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Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung

AutorStephanie Scheck
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl98 Seiten
ISBN9783958503076
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Immer wieder erschüttern und berühren uns tragische Fälle von Kindeswohlgefährdung, -vernachlässigung und -tötung. Stimmen werden laut, die Jugendämter würden tatenlos zusehen, wenn Eltern ihre Kinder vernachlässigen, verhungern lassen oder gar totschlagen. Haben die Jugendämter richtig gehandelt, sind sie rechtzeitig eingeschritten, hätten andere Hilfen nicht im Vorfeld greifen, Eltern unterstützt oder Hilferufe richtig gedeutet werden müssen? Was kann gegen derart grausamen Umgang mit und zum Schutz für Kinder getan werden? Diese Untersuchung soll der Thematik des Aufwachsens in öffentlicher Verantwortung nachgehen. Sie soll sich mit dem Kindeswohl, dem Elternrecht und dem staatlichen Wächteramt beschäftigen. Hierbei soll untersucht werden, dass nicht nur der Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht, sondern vor allem auch die Hilfen für das Kind und die Eltern, die schon im Vorfeld geleistet werden sollten, betrachtet werden müssen. Was sind die Aufgaben der Jugendhilfe und wie kann sie nicht nur gezielt Kinder vor einer Gefährdung schützen, sondern Eltern soweit stärken, dass diese Hilfen annehmen, umsetzen und es nicht zu einer Herausnahme des Kindes aus der Familie kommt?

Stephanie Scheck, Diplom Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin wurde 1975 in Nordhessen geboren. Sie studierte im Fachbereich Sozialwesen an der Universität Kassel und schloss ihr Studium im Jahr 2006 erfolgreich ab. Vor und während ihres Studiums arbeitete sie als staatlich anerkannte Erzieherin im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe und betreute dort Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 5.2, Elternrecht: 'Pflege und Erziehung sind das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht.' So lautet Artikel 6 Abs. 2 S. 1 des Grundgesetzes. Dieses hat das Elternrecht im Zusammenhang des Art. 6 GG geregelt, da dieser die grundlegenden Bestimmungen über Ehe und Familie enthält. Die Bedeutung in Art. 6 Abs. 2 GG besteht deshalb in aller erster Linie darin, dass die Erziehung der Kinder in der Familie als Grundrecht der Eltern verfassungsrechtlich gesichert ist und dass Familienerziehung im Grunde nicht durch eine staatliche Kindererziehung ersetzt werden darf. Das in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verankerte Recht garantiert den Eltern somit das Vorrecht als Erziehungsträger gegenüber dem Staat und stellt das Elternrecht ausdrücklich unter den besonderen Schutz der Verfassung. Es schützt die Erziehung in der Familie und wendet sich gegen ihre Abschaffung zugunsten irgendeiner Form kollektiver, insbesondere staatlicher Erziehung. Dies bedeutet vorerst: 'In welcher Art und Weise die Eltern ihrer Verantwortung nachkommen wollen, ist ihre freie Entscheidung und ist gegen einen staatlichen Eingriff geschützt.' Die elterliche Sorge ist aber, laut § 1627 Satz 1 BGB, eine zum Wohl des Kindes auszuübende Rechtsposition. Eltern haben somit, vereinfacht gesagt, selbst zu entscheiden, worin sie das Beste für ihr Kind sehen und wie sie ihrer Verantwortlichkeit gerecht werden. Setzt man sich mit dem Begriff des Elternrechts auseinander, so bleibt es nicht aus, dass man auf den Begriff der elterlichen Sorge stößt. Die elterliche Sorge ist ein umfassender Begriff für die gesetzlichen Rechte und Pflichten der Eltern gegenüber ihrem minderjährigen Kind. Sie beginnt mit der Geburt und endet mit dessen Volljährigkeit. Rechtlich verankert ist dies in §§ 1626 - 1698b BGB und gliedert sich in die Personensorge und die Vermögenssorge. Die einzelnen Befugnisse der Personensorge ergeben sich insbesondere aus § 1631 Abs. 1, 2 und § 1632 Abs. 1, 2 BGB. Die Personensorge umfasst die Pflege, Erziehung, Beaufsichtigung und Aufenthaltsbestimmung, so § 1631 Abs. 1, als auch die Herausgabe des Kindes, so § 1632 Abs. 1, und die Bestimmung des Umgangs des Kindes mit Dritten, so § 1632 Abs. 2. Die Grenzen der Personensorge ergeben sich u.a. aus § 1631 Abs. 2, hier heißt es: 'Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Erziehungsmaßnahmen sind unzulässig.' Die Grenzen der Ausübung der elterlichen Sorge und somit des Elternrechts ergeben sich aus dem Wohl des Kindes, u.a. aus §§ 1631, 1631a - 1631c Abs. 4 BGB. 'Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben', so Satz 1 des Art. 1627 BGB. In der elterlichen Sorge sind die Rechte und Pflichten demzufolge untrennbar miteinander vereint. Oberster Grundsatz für die Ausübung der elterlichen Sorge ist die Berücksichtigung der wachsenden Fähigkeiten und des wachsenden Bedürfnisses der Kinder zu selbständigem und verantwortungsbewusstem Handeln, die Aussprache mit dem Kind und das Bemühen um Einverständnis gemäß § 1626 Abs. 2 BGB. Die elterliche Sorge befasst sich somit mit den privatrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und dem minderjährigen Kind. Das Elternrecht befasst sich dagegen mit der verfassungsrechtlichen Beziehung zwischen den Eltern und dem Staat bezüglich des Verhältnisses Kind - Eltern - Staat. Das in Artikel 6 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes verankerte Elternrecht garantiert den Eltern gegenüber dem Staat den Vorrang auf das Erziehungsrecht und gewährt ihnen so ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in die Erziehung ihrer Kinder. Das Grundgesetz schützt somit das Elternrecht zur Pflege und Erziehung der Kinder als Grundrecht. Es gilt jedoch zu beachten, dass das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG nicht wie andere Grundrechte als eigennützig und allein im Interesse des Grundrechtsträgers steht, sondern '(...) ein fremdnütziges Recht im Interesse der Kinder (.)' ist. Dem Staat kommt jedoch nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG die Aufgabe zu, über die Ausübung des Elternrechts zu wachen. Dies bedeutet, er hat für die Verwirklichung der Grundrechte der Kinder in der Familie Sorge zu tragen. Er kann somit, wenn die Eltern sich der Verantwortung für die Pflege und Erziehung ihres Kindes, aus welchen Gründen auch immer, entziehen, in das elterliche Erziehungsrecht und die elterliche Sorge eingreifen. Auch Art. 6 Abs. 3 GG setzt dem elterlichen Erziehungsrecht Grenzen: 'Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.' Das Kind hat als Grundrechtsträger Anspruch auf den Schutz des Staates und dieser ist bei Gefährdung zum Schutz des Kindes verpflichtet. Hier werden nicht nur die Rechte im Verhältnis Eltern - Staat, sondern auch die Rechte im Verhältnis Kind - Staat wieder deutlich. 'Die staatliche Gemeinschaft ist befugt, die Eltern bei der Ausübung ihrer Erziehungs- und Pflegerechte zu überwachen und ggf. in ihre Rechte einzugreifen.' Dieses so genannte staatliche Wächteramt ist in Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG verankert. Hierauf wird unter 5.3 gesondert eingegangen. Trotz der weitläufigen Meinung, dass den Eltern das Wohl ihrer Kinder besonders am Herzen liegen sollte und der daraus folgenden Annahme, dass die Sicherung der Elternautonomie zugleich das Kindeswohl sichert, wird nicht immer die Persönlichkeitsentwicklung und der Schutz des Kindes durch die Eltern gewährleistet. Dies zeigen die zu Beginn dieser Arbeit erwähnten Fälle von Kindesmissbrauch und -vernachlässigung, der Kindeswohlgefährdung. Elternrecht und somit elterliches Erziehungsrecht ist ausschließlich als pflichtgebundenes, treuhänderisches Gesetz zu verstehen, das seine Grenzen am Wohl des Kindes findet. Auch wenn aus rechtlicher Sicht das Wohl des Kindes über das Elternrecht definiert wird, ist das elterliche Erziehungsrecht durch die Pflicht für das Wohl des Kindes zu sorgen (§ 1627 Abs. 1 BGB) begrenzt. Dann nämlich, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist. Das Elternrecht kann dann eingeschränkt und die elterliche Sorge teilweise oder ganz unter den Voraussetzungen der §§ 1666 - 1667 BGB aufgehoben werden. Das Elternrecht dient somit nicht dem Selbstzweck, sondern der Verwirklichung des Wohls des Kindes und Jugendlichen. Eltern haben aber auch das Recht, sich in Fragen der Erziehung Hilfe zu holen und Leistungen der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie zu beziehen. Sie können sich auch an das Familiengericht wenden, das sie durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen hat. Elternrechte werden nämlich am besten dadurch geschützt, dass die zur Gefahrenabwehr geeigneten Einrichtungen und Dienste rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Hilfen zur Erziehung sind jedoch, auch wenn sie der Gefahrenabwehr dienen, gegen den Willen der Personensorgeberechtigten nicht zulässig. Sperren sich Eltern gegen solche Maßnahmen, so kann solche Hilfe und somit das Kindeswohl nur durch einen familiengerichtlichen Beschluss sichergestellt werden.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Aufwachsen in öffentlicherVerantwortung1
Inhaltsverzeichnis3
1. Einleitung5
2. Die Entwicklung des Jugendhilferechts7
2.1 Von der Armenhilfe zur Erziehungshilfe7
2.2 Vom RJWG zum KJHG mit KICK8
3. Der Fall Marcel10
4. Zur Entwicklung von Kindern und Jugendlichen12
4.1 Entwicklungspsychologische Aspekte12
4.2 Soziologische Aspekte14
4.3 Indikatoren für eine Gefährdung des Kindeswohls15
5. Die Beziehung Kind - Eltern - Staat18
5.1 Kindeswohl20
5.2 Elternrecht24
5.3 Staatliches Wächteramt27
5.4 Die Garantenstellung32
6. Die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe36
6.1 Die Hilfen zur Erziehung37
6.2 Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen41
6.3 Der Schutzauftrag43
7. KICK45
7.1 Die Änderungen durch KICK45
7.1.1 Der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung(§ 8a SGB VIII)47
7.1.2 Die Neufassung der Regelung der Inobhutnahme(§ 42 SGB VIII)52
7.1.3 Die Neuerungen der Datenschutzbestimmungen(§§ 61 ff. SGBVIII)58
7.1.4 Die Konkretisierung des Rechtsbegriffs der persönlichenEignung (§ 72 a SGB VIII)62
7.2 KICK in der Praxis64
8. Die Handlungsmöglichkeiten des SA/SP71
9. Fazit zum Aufwachsen in öffentlicher Verantwortung74
10. Literatur- und Quellenverzeichnis79

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