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Behavioral Risk Management. Ein verhaltenswissenschaftliches Fundament für das individuelle und unternehmerische Risikomanagement

AutorDaniel Noack
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl125 Seiten
ISBN9783836617833
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis43,00 EUR
Wir leben in einer komplexen Welt und werden jeden Tag von einer unglaublichen Anzahl von Informationen überflutet. Die rationale Entscheidungstheorie nimmt an, dass Menschen all diese Informationen verarbeiten und auf ihrer Basis objektiv Entscheidungen treffen können. Die menschliche Fähigkeit zur Informationsverarbeitung ist jedoch quantitativ beschränkt und die notwendigen Vereinfachungen um das Leben effizienter zu meistern, können in Abweichungen von der Rationaltheorie oder ihren Annahmen resultieren. Diese Abweichungen können bei allen Urteilen und Entscheidungen des täglichen Lebens geschehen, besonders relevant sind sie jedoch in risikobehafteten Urteils- und Entscheidungssituationen.Die allgemeine Erkenntnis der Irrationalitäten des menschlichen Entscheidungsverhaltens basiert auf einer Vielzahl anekdotischer, experimenteller und psychologischer Erkenntnisse, sowie abstrahierenden Entscheidungsmodellen. Auf Basis der Erkenntnisse wird in diesem Buch ein Fundament verhaltenswissenschaftlicher Grundlagen für das Risiko Management aufgebaut. Es werden die für das Risiko Management aus dem individuellen, irrationalen Urteils- und Entscheidungsverhalten erwachsenden relevanten Erklärungsansätze und Theorien identifiziert, diese im menschlichen Urteils- und Entscheidungsprozess eingeordnet und so ein fundiertes, theoretisches Gerüst geschaffen. Das verhaltenwissenschaftliche Fundament wird zur Erklärung des Verhaltens auf Versicherungsmärkten und im unternehmerischen Risiko Management genutzt. Ebenso wird betrachtet, durch welche Vorgehensweisen Unternehmen Risiken aus Urteils- und Entscheidungsfehlern erkennen und minimieren können.

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Leseprobe
Kapitel 5.4.2.2, Wahrscheinlichkeiten:

Das Framing von Wahrscheinlichkeiten lässt sich an dem bereits für die Illustration des Isolierungseffekts, der als ein Grundbaustein der Prospect Theory dient, genutzten Beispiels veranschaulichen. Jedes der beiden Beispiele wird einer anderen Gruppe von Experimentteilnehmern zur Entscheidung vorgelegt. Die Experimentteilnehmer der ersten Gruppe nehmen an einem zweistufigen Spiel teil. In der ersten Stufe endet das Spiel mit einer Wahrscheinlichkeit von 75% ohne Gewinn, mit 25prozentiger Wahrscheinlichkeit geht das Spiel in eine zweite Runde. In der zweiten Runde haben die Experimentteilnehmer die Wahl zwischen einer Lotterie A mit sicherem Gewinn von 30 USD und Lotterie B, die mit 80prozentiger Wahrscheinlichkeit 45 USD auszahlt. Die Experimentteilnehmer mussten jedoch bereits vor der ersten Runde festlegen, welche Lotterie sie spielen würden, wenn sie die zweite Runde erreichten. 74% der Experimentteilnehmer der ersten Gruppe wählten Lotterie A. Die Experimentteilnehmer der zweiten Gruppe konnten zwischen Lotterie C, welche mit 25prozentiger Wahrscheinlichkeit 30 USD ausschüttet und Lotterie D, die mit 20prozentiger Wahrscheinlichkeit 45 USD ausschüttet, wählen. 58% der Experimentteilnehmer entscheiden sich für Lotterie D.
Die Formulierung der Wahrscheinlichkeiten verändert also auf Grund unterschiedlicher Bewertung von Wahrscheinlichkeiten über die Wahrscheinlichkeitsgewichtungsfunktion die Entscheidung. Tversky / Kahneman 1981 konnten in weiteren Experimenten betrachten, dass die Höhe der Wahrscheinlichkeiten auf der ersten Stufe eines Spiels das Ergebnis dennoch stark beeinflussen kann, wenn die Wahrscheinlichkeit nur klein genug ist. Beträgt die Wahrscheinlichkeit in der ersten Stufe des Spiels in die zweite Stufe zu kommen beispielsweise nur 10 Prozent oder weniger, wird die erste Stufe der Lotterie stark berücksichtigt. Dieser Effekt, der auch Subcertainy Effect genannt wird, konnte beispielsweise durch Tversky / Kahneman 1981 in einem Experiment zu Heilungsoptionen für Krankheiten feststellen.

Handlungsergebnisse

Die Formulierung der Ergebnisse identischer Handlungen einerseits als Gewinne, und andererseits als Verluste beeinflussen, wie Tversky / Kahneman 1981 zeigen, die Entscheidungsfindung. Sie stellen eine Gruppe von Experimentteilnehmer vor das folgende Entscheidungsproblem: Die USA bereiten sich auf eine Seuche vor, die 600 Menschen töten wird. Zur Bekämpfung der Seuche wurden zwei Bekämpfungsprogramme entwickelt zwischen denen sich die Experimentteilnehmer entscheiden sollen. Wird Programm A durchgeführt werden sicher 200 Menschen gerettet. Bei der Durchführung von Programm B besteht eine Wahrscheinlichkeit von 33,3%, dass 600 Menschen geheilt werden, und von 66,6%, dass niemand geheilt wird.
In diesem Setting entscheiden sich 72% für die Durchführung von Programm A.
Tversky / Kahneman 1981 formulieren das Setting für eine zweite Gruppe um: Die USA bereiten sich auf eine Seuche vor, die 600 Menschen töten wird. Zur Bekämpfung der Seuche wurden zwei Bekämpfungsprogramme entwickelt zwischen denen sich die Experimentteilnehmer entscheiden sollen. Wird Programm C durchgeführt sterben mit Sicherheit 400 Menschen. Bei Durchführung von Programm D besteht eine Wahrscheinlichkeit von 33,3%, dass niemand stirbt. Mit Wahrscheinlichkeit 66,6% sterben 600 Menschen.
Die Mehrzahl der Experimentteilnehmer (78%) entscheidet sich für Programm D. Im zweiten Setting nehmen die Experimentteilnehmer die Entscheidungssituation als Verlustsituation wahr, in der sie zur Risikofreude in der Hoffnung, dass weniger Menschen sterben müssen, tendieren. „The certain dead of 400 people is less acceptable than the two-in-three chance that 600 will die“. Im Gegensatz dazu steht das erste Setting. Hier ist es für den Menschen unakzeptabel die sichere Möglichkeit, 200 Leben zu retten, für die Chance mit 33,3% 600 Menschen zu retten, aufzugeben. Die positive Formulierung der Entscheidungssituation führt gemäß Fagley / Miller 1987 zu Risikoaversion, während eine negative Formulierung zur Risikofreude führt.

Aufgabenbezogenes Framing:

Laut Stanovich / West 2000 können Menschen auf zwei Arten Informationen verarbeiten. In Abhängigkeit von ihren persönlichen Fähigkeiten nehmen sie Informationen entweder automatisch und holistisch oder kontrolliert und analytisch auf. Automatisch und holistisch handelnde Menschen sind dabei in ihren Entscheidungen besonders durch den Kontext der Entscheidung beeinflussbar. McElroy / Seta 2003 untersuchten die Vermutung, dass sich durch Veränderungen der persönlichen Relevanz eines Entscheidungsproblem, auch das Vorgehen der Menschen verändert. Dazu benutzen sie das zuvor beschriebene Experiment zur Auswahl von Programmen zur Seuchenbekämpfung von Tversky / Kahneman 1981.
McElroy / Seta 2003 führen das Experiment mit Studenten durch und erklären den Studenten, dass dieses Experiment durchgeführt wird, um ihre Entscheidungsfähigkeiten zu überprüfen. Hintergrund der Überprüfung der Entscheidungsfähigkeit ist eine Überlegung der Universität, ob es notwendig ist einen zusätzlichen, verpflichteten Entscheidungstheorie-Kurs ab dem nächsten Jahr (Gruppe 1) bzw. beginnend in zehn Jahren (Gruppe 2) einzuführen.
Bei der Durchführung des Experiments zur Seuchenbekämpfung von Tversky / Kahneman 1981 besitzen die Informationen zum geplanten Verhalten der Universität für die Experimentteilnehmer der Gruppe 2 keine persönliche Relevanz. Sie handeln auf Basis automatischer und holistischer Methoden. Experimentteilnehmer entscheiden sich im ‚Gewinnfall’ für Risikoaversion und im ‚Verlustfall’ für Risikofreude.
Die persönliche Betroffenheit durch einen verpflichtenden Entscheidungstheorie-Kurs, wenn die Ergebnisse des Experiments die Leitung der Universität nicht überzeugen, ist in der zweiten Gruppe nur gering. Die höhere Betroffenheit der Gruppe 1 verändert auch die Entscheidung im Experiment. Sowohl im ‚Gewinnfall’, als auch im ‚Verlustfall’ verhält sich die Mehrheit der Experimentteilnehmer risikoavers und zeigt so ein konsistentes Verhalten. Die höhere persönliche Betroffenheit führt also zur Anwendung eines analytischen und kontrollierten Vorgehens. Ähnliches zeigen auch die Ergebnisse von Fagley / Miller 1987. Sie ließen Experimentteilnehmer das Experiment zur Seuchenbekämpfung von Tversky / Kahneman 1981 durchlaufen, nachdem sie ein mathematisches Training erhielten. Dabei stellten sie Risikoaversion für den ‚Gewinnfall’ fest, jedoch keine Risikofreude für den ‚Verlustfall’. Gleichzeitig stellten sie fest, dass viele Studenten angaben zwischen den Entscheidungsmöglichkeiten indifferent zu sein.
Verändert man also den Frame einer Aufgabe hinsichtlich Motivation und Wissen der Experimentteilnehmer, verändert dies auch die Handlungsergebnisse.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Behavioral Risk Management Ein verhaltenswissenschaftliches Fundamentfür das individuelle und unternehmerische Risikomanagement1
INHALTSVERZEICHNIS3
1 Einleitung6
2 Risikobegriff und Risiko Management8
2.1 Risikobegriff und Risikoarten8
2.1.1 Risikobegriff8
2.1.2 Risikoarten8
2.2 Risiko Management9
3 Grundzüge der rational-basierten Entscheidungstheorie11
3.1 Rationalität als Grundannahme11
3.2 Klassische Entscheidungstheorien13
3.2.1 Erwartungswert13
3.2.2 Erwartungsnutzen13
3.3 Axiomatik der Erwartungsnutzentheorie16
4 Wahrnehmung von Risikoinformationen19
4.1 Urteilsheuristik – Definition und Begriffsabgrenzung19
4.2 Verfügbarkeitsheuristik21
4.2.1 Definition21
4.2.2 Erfahrungsbedingte Verfügbarkeit21
4.2.3 Gedächtnisbedingte Verfügbarkeit22
4.2.4 Vorstellungskraftbedingte Verfügbarkeit23
4.2.5 ScheinkorrelationenEin weiterer Effekt der Verfüg24
4.3 Repräsentativitätsheuristik25
4.3.1 Definition25
4.3.2 Vernachlässigung der Basisrate25
4.3.3 Mangelnde Berücksichtigung der Stichprobengröße26
4.3.4 Fehlwahrnehmung von Zufälligkeiten26
4.3.5 Fehlbewertung verknüpfter Ereignisse28
4.3.6 Vernachlässigung der Aussagekraft von Informationen29
4.3.7 Vernachlässigung der Regression zum Mittelwert30
4.3.8 Beurteilung der persönlichen Repräsentativität31
4.4 Ankerheuristik32
4.4.1 Definition32
4.4.2 Mangelhafte Anpassung des expliziten Ankerwerts33
4.4.3 Mangelhafte Anpassung des impliziten Ankers34
4.4.4 Überschätzung der Wahrscheinlichkeit verknüpfter Ereignisse35
4.4.5 Übersteigerte Urteilssicherheit / Overconfidence36
4.4.6 Ankereffekte in Gruppen38
4.5 Mentale Buchführung39
4.6 Vermeidung kognitiver Dissonanz40
4.7 Zusammenfassung und Einordnung42
5 Risikobewertung und psychologische Bedürfnisse bei der Entscheidungsfindung45
5.1 (Experimentelle) Hintergründe der Prospect Theory45
5.1.1 Gewissheitseffekt45
5.1.2 Spiegelungseffekt46
5.1.3 Wahrscheinlichkeitsbedingte Versicherung47
5.1.4 Isolierungseffekt48
5.2 Prospect Theory49
5.2.1 Bearbeitung und Evaluation von Informationen49
5.2.2 Wertfunktion v50
5.2.3 Wahrscheinlichkeitsgewichtungsfunktion p52
5.2.4 Cumulative Prospect Theory54
5.3 Nachweis der Prospect Theory im Entscheidungsverhalten55
5.3.1 Einführung55
5.3.2 Eigenkapitalprämie56
5.3.3 Dispositionseffekt56
5.3.4 Status Quo Bias, Verlustaversion und Besitztumseffekt57
5.3.5 End-Of-The-Day Effekt59
5.3.6 Sunk Cost Effekt60
5.4 Framing: Der Einfluss des Handlungsrahmens61
5.4.1 Definition61
5.4.2 Kontextbezogenes Framing61
5.4.3 Aufgabenbezogenes Framing65
5.4.4 Hedonic Editing66
5.5 Vermeidung von Ambiguität67
5.6 Enttäuschung, Reue und Angst69
5.6.1 Disappointment Theory69
5.6.2 Regret Theory72
5.6.3 Risiko als Emotion, insbesondere Angst74
5.7 Selbst-Kontrolle78
5.8 Herdenverhalten und Informationskaskaden79
5.9 Zusammenfassung und Einordnung82
6 Versicherungsmärkte im Lichte behavioralistischer Theorien85
6.1 Einführung85
6.2 Urteilsfehler und –verzerrungen bei der Risikoeinschätzung85
6.3 Übersteigerte Urteilssicherheit bei Versicherungsnehmern88
6.4 Ambiguität in Versicherungsunternehmen93
6.4.1 Ambiguität hinsichtlich Verlustwahrscheinlichkeiten93
6.5 Ausgestaltung von Versicherungsverträgen97
7 Unternehmerisches Risiko Management im Lichte behavioralistischerTheorien100
7.1 Einordnung von Risiko Management100
7.1.1 Überblick100
7.1.2 Urteilsverzerrungen: Das Beispiel von Sony101
7.1.3 Verhalten von Finanzanalysten103
7.2 Handlungsmöglichkeiten und -empfehlungen104
7.2.1 Aufbau und Relevanz eines Behavioral Risk Management Systems104
7.2.2 Empfehlungen für die Entwicklung von Entscheidungsregeln108
8 Zusammenfassung112
Literaturverzeichnis115

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