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E-Book

Arbeitsmarkt und Sozialpolitik

Kontroversen um Effizienz und soziale Sicherheit

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl314 Seiten
ISBN9783531918037
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Arbeitsmärkte werden flexibler und sind durch eine Zunahme an Flexibilität, Mobilität und Qualifikationsanforderungen gekennzeichnet. Im Zuge dieser Entwicklungen werden Risiken einer schnellen Marktanpassung zunehmend auf die Erwerbsbevölkerung übertragen. Eine balancierte Ausgestaltung der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, die zugleich Flexibilität und Effizienz sowie Wohlfahrt und Sicherheit für möglichst viele Menschen zu steigern in der Lage ist, wird schwieriger.
Marktakteure benötigen Sicherheiten. Hierzu gibt das Buch Hinweise. Diskutiert werden die sozial- und arbeitsmarktpolitischen Funktionsvoraussetzungen für flexible Arbeitsmärkte, die sowohl Effizienz- als auch Sicherheitskriterien entsprechen.

Dr. Hartmut Seifert ist Leiter des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans Böckler Stiftung. Arbeitsschwerpunkte sind Arbeitsmarkt- und Arbeitszeitforschung

PD Dr. Olaf Struck ist Oberassistent für Soziologie im Arbeitsbereich Wirtschafts- und Sozialstrukturanalyse an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zurzeit ist er Vertretungsprofessor für Soziologie, Theorie und Sozialstrukturanalyse an der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg.

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Leseprobe
"Arbeitsvermögen in Zeiten des SGB II – Zwischen Reproduktion und Erosion (S. 167-168)

Sabine Pfeiffer, Anne Hacket, Tobias Ritter und Petra Schütt

1 Das Aktivierungsparadigma und die Möglichkeiten einer qualitativen, subjektbezogenen Arbeitsmarktforschung

Mit den SGB-II-Reformen ist die Aktivierung der Leistungsempfänger zu einer der Kernaufgaben der neuen „arbeitsmarktnahen sozialen Dienstleistungen"" geworden (Bartelheimer 2005). Mit diesem Paradigmenwechsel hin zu einem „aktivierenden Wohlfahrtsstaat"" avanciert die Kommodifizierung von Arbeitskraft zum zentralen Ziel, das sowohl durch eine Verstärkung des Arbeitszwangs als auch durch eine Ausweitung befähigender Politiken umgesetzt werden soll (Dingeldey 2007). Im Mittelpunkt von Maßnahmen und beruflicher Weiterbildung steht nun nicht mehr in erster Linie die (Wieder-) Eingliederung in reguläre Beschäftigung, sondern der Erhalt bzw. die Wiedererlangung der Beschäftigungsfähigkeit (Hujer/Thomson 2006: 330) sowie die Vermittlung allgemeiner und spezifischer Kenntnisse zu deren Verbesserung (Biewen u.a. 2006: 366).

1 Dabei geht die Aktivierungsintention der Reform davon aus, dass allein die institutionell aufgezeigten „Wahl- und Handlungsoptionen"" den einzelnen Arbeitslosen bereits „befähigen"", „Entscheidungen über seine weiteren Beschäftigungsperspektiven zu treffen"" und die angebotenen „Handlungsoptionen wahrzunehmen"" (Hartz u.a. 2002: 45). Dies scheint drei Unterstellungen zu implizieren:

a) auf Seiten des Arbeitslosen findet sich ein individuelles Defizit vor,
b) die Institutionen arbeitsmarktnaher Dienstleistungen sind fähig, diese Defizite treffsicher zu identifizieren und die jeweils passenden Angebote zu unterbreiten, und
c) aus den institutionell angebotenen Optionen resultiert – quasi zwangsläufig und naturwüchsig – Aktivierung und Befähigung auf Seiten des einzelnen Arbeitslosen.

Diese Unterstellungen halten freilich schon der empirischen Forschung kaum stand. Aktuelle Ergebnisse der SGB-II-Wirkungsforschung belegen, dass die Annahme eines Aktivierungsdefizits für einen großen Teil des Adressatenkreises gar nicht, für andere unterschiedlich stark zutrifft (Baethge- Kinsky u.a. 2007: 61f.). Darüber hinaus erscheinen die Leistungsempfänger hier grundsätzlich in einer eigentümlich zwiespältigen Rolle: einerseits als bloße Objekte einer „Aktivierungspolitik"", andererseits in „psychologisierende(r) Perzeption"" (Bonß u.a. 1984: 144f.) als defizitäre Subjekte, denen die Fähigkeit oder der Wille abgeht, etwas für ihre Arbeitsmarkttauglichkeit zu tun.

Akzeptiert man zunächst die Logik des Aktivierungsparadigmas, so stellen sich zentrale Fragen: nämlich ob aktiviert werden kann, was aktiviert werden kann und wo sich Ressourcen für Aktivierung verbergen. Die Antwort auf diese Fragen lässt sich nicht nur auf der Ebene von Strukturdaten finden. Um beurteilen zu können, ob zentrale Bereiche der gesellschaftlichen Reproduktion gefährdet sind, ist zusätzlich der Blick auf die qualitativen Auswirkungen auf subjektiver Ebene unumgänglich. Insbesondere hier sind mögliche Gefährdungen für den Einzelnen zu identifizieren und Muster und Tendenzen für Chancen und Hürden gesellschaftlicher Teilhabe beobachtbar.

Denn die Fähigkeit, aktiv bzw. „aktiviert"" zu werden, ist auf jeden Fall eine subjektive Ressource, und „aktivieren"" lässt sich nur, was das jeweilige Subjekt bereits erworben und sich angeeignet hat. Das Aktivierungsparadigma geht letztlich immer von einer Anpassungsleistung auf Seiten des Individuums aus und damit von dessen Bereitschaft und Fähigkeit, auf Mobilitäts- und Flexibilitätserwartungen des Arbeitsmarktes adäquat zu reagieren. Und das heißt nicht nur, seine subjektiven Ansprüche darauf auszurichten, sondern auch die gesamten lebensweltlichen Beziehungen und Bezüge sowie Planungen (z.B. wo und wie will ich leben? in welcher familiären oder anderen sozialen Konstellation usw.). "
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis5
Arbeitsmarkt und Sozialpolitik – Eine Einführung7
Teil I Nutzen und Akzeptanz der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik14
Effizienz durch Sicherheit. Soziale Rahmenbedingungen moderner kapitalistischer Ökonomien15
Der Mehrwert der Arbeitsmarktpolitik. Von der Arbeitslosen- zur Beschäftigungsversicherung26
Arbeitsmarkt und Sozialpolitik – Flexibilität benötigt Sicherheiten49
Einstellungen zum Sozialstaat und Erwerbsstatus72
Teil II Wechselwirkungen zwischen Arbeitsmärkten und Sozialpolitik93
Einkommensfolgen von Betriebsmobilität und - stabilität94
Weiterbildungschancen in flexiblen Arbeitsmärkten128
Arbeitsvermögen in Zeiten des SGB II – Zwischen Reproduktion und Erosion160
Konsequenzen des Verlusts des ganzheitlichen Denkens: Soziale Marktwirtschaft und die Triade Arbeitsmarkt, Sozialstaat und Geschlechterbeziehungen am Beispiel von Westdeutschland182
Systembruch oder Pfadabhängigkeit? Das Beispiel Kombilohn223
Hartz-Reformen: Viel Bewegung – neue Probleme – wenig Fortschritt240
Teil III Sozialpolitische Wege in Europa256
Mehr als Flexicurity. Lehren aus der dänischen Arbeitsmarktpolitik257
Die Europäisierung nationaler Arbeitsmarktreformen. Die Auswirkungen der Europäischen Beschäftigungsstrategie in Deutschland, Frankreich und Italien276
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren304

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