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Alzheimer & Demenzen verstehen

Diagnose, Behandlung, Alltag, Betreuung

AutorFrank Jessen, Jörg B. Schulz, Kathrin Reetz, Sascha Weggen, Wolfgang Maier
VerlagTrias
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783432108520
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Der Ratgeber der führenden Experten Deutschlands Wenn ein Familienmitglied an Alzheimer oder einer anderen Demenzform erkrankt, ist der Schock bei den Angehörigen groß. Denn kaum eine andere Erkrankung wirft so viele Fragen über das weitere Leben auf wie der allmähliche Verlust des Gedächtnisses und der Persönlichkeit. Dieses Buch gibt Menschen in der schwierigen ersten Zeit Rat, Hilfe und Orientierung. Dafür stehen Deutschlands Top-Experten aus dem renommierten Kompetenznetz Degenerative Demenzen. Sie finden in diesem Buch: - Diagnose und Behandlung: Wie eine sichere Diagnose gestellt wird, welche Möglichkeiten die moderne Medizin bietet, wie die Krankheit verläuft. Und wie Sie als Angehörige den Patienten unterstützen können. - Alltag: Wie kann das Zusammenleben mit einem Demenz-Patienten gelingen? Lernen Sie die verschlossene Welt des Patienten besser kennen und geben Sie ihm mit vielen kleinen Hilfen Halt. - Betreuung: Erfahren Sie alles über die vielfältigen Betreuungs- und Hilfsangebote, die Sie zur optimalen Pflege des Patienten, aber auch zu Ihrer Entlastung nutzen können.

Prof. Dr. Wolfgang Maier ist Psychiater und Psychotherapeut. Er war Sprecher der BMBF-geförderten Medizinischen Kompetenznetze zur Erforschung der Demenzen und ist federführender Herausgeber der für dieses Thema in Deutschland maßgebenden medizinischen Fachzeitschrift »Der Nervenarzt« und des BMBF-geförderten Kompetenznetzes »Demenzen«. Er ist auch Mitherausgeber des »European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience« und Sprecher der Steuerungsgruppe der S3-Leitklinien »Demenzen« der DGPPN und DGN. Zudem war er Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn. Anfang 2018 wurde er emeritiert. Prof. Dr. Jörg B. Schulz ist Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum der RWTH Aachen. Seine klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in der Erforschung und Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen (Alzheimer, Parkinson, Ataxien). Er ist Herausgeber des »Journal of Neurochemistry«. Prof. Dr. Sascha Weggen ist Biologe und Grundlagenwissenschaftler. Als Professor für Molekulare Neuropathologie beschäftigt er sich an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf mit den molekularen Ursachen der sporadischen und genetischen Formen der Alzheimer-Krankheit. Prof. Dr. Frank Jessen ist Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Köln. Er ist ferner assoziierter Forscher am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und Hauptautor der S3-Leitlinie »Demenzen« der DGPPN und DGN. Prof. Dr. Kathrin Reetz ist Leitende Oberärztin der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum RWTH Aachen. Im Rahmen ihres klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunktes der neurodegenerativen Erkrankungen leitet sie dort seit 8 Jahren die Neurologische Gedächtnisambulanz.

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Leseprobe

1 Woran erkennt man eine Demenz?


Demenzen gehen mit der fortschreitenden Abnahme geistiger Leistungsfähigkeiten einher. Betroffen sind dabei viele lebenswichtige Funktionsbereiche.

Beeinträchtigt werden Gedächtnis, Denken, Auffassung, Lernfähigkeit und Urteilsvermögen, später dann auch Orientierung, Wahrnehmung und Sprache. Meistens jedoch gehören diese Leistungsabnahmen zum natürlichen Alterungsprozess. Denn auch im »gesunden Altern« ist das Nachlassen geistiger Leistungsfähigkeit unvermeidbar. Die Geschwindigkeit, mit der man Neues aufnehmen kann, nimmt mit dem Alter ab, und für die Bewältigung von Aufgaben benötigt man mehr Zeit. Ein gewisses alterungsbedingtes Nachlassen der geistigen Leistungsfähigkeit (z. B. schlechter werdendes Namensgedächtnis) ist naturgegeben. Auch die Tatsache, dass einem manchmal ein Name oder ein bestimmtes Wort nicht einfällt oder man eine Telefonnummer vergisst, ist normal und passiert auch jüngeren Menschen ab und zu. Ein mit dem Alter einhergehender Leistungsabbau begründet also für sich alleine noch keine Demenz. Entscheidend für das Vorhandensein einer Demenz sind vielmehr Beeinträchtigungen des Alltagslebens aufgrund des Leistungsabbaus und eine deutlich herabgesetzte geistige Leistungsfähigkeit im Vergleich zur überwiegenden Mehrheit von Menschen gleichen Alters.

Der Übergang von »normaler Vergesslichkeit« zu einer Demenzerkrankung geschieht meist schleichend. Doch ab einem gewissen Beeinträchtigungsgrad fallen typische Veränderungen auf.

1.1 Welche typischen Warnzeichen gibt es?


Bei Demenzen ist besonders häufig und frühzeitig das Gedächtnis betroffen. Es gibt eine Reihe von Warnzeichen, die auf eine mögliche Gedächtnisstörung hinweisen. Viele von ihnen erscheinen zunächst banal oder sind jedem aus seiner eigenen Erfahrung heraus vertraut. Wer hat nicht schon einmal seinen Schlüssel verlegt, stand im Supermarkt und wusste nicht mehr, was er eigentlich einkaufen wollte, oder konnte sich nicht mehr an den Namen eines Nachbarn erinnern?

Wenn sich diese Merkmale über einen Zeitrahmen von sechs Monaten häufen, wenn sie sich kombinieren und wenn es zu raschen Verschlechterungen kommt, dann ist es Zeit, einen Arzt aufzusuchen. Die erste Aufgabe ist es dann, die mögliche Ursache abklären zu lassen.

1.1.1 Erinnerungsvermögen und Kurzzeitgedächtnis verschlechtern sich


  • Man kann sich an kurz zurückliegende Ereignisse nicht mehr erinnern: So stellen Demenzkranke wiederholt dieselbe Frage, obwohl sie die Antwort bereits erhalten haben. Oder sie erzählen das Gleiche mehrmals.

  • Gegenstände, die man täglich braucht (z. B. Schlüssel, Geldbeutel), werden verlegt, also an irgendeiner Stelle abgelegt und nicht mehr wiedergefunden.

  • Man vergisst Termine, Absprachen oder Telefonnummern in einem bisher ungewohnten Umfang.

  • Das Erledigen von Routineaufgaben in Beruf oder Haushalt bereitet plötzlich Probleme, dies gilt v. a. für Aufgaben, die eine Abstimmung zwischen verschiedenen Zielen erfordert, z. B. bei der Vorbereitung oder beim Antritt einer Reise, wenn verschiedene Terminvorgaben (Flug, Taxi), Sicherheitsbedürfnisse (Wohnung, Reisegepäcksicherung) und Abläufe gleichzeitig unter zeitlichem Druck zu beachten sind.

Was ist Demenz?

»Demenz« ist der Überbegriff für eine Gruppe von altersbedingten Erkrankungen, die mit behindernden Einschränkungen von geistigen Fähigkeiten einhergehen. Der Krankheitsverlauf ist ganz überzeugend fortschreitend. Zwischenzeitliche Erholungsphasen, leichte Besserungen und vorübergehender Stillstand des Krankheitsgeschehens sind möglich. Es gibt etwa 50 verschiedene Formen von Demenz. Demenz ist eine Krankheit, die zu bekämpfen ist. Demenz kennzeichnet nicht den natürlichen Prozess der Alterung.

1.1.2 Orientierungsstörungen


  • Dinge werden an ungewöhnliche Orte gelegt: der Geldbeutel in den Kühlschrank oder die Schuhe ins Bett.

  • Die gewählte Kleidung ist unpassend. Es kann z. B. sein, dass im Hochsommer ein Wintermantel getragen wird.

  • Die rechtzeitige Medikamenteneinnahme gelingt nur noch gelegentlich oder gar nicht, auch vorbereitete Medikamente werden verwechselt.

  • Das Datum oder der jeweilige Aufenthaltsort können nicht mehr fehlerfrei abgerufen werden.

  • Betroffene verlaufen sich in vertrauter Umgebung. Sie finden den Weg zur Wohnung oder zum Kiosk an der Ecke nicht mehr.

  • Der Schlaf-wach-Rhythmus ist gestört. Während des Tages fühlen sich Betroffene müde, nachts können sie nicht schlafen.

1.1.3 Sprachstörungen


  • Das spontane Reden und Sprechen verarmt, die aktive Teilnahme an Gesprächen nimmt ebenso ab wie der Wunsch, sich mitzuteilen.

  • Es fällt zunehmend schwerer, Gesprächen, Fernseh- oder Radiosendungen zu folgen. Es treten also Verstehensprobleme auf. Man kann die Bedeutung des Gesagten nicht mehr entschlüsseln. Einerseits erkennt der Betroffene einige Wörter nicht mehr, andererseits überfordert ihn die Geschwindigkeit, mit der die Wörter beim normalen Sprechen genannt werden. Er kann sie nicht mehr so schnell erkennen, dass er dem normalen Redefluss folgen könnte.

  • Wortfindungsstörungen: Der Betroffene hat Schwierigkeiten, Dinge zu benennen und passende Worte zu finden: Der »Park« wird zum »Ort, an dem es so grün ist, der mit den ganzen Blumen und Bäumen«; statt »Geldbeutel« sagen sie: »Das Ding, in dem mein Geld ist«. In dem Moment, in dem man es brauchte, fällt einem das passende Wort nicht ein.

  • Aufgabenlisten oder Anweisungen (z. B. für Einkäufe, Telefonate oder einfache Hausarbeiten) werden nicht mehr verstanden und daher auch nicht umgesetzt.

  • Hinweise (z. B. Beipackzettel von Arzneimitteln oder Gebrauchsanleitungen) können nicht mehr angemessen befolgt werden.

1.1.4 Konzentration und Denkprozesse sind beeinträchtigt


  • Man kann sich wesentlich schlechter konzentrieren als früher.

  • Man fühlt sich leichter abgelenkt, z. B. wenn der Fernseher läuft und man selbst etwas lesen will.

  • Entscheidungen und Überlegungen fallen einem schwerer. Der Betroffene verliert immer mehr seine Entschlusskraft. Das Planen von Aufgaben oder Erledigungen funktioniert zunehmend schlechter. Was soll ich anziehen? Was soll ich kochen? Was muss ich dafür einkaufen? Einfache Fragen werden zum Problem.

  • Man kann Situationen, die schnelles, umsichtiges Handeln erfordern, nicht mehr so leicht überblicken und reagiert infolgedessen falsch oder zu langsam. Das fällt häufig beim Autofahren auf: Situationen im Straßenverkehr werden falsch eingeschätzt. Auch in anderen komplexen Handlungssituationen kommt es zu früher ungewohnten Fehlleistungen. Denn bei einer Demenz tritt eine geistige Verlangsamung auf. Die Geschwindigkeit, mit der man Informationen verarbeiten kann, nimmt ab.

  • In diesem Zusammenhang stehen auch die Lese-, Schreib- und Rechenstörungen, die im Verlauf der Erkrankung auftreten. Man versteht Gelesenes nicht mehr so gut und kann auch selbst schlechter Gedanken zu Papier bringen. Die Rechenfähigkeit nimmt ab.

Frühzeitig zum Arzt gehen

Für die Behandlung einer Demenz ist wichtig, dass sie so früh wie möglich begonnen wird. Dann nämlich, wenn noch möglichst viele Fähigkeiten erhalten sind, wenn also noch viel »zu retten« ist. Erste Anlaufstelle ist in den meisten Fällen der Hausarzt. Er kennt den Patienten und seine Krankengeschichte und ist auch mit den jeweiligen Lebensumständen vertraut.

Wenn Sie an einem Angehörigen oder auch an sich selbst nachlassende Gedächtnisleistungen feststellen, scheuen Sie sich nicht, den Hausarzt aufzusuchen und sich ihm anzuvertrauen. Gedächtnisprobleme können verschiedene Ursachen haben, von denen viele heilbar sind. Viele Betroffene schämen sich für ihre Erkrankung. Aber dafür gibt es keinen Grund. Schließlich schämt sich auch niemand für einen Herzinfarkt.

1.1.5 Verhaltensauffälligkeiten und psychische Veränderungen


  • Betroffene neigen – ohne äußeren Anlass – zu Stimmungsschwankungen.

  • Der Betroffene fühlt sich durch bekannte Personen oder den laufenden Fernseher bedroht.

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