Der Konsortialkreditmarkt ist nur funktionsfähig, wenn Arrangeure und Agenten als glaubwürdige Akteure agieren und ihrerseits die Manager aufgrund fehlender Informationen nicht ausnutzen. Das potenzielle Risiko für untergeordnete Teilnehmer durch adverse Selektion benachteiligt zu werden, wird besonders durch die Sprache im Kreditvertrag deutlich. Im Allgemeinen tragen die Konsortialführer keine Haftung gegenüber den anderen Teilnehmern bei einem Kreditausfall.[113] Eine mögliche Haftung tritt nur in Kraft, falls die Agent-Banken „grob fahrlässig“ oder „vorsätzlich“ gehandelt haben.[114]
Bei einem Konsortialkredit ist es sehr wahrscheinlich, dass der Arrangeur bereits vor der Kreditsyndizierung eine Geschäftsbeziehung mit dem Kreditnehmer hatte, z.B. in Form eines bilateralen Kredites.[115] Der Konsortialführer verfügt somit über spezielle Informationen, die den anderen Konsortialmitgliedern nicht zugänglich sind und die sich selbst aus einem umfangreichen Jahresabschluss nicht ableiten lassen. Das sind beispielsweise Kenntnisse über das Management des Kreditnehmers, die Kunden- und Lieferantenbeziehungen oder die Fähigkeit des Unternehmens, sich an Umweltveränderungen anzupassen.[116] Aber auch ohne vorherige Beziehung zum Kreditnehmer verfügt der Arrangeur bzw. Agent über mehr Informationen als die übrigen Manager, da der Konsortialführer i.d.R. als einzige Partei Verhandlungen mit dem Kreditnehmer führt.[117] Banken könnten diese Informationen ausnutzen und vermehrt Kredite mit höherer Ausfallwahrscheinlichkeit syndizieren, wohingegen die einwandfrei erscheinenden Kredite nicht oder nur in geringem Umfang syndiziert werden. Bei einem Kreditausfall der schlechten Kredite wären die Konsortialführer somit nur in geringem Maße an den Verlusten beteiligt und würden von den guten Krediten besonders profitieren. Doch nicht nur Insiderinformationen seitens der Konsortialführer können zu adverser Selektion führen, sondern auch fehlende Sorgfalt der Manager. Obwohl von jedem Konsortialmitglied erwartet wird, dass es eine eigenständige Kreditwürdigkeitsprüfung durchführt, verlässt man sich in der Praxis häufig auf das Urteil des Arrangeurs bzw. Agenten.[118]
Die Durchführung von adverser Selektion seitens der Konsortialführer wäre zunächst rational, da Kreditinstitute an höheren Gewinnen interessiert sind und ein Informationsvorsprung dies ermöglichen würde.[119] Allerdings arbeiten zwei Mechanismen gegen dieses Verhalten: die Reputation der Konsortialführer und das Verhalten der Manager.[120] Die Reputation würde zweifellos sinken, wenn eine Bank kurzfristig Gewinne durch adverse Selektion generierte, da dies auf lange Sicht von den anderen Marktteilnehmern bemerkt werden würde.[121] Langfristig entstünde dadurch ein Imageschaden, der Folgegeschäfte verhindern und auf lange Sicht die Gewinne schmälern könnte.[122] Zum anderen erkennen die Manager oft fragwürdige Kredite, da jene Kreditnehmer meist unbekannt und unternehmensspezifische Informationen nur schwer zu bekommen sind.[123] Die potenziellen Manager sind daher vorsichtig und werden sich im Mittel weniger am Kredit beteiligen, als dies bei einem transparenten und einwandfreien Kreditnehmer der Fall wäre.
In der wissenschaftlichen Literatur gibt es vier fundamentale Arbeiten, die sich mit dem Auftreten von adverser Selektion bei Konsortialkrediten beschäftigen: Simons (1993), Dennis und Mullineaux (2000), Jones, Lang und Nigro (2000) sowie Panyagometh und Roberts (2002). Simons untersuchte als erste, warum Banken Kredite syndizieren. In ihrer Untersuchung wurden Konsortialkredite des „Shared National Credit Program“ (SNC) aus dem Jahr 1991 verwendet, 4.332 an der Zahl. SNC-Kredite sind in fünf abnehmenden Qualitätsrankings unterteilt: „Pass“, „Specially Mentioned“, „Substandard“, „Doubtful“ und „Loss“. Simons stellte fest, dass es primär regulatorische Gründe sind, wie z.B. die Mindestkapitalanforderungen, die Banken dazu veranlassen, Kredite auf mehrere Institute aufzuteilen. Ein Vorliegen von adverser Selektion konnte nicht nachgewiesen werden, da die Agent-Banken bei einwandfreien Krediten („Pass“) im Schnitt nur 17,4% der gesamten Finanzmittel beisteuerten, wohingegen der Anteil mit steigender Ausfallwahrscheinlichkeit weiter zunahm. So betrug der Anteil der Agent-Banken an „Loss“-Krediten, also jenen Krediten, die bereits zumindest teilweise ausgefallen sind, 47,3%.
Dennis/Mullineaux (2000) haben Simons’ Untersuchungen erweitert und neben syndizierten Krediten auch Kreditverkäufe in ihre Analyse einbezogen, um eine höhere Aussagekraft zu erreichen. Die Daten stammten von der Loan Pricing Corporation (Gold Sheet Annual) und umfassten insgesamt 3.410 Kredite, wovon 1.526 Konsortialkredite waren. Sie fanden heraus, dass die Wahrscheinlichkeit einer Kreditsyndizierung abhängig ist von den spezifischen Eigenschaften des Kreditnehmers (z.B. Historie und Reputation), der Konsortialführer (Bank oder Nichtbank) und den Krediteigenschaften selbst (z.B. Stellung von Sicherheiten, Laufzeit oder Kreditvolumen). Besonders hervorzuheben ist das Ergebnis, dass mit zunehmender Verbesserung der Informationsqualität über den Kreditnehmer der syndizierte Anteil eines Kredites steigt. Untergeordnete Manager sind also eher bereit, Finanzmittel über einen Konsortialkredit an Kreditnehmer zu verleihen, die bspw. bereits ein Rating einer großen Ratingagentur haben oder an der Börse gelistet sind. Durch dieses Verhalten wird automatisch die Wahrscheinlichkeit einer adversen Selektion reduziert. Ein weiteres Ergebnis ist, dass die Reputation des Konsortialführers, gemessen durch die Anzahl an wiederholten Kredit-syndizierungen, adverse Selektion vermindert. Ähnlich wie Simons fanden auch Dennis und Mullineaux keinen Anhaltspunkt für ein opportunistisches Verhalten der Agent-Banken. Vielmehr konnten sie Simons’ Ergebnis empirisch verifizieren, dass die Konsortialführer prozentual größere Anteile an problematischen Krediten halten als an einwandfreien.
Jones, Lang und Nigro (2000) orientierten sich an den Untersuchungen von Simons sowie Dennis und Mullineaux und untersuchten, ähnlich wie Simons, anhand von SNC-Krediten, welche Rolle Informationsasymmetrien bei Konsortialkrediten spielen. Anders als Simons untersuchten Jones, Lang und Nigro jedoch nicht nur Konsortialkredite aus einem Jahr, sondern im Zeitraum von 1995 bis 1999. Die Stichprobe umfasste über 23.000 Kredite und ist damit die größte in allen bisherigen Untersuchungen. Wie schon Simons zuvor, konnten auch Jones, Lang und Nigro eine positive Korrelation zwischen der Kapitalausstattung des Konsortialführers und dem Anteil am Konsortialkredit feststellen. Umgekehrt lässt sich sagen, je höher aufsichtsrechtliche Regularien und Kapitalbeschränkungen sind, desto eher versuchen Banken einen hohen Anteil eines Kredites zu syndizieren. Jones, Lang und Nigro konnten auch die Ergebnisse von Simons und Dennis/Mullineaux bestätigen, dass die konsortialführenden Banken einen prozentual höheren Anteil an schlechten Krediten halten als an einwandfreien. Die Interpretation ist jedoch eine andere als bei Simons und Dennis/Mullineaux. Während es auf den ersten Blick so aussieht, als ob Banken Informationsasymmetrien nicht zu ihrem Vorteil ausnutzen, argumentieren Jones, Lang und Nigro, dass Banken möglicherweise mehr zweifelhafte Kredite syndizieren, als dies unter symmetrischen Informationen der Fall wäre. Die Vermutung, dass die konsortialführenden Banken unter symmetrischen Informationen noch höhere Anteile an schlechten Krediten halten würden, ist jedoch nicht belegbar.
Panyagometh und Roberts (2002) bauten auf den Ergebnissen von Dennis und Mullineaux auf und nutzten für ihre Analyse ebenfalls die Datenbank LPC Database (vormals Gold Sheet Annual), allerdings mit einer wesentlich größeren Anzahl von Krediten. Ihre Studie umfasste insgesamt 8.128 Kredite, wovon 4.211 syndiziert waren. Anders als bei allen anderen Arbeiten zuvor versuchten Panyagometh und Roberts direkt zu testen, ob adverse Selektion bei Kreditsyndizierungen auftritt. Sie untersuchten dabei, ob und wie sich das S&P-Rating des Kreditnehmers innerhalb der Kreditlaufzeit geändert hat. Im Ergebnis konnten Panyagometh und Roberts, wie schon alle anderen Wissenschaftler zuvor, keine Anhaltspunkte für adverse Selektion feststellen.
Alle dargestellten Untersuchungen zeigen, dass es keine direkten Anzeichen für adverse Selektion im Kreditsyndizierungsmarkt gibt. Allerdings haben alle Untersuchungen erhebliche Schwächen, die sich nur schwer eliminieren lassen. Zwar kann theoretisch adverse Selektion nachgewiesen werden, indem gezeigt wird, dass Arrangeure überwiegend schlechte Kredite syndizieren. Allerdings kann im umgekehrten Fall nicht ausgeschlossen werden, dass adverse Selektion nicht auftritt. Es ist leider nicht möglich aufzuzeigen, wie hoch der syndizierte Anteil an guten und schlechten Krediten bei symmetrischen Informationen wäre. Eine weitere Schwäche liegt darin, dass die Reputation einer Bank schwer quantifizierbar ist. Versuche, die Reputation über das Rating des Kreditgebers oder die wiederholte Anzahl von Syndizierungen darzustellen, gehen sicherlich in die richtige Richtung, jedoch bilden diese Größen die Reputation...