ich ohne Weiteres, wie falsch sein Denken war. Sture begriff nicht, dass er immer von sich selbst ausging und folglich alle, die nicht so funktionierten wie er, für Idioten hielt. Er benutzte Ausdrücke, mit denen auch ich oft bestimmte Arten von Menschen bedacht hatte: verdammte Schwätzer, pedantische Korinthenkacker, ungehobelte Klötze und langweilige Hohlköpfe. Zwar würde ich nie jemanden als Idioten bezeichnen, aber auch ich hatte offenkundig Probleme mit bestimmten Menschtypen.
Ich stellte es mir abscheulich vor, ein Leben lang denken zu müssen, ich sei von Menschen umgeben, mit denen man unmöglich arbeiten konnte. Denn das würde die Verwirklichung meines eigenen Potenzials im Leben unglaublich einschränken.
Ich versuchte mich selbst in diesem Spiegel zu sehen. Die Entscheidung fiel mir leicht: Ich wollte nicht wie Sture werden.
Nach einem besonders niederschmetternden Meeting mit ihm und einigen seiner unglückseligen Kollegen saß ich mit einem Knoten im Magen im Auto. Das Meeting war eine einzige Katastrophe gewesen. Alle waren stocksauer. Noch an Ort und Stelle fasste ich den festen Entschluss, das wahrscheinlich wichtigste Wissen überhaupt zu erwerben – wie Menschen funktionieren. Da ich mein ganzes restliches Leben lang immer mit Menschen zu tun haben würde – ganz gleich, welchen Beruf ich ergriff –, war leicht einzusehen, dass mir diese Qualifikation von Nutzen sein würde.
Gesagt, getan. Ich begann mich damit zu befassen, wie man diejenigen verstehen kann, die einem anfangs schwer verständlich vorkommen. Warum schweigen manche, während andere unaufhörlich reden; warum sagen manche immer die Wahrheit, während andere das nie tun? Warum kommen einige meiner Kollegen immer pünktlich, andere hingegen höchst selten? Warum mochte ich manche Menschen lieber als andere? Denn das war tatsächlich so. Die Erkenntnisse, die ich allmählich gewann, waren faszinierend, und seit ich diesen Weg eingeschlagen habe, bin ich nicht mehr wie vorher. Das Wissen, das ich erworben habe, hat mich als Menschen, als Freund, als Kollegen, als Sohn, als Ehemann und als Vater meiner Kinder verändert.
Dieses Buch stellt Ihnen die vielleicht meistverwendete Methode der Welt vor, Unterschiede in der menschlichen Kommunikation zu beschreiben. Ich setze schon seit über 20 Jahren verschiedene Varianten dieses Werkzeugs ein und habe damit hervorragende Ergebnisse erzielt.
Wir haben alle Erfahrungen mit Menschen, und wir haben alle Vorstellungen davon, wie Kommunikation funktioniert.
Wie wird man wirklich kompetent darin, mit unterschiedlichen Arten von Menschen geschickt umzugehen? Natürlich gibt es dafür mehrere Methoden. Die meist angewandte ist naturgemäß, sich in das Thema hineinzuknien und sich die Grundlagen anzueignen. Doch die Theorie zu erlernen macht Sie noch nicht zu jemandem, der auf Spitzenniveau kommunizieren kann. Erst wenn Sie dieses Wissen anzuwenden beginnen, können Sie eine echte Kompetenz auf diesem Gebiet entwickeln, die geschmeidig funktioniert. Es ist wie beim Radfahrenlernen – Sie müssen zunächst einmal auf das Fahrrad steigen. Erst dann wird Ihnen klar, was Sie tun müssen.
Seit ich zu erforschen begann, wie Menschen ticken, und mich mit Sorgfalt darum bemühte, die Unterschiede zwischen ihnen verstehen zu lernen, habe ich mich sehr verändert. Ich urteile nicht mehr so kategorisch und verurteile niemanden, weil er nicht so ist wie ich. Schon seit vielen Jahren ist meine Geduld mit Menschen, die das genaue Gegenteil von mir sind, wesentlich größer als früher. Ich würde nicht so weit gehen, zu behaupten, dass ich nie mehr in einen Konflikt verwickelt werde, und ich würde Sie auch nie davon zu überzeugen versuchen, dass ich niemals lüge, aber beides ist inzwischen sehr selten geworden.
Eines habe ich Sture zu verdanken: Er hat mein Interesse an dem Thema geweckt. Ohne ihn wäre dieses Buch wahrscheinlich nie geschrieben worden. Und übrigens: Damit sich das Buch leichter liest, habe ich durchgängig...