Einleitung
»Wenn du nicht bereit bist, dein Leben zu ändern, kann dir nicht geholfen werden.«
HIPPOKRATES VON KOS (460–370 v. Chr.)
Fast jeder von uns hat mittlerweile einen an Demenz erkrankten Menschen in der Verwandtschaft oder im näheren Bekanntenkreis. Das scheint auch kaum noch jemanden zu verwundern, denn mit jedem Lebensjahr steigt die Wahrscheinlichkeit, an der Alzheimer- oder auch an einer durch Arteriosklerose bedingten Demenz zu erkranken. Schließlich werden immer mehr Menschen immer älter. Aber sind diese Krankheiten deshalb wirklich unvermeidlich? Manche Experten behaupten dies und verbreiten mit ihrem Dogma, dass es sich insbesondere bei der Alzheimer-Krankheit um einen natürlichen Alterungsprozess des Menschen handeln könnte, Angst und Schrecken und damit auch Hoffnungslosigkeit, denn bisher kann kein einziges Medikament die unser Selbst zerstörende Krankheit aufhalten: Seit Erscheinen der deutschsprachigen Ausgabe dieses Buches, am 21. September 2015, dem Welt-Alzheimertag, hat sich die Hoffnung der Pharmaindustrie, ein wirkungsvolles Therapeutikum auf den Markt zu bringen, nicht erfüllt.
Auch Alzheimer vorzubeugen sei laut einem unabhängigen Expertengremium der amerikanischen Gesundheitsbehörde nicht möglich.1 Entsprechend konnte man Ende 2015 in der Süddeutschen Zeitung den zynischen Rat des US-amerikanischen Alzheimer-Experten Dennis Selkoe lesen. Um Alzheimer zu vermeiden, gibt es laut Selkoe nur eine Regel zu befolgen: »Such dir die richtigen Eltern aus und stirb früh.«2
Inzwischen ist Alzheimer in den führenden Industriestaaten die am weitesten verbreitete Form der Demenz und nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs eine der häufigsten Todesursachen.3 Das ist der Grund dafür, warum immer intensiver geforscht wird, allerdings meist nur an derselben Idee: Ihr zufolge sammelt sich im Gehirn der Betroffenen ein Giftstoff aus sogenanntem β-Amyloid an, und dies ist laut vorherrschender Lehrmeinung rein genetisch oder durch das Alter bedingt. Inzwischen stellte sich jedoch heraus, dass β-Amyloid auch im Gehirn von gesunden Menschen vorkommt, bei Kindern sogar in sehr hohen Konzentrationen, weil es beim täglichen Erinnern eine wichtige Rolle spielt.
Auf der ursprünglichen Erklärung, eine vermeintlich rein altersbedingte Überproduktion von β-Amyloid sei die Ursache für Alzheimer, hatten jedoch mittlerweile viele Wissenschaftler ihre Karrieren aufgebaut, und als führende Experten beherrschen sie heute das Feld. Sie bestimmen, wie Forschungsgelder verteilt werden und was in den Medien berichtet wird. Dabei lassen sie keine Erklärungen mehr zu, die ihre Dogmen infrage stellen, sodass die Neue Zürcher Zeitung noch im Frühjahr 2015 in ihrem Artikel »Alzheimer: Sind die Forscher auf dem Irrweg?« von einer »Amyloid-Mafia« sprach.4 Sie bestehe aus Alzheimer-Experten, die das ganze Forschungsgebiet lenken, um »alternative Sichtweisen zu unterbinden«. Darüber muss man sich aber nicht wundern, denn zum einen gibt kaum jemand gerne zu, jahrelang in die falsche Richtung geforscht oder seine Mitmenschen unnötig verängstigt zu haben, indem ihnen weisgemacht wurde, das Alter sei die Ursache und nur zukünftige Medikamente könnten uns alle vor der Alzheimer-Bedrohung retten. Zum anderen leben wir ohne Zweifel in einer vornehmlich von Marktinteressen beherrschten Kultur, und mit Alzheimer lässt sich besonders viel Geld verdienen. Und wo viel Geld fließt, sind immer diejenigen, die den Fluss lenken, an der Macht. »Eminenz anstatt Evidenz« beeinflusst in vielen Bereichen unser Leben – aber eben auch die Wissenschaft.
Wie Sie sehen werden, steckt die Alzheimer-Forschung wegen der »dogmatischen« Vorgaben der führenden Experten mittlerweile in einem großen Dilemma. Dieses beschreibt Jens Pahnke von der Universität Oslo, stellvertretend für die forschende Alzheimer-Gemeinde, folgendermaßen: »Seit Jahren arbeiten wir mit der gleichen Amyloid-Überproduktionshypothese – jetzt befinden wir uns in einer Sackgasse.«5 Tatsächlich gleicht die Entwicklung von Alzheimer-Medikamenten »einem Friedhof für klinische Studien mit mehr als 120 Misserfolgen innerhalb der letzten 20 Jahre«6, fasst Emily Underwood, Wissenschaftsjournalistin des Fachmagazins Science, die prekäre Situation zusammen. In dieser befindet sich aber nicht nur die heutige Alzheimer-Forschung, sondern auch jeder an Alzheimer erkrankte Patient.
Befindet man sich in einer Sackgasse, dann hilft nur eine grundlegende Neuorientierung. Das bedeutet, dass überkommene Dogmen rigoros beiseitegeschoben und alle wissenschaftlichen Fakten aus neuen Blickwinkeln heraus betrachtet und überdacht werden müssen. Genau dies konnte ich als unabhängiger theoretischer Medizinwissenschaftler tun, denn ich bin keinerlei akademischen »Glaubensvorstellungen« verpflichtet. Das Ergebnis meiner Überlegungen habe ich im Juli 2016 im Journal of Molecular Psychiatry veröffentlicht.7 Darin liefere ich erstmals eine umfassende Erklärung der Alzheimer-Entstehung.
Meine Erkenntnis, dass Alzheimer in Wahrheit nicht eine zwangsläufige Erkrankung des älteren Menschen ist, sondern vielmehr eine Mangelkrankheit, hervorgerufen durch individuelle Defizite bei einer modernen Lebensweise, könnte nun unzähligen Menschen einen geistig gesunden Lebensabend bescheren. Dazu muss man »nur« die Bereitschaft aufbringen, frei nach dem eingangs zitierten Hippokrates, seine bisherige Lebensweise zu hinterfragen und die individuellen Mängel beziehungsweise Risikofaktoren abzustellen. Im Buch finden Sie die genaue Beschreibung dieser systembiologischen Methode zur Vorbeugung, aber auch zur Therapie der frühen Stadien der Alzheimer-Krankheit.
Wie leicht es ist, in die kulturelle Falle krank machender Lebensgewohnheiten zu tappen, und wie schwer es ist, sich wieder aus ihr zu befreien, habe ich am eigenen Leib erfahren. Kaum spürbar schnappte sie während meines Medizinstudiums zu, als ich, meine ärztliche Berufung und eine wissenschaftliche Karriere im Visier, jegliche Zeit, die ich nicht am Patientenbett, hinter einem Lehrbuch oder mit einem Reagenzglas in der Hand verbrachte, als pure Verschwendung betrachtete. Meine sozialen Aktivitäten, mein bis dahin geliebter Ausdauersport und selbst meine Schlafzeiten wurden in meinem Zeitplan mehr und mehr eingeschränkt, und meine Ernährung bestand immer häufiger aus Fast Food und Mensa-Essen – schließlich galt es, nur keine Zeit zu verlieren.
Durch meine zunehmend ungesunde Lebensweise hatte ich ständig mit teils hartnäckigen Erkältungen zu kämpfen. Dann nahm ich zu, langsam, aber stetig. Nach 20 Jahren wissenschaftlicher Karriere im In- und Ausland hatte ich 20 Kilogramm Übergewicht. Allein das hätte für mich schon ein Weckruf sein müssen, meine ungesunde Lebensweise endlich zu ändern, doch ich unternahm nichts dagegen, denn schließlich waren die meisten meiner Manager-Kollegen übergewichtig, und damit befand ich mich gefühlt im normalen Bereich. Ich ignorierte auch die bedenklichen Blutwerte, die mir mein Arzt bei den jährlichen Check-ups, die ich aus lebensversicherungstechnischen Gründen zu absolvieren hatte, attestierte. Erst das immer wiederkehrende und plötzlich auftretende Herzrasen, das von einer schmerzhaften Brustenge begleitet war und mir bedrohlich signalisierte, dass mein Leben jeden Tag vorbei sein könnte, rüttelte mich schließlich wach. Zu dieser Zeit war ich Vorstandsvorsitzender und wissenschaftlicher Leiter eines biotechnologischen Unternehmens, das nach neuen Wirkmechanismen für Medikamente gegen moderne Zivilisationskrankheiten wie chronische Entzündungen, Übergewicht, Typ-2- oder vermeintlichen Altersdiabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen suchte. Also ironischerweise gegen genau die Krankheiten, von denen ich zum Teil schon betroffen oder zumindest auf dem besten Weg war, sie zu entwickeln.
Ich musste also etwas ändern, und so fing ich zum Beispiel an, täglich nach der Arbeit eine kleine Runde Rad zu fahren, und stellte, zusammen mit meiner Frau, nach und nach die Ernährung um. Doch erst durch eine Bemerkung meines Hausarztes beim nächsten Untersuchungstermin, etwa ein Jahr später, begann ich, auch grundsätzlich über mein Leben nachzudenken. Er schaute ungläubig auf meine Laborbefunde und fragte mich, ob ich in einen Jungbrunnen gefallen sei.
Meine körperliche Fitness hatte sich drastisch verbessert, was sich natürlich auch auf meine Blutwerte auswirkte. Das Herzrasen gehörte der Vergangenheit an. Ich fühlte mich auch geistig fitter und stressresistenter. Die Bemerkung meines Hausarztes kommentierte aber nicht nur diese Veränderungen, sie stellte für mich meine gesamte berufliche Ausrichtung infrage. Schließlich waren nicht Medikamente verantwortlich dafür, dass es mir besser ging, denn ich hatte nicht eine einzige Pille geschluckt. Mir wurde in jenem Moment bewusst, dass der Jungbrunnen in mir selbst vorhanden war. Er war nur irgendwie versiegt gewesen, und nun hatte ich ihn durch eine Änderung meiner Lebensweise wieder aktiviert. Das...