Kapitel 6.1, Grundtypen und Aktivität
Bei der Generation 50 plus kann man nicht von der einen, homogenen Zielgruppe sprechen. Die TNS Infratest Holding GmbH & Co. KG hat in einer Studie herausgefunden, dass es vielmehr drei abgrenzbare Gruppen gibt. Anhand der Daten dieser Studie wurden drei Grundtypen von Menschen ab 50 Jahren gebildet:
Passive Ältere
Mit einer eher introvertierten Grundhaltung ist diese Gruppe mit 37% vertreten. Die Anzahl ihrer Freizeitaktivitäten ist geringer als in den anderen Gruppen und auch Medien wie Radio, Zeitschriften und Bücher werden unterdurchschnittlich genutzt. Im Gegensatz zu den anderen Gruppen verfügen sie meist über eine geringere Bildung und ein geringeres Haushaltsnettoeinkommen.
Kulturell Aktive:Ihr Anteil beträgt 33 % am Segment der Generation 50 plus, wobei der Frauenanteil deutlich höher als in den anderen Gruppen ist. Insbesondere Theaterbesuche und das Lesen von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften stehen im Vordergrund. Sie verfügen über einer starke kulturelle Orientierung und legen hohen Wert auf Familie und Religion.
Erlebnisorientierte Aktive
Sie bilden die jüngste Altersgruppe innerhalb der über 50-Jährigen. Ihr Anteil liegt insgesamt bei 30%, wobei der Männeranteil überwiegt. Zu ihren typischen Freizeitaktivitäten gehören u.a. auch Kino, Trendsportarten, das Surfen im Internet und das Spielen am PC.
Für die kommenden Jahre wird prognostiziert, dass insbesondere der Anteil der erlebnisorientierten Aktiven sich, durch das Nachrücken der 40–49-Jährigen in das Segment der über 50-Jährigen, vergrößern wird. Da sich die meisten Kinogänger im Segment der erlebnisorientierten Aktiven befinden, kann sich der Anteil der über 50-Jährigen im Kino erhöhen, insofern sie Film-Angebot und Service interessiert.
Veränderungen in den Kinos
Fraglich ist, ob z.B. die Innenausstattung der Multiplex-Kinos die neue Zielgruppe anspricht. Oftmals sind hier große Bauten aus Beton und Glas mit dem Charakter eines Abfertigungsfoyers und riesigen Gastronomie-Theken vorhanden. Die Umgestaltung dieser Kinos wird dazu beitragen können, dass sich die älteren Kinogänger wohler fühlen und eher das Ambiente eines Programmkinos in den Multiplex-Kinos Einzug hält.
Einige Multiplex-Kinos bieten mittlerweile spezielle Führungen an, um Hemmschwellen abzubauen und planen die Filmstarts so, dass sich ältere und jüngere Kinogänger nicht über den Weg laufen. Diverse Aktionen richten sich mittlerweile speziell an ein älteres Publikum und sind dabei überaus erfolgreich, wie z.B. die Veranstaltungsreihe „Kino & Vino“ im Cineplex Bayreuth mit auf den im Anschluss an die Veranstaltung gezeigten Film thematisch abgestimmten Menüs und Weinverkostungen.
Veränderungen in den Strukturen der Kinobesucher
Seit 1993 veröffentlicht die Filmförderungsanstalt Berlin Studien über die Struktur des Kinobesuches und die Entwicklung der Besucherzahlen. Diese stützt sich auf das Individualpanel der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Dieses Panel umfasst 20.000 Teilnehmer und steht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. Diese Auswertung „Der Kinobesucher 2005 – Strukturen und Entwicklungen auf Basis des GfK-Panels“ dient hier zur Bestimmung des Kinoverhaltens der Generation 50 plus und im weiteren Verlauf teilweise zum Vergleich der in der späteren Internet-Befragung erhobenen Daten.
Anhand dieser Daten sieht man, dass das Alter der Kinobesucher im Zeitverlauf seit 1993 zugenommen hat. Während der Anteil der jüngeren Kinogänger (20 bis 29 Jahre) von 46% im Jahr 1993 auf 28% im Jahr 2005 abgenommen hat, ist der Anteil der Besucher, die das Alter von 50 Jahren erreicht haben, von 9% im Jahr 1993 auf 14% im Jahr 2005 angestiegen.
Im Vergleich gehen 12% der über 50-Jährigen und 17% der über 60-Jährigen alleine ins Kino, während nur 4% der Kinobesucher von 20 bis 29 Jahre alleine ins Kino gehen. Im Durchschnitt gehen 24,2% der Gesamtkinobesucher alleine ins Kino. Bei den Programmkinos liegt der Anteil mit 29,4% höher.
Die Generation 50 plus stellt mit insgesamt 23,7% einen Großteil der Besucher von Programmkinos dar. Der Anteil der über 60-Jährigen liegt hier bei 12,8% und ist fast doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Gesamtkinobesucher. 14,2% der Besucher von Programmkinos sind Rentner, 35,8% Angestellte und 25,2% Schüler/Studenten (die restlichen Prozente verteilen sich u.a. auf Beamte, Arbeiter, Hausfrauen).
Die wichtigsten Aufmerksamkeitsquellen unterscheiden sich teilweise sehr von denen des durchschnittlichen Gesamtkinobesuchers: Beim Programmkinobesucher sind dies Filmvorschau/Trailer im Kino (18,3%), Berichte, Kritiken in Zeitungen/Zeitschriften (18,1%), Empfehlung von Freunden und Bekannten (14,4%) und Werbung im Fernsehen (10,7%). Beim Gesamtkinobesucher sind dies:
Filmvorschau/Trailer im Kino (24,2%), Werbung im Fernsehen (18,7%), Empfehlung von Freunden und Bekannten (11,1%) und Berichte, Kritiken in Zeitungen/Zeitschriften (10,0%). Auch wenn diese Punkte jeweils die höchsten Prozentangaben haben, kann man deutliche Unterschiede erkennen und Schlüsse auf das Bildungsniveau der Programmkinogänger ziehen. Die Analyse der Bildungsstruktur ergab, dass der Programmkinobesucher überdurchschnittlich gebildet ist (Abitur/Studium erreichten 60,4% im Vergleich zum Gesamtkinobesucher mit 53,5%) und besonderen Wert auf Thema und Story bei der Motivation des Kinobesuches legt (50,8% im Vergleich zum Gesamtkinobesucher mit 43,0%).
Viele Programmkinos strahlen eine Gemütlichkeit aus, die in den Multiplex-Kinos nicht gegeben ist. Aber gerade diese Atmosphäre scheint die älteren Kinogänger anzusprechen. So sollen teilweise optische Umgestaltungen wie gemütliche Wartezonen, edle Ausstattung und ansprechende Foyers dazu beitragen, Kinobesucher verstärkt anzusprechen – insbesondere diejenigen, die schon lange nicht mehr im Kino waren.
Durch Veranstaltungsreihen und Aktionen kann bestimmt auch der eine oder andere Kino-Abstinente über 50-Jährige wieder mehr Gefallen am Medium Kino finden. Längere Laufzeiten der Filme und ein anspruchsvolleres Programm scheinen ebenfalls wichtige Faktoren für eine mögliche Besuchersteigerung zu sein. Im Gegensatz zu den Deutschen gehen die 50-Jährigen in der Schweiz und in Frankreich viel öfter ins Kino. Gerade bei anspruchsvollen Filmen sind diese bis zu zehnmal häufiger im Kino anzutreffen. Somit ist sicherlich auch in Deutschland noch Potenzial für weitere Kinobesuche der Generation 50 plus vorhanden...