Kapitel 4.3, Relevante Merkmale chinesischer Märkte
Bevor im folgenden Kapitel auf die Möglichkeiten der Wahl einer Erschließungsstrategie für den chinesischen Markt eingegangen wird, sollen zuvor einige hierfür relevante Besonderheiten des Marktes aufgezeigt werden.
Allgemeingültige Aussagen über den chinesischen Markt zu treffen erscheint beinahe unmöglich. Zu groß sind die Unterschiede. Zum einen regional gesehen, zum anderen im Hinblick auf unterschiedliche Konsumentenbedürfnisse. Die folgenden Ausführungen werden sich daher in erster Linie auf die für westliche Unternehmungen interessantesten Regionen beziehen. Das heißt, wie in Kapitel 4.2.2 ausgeführt, vordergründig auf die großen Städte an der Ostküste und im Südosten des Landes.
Aufgrund der niedrigen Arbeitskosten ist insbesondere der Markt für Massenprodukte von einem extrem preislastigen Wettbewerb geprägt. Dieser Bereich erscheint damit wenig interessant für westliche Unternehmen, da davon auszugehen ist, dass insbesondere asiatische Mitbewerber in aller Regel aufgrund größerer Marktkenntnis und größerer Ausbringungsmengen Kostenvorteile haben werden.Die Wettbewerbsintensität nimmt allgemein schnell zu. Zum einen strömen mit zunehmendem Wirtschaftswachstum und der damit verbundenen Steigerung der Kaufkraft chinesischer Konsumenten immer mehr ausländische Unternehmungen in den Markt, allein im Jahre 2003 gab es einen Zuwachs von rund 17%. Zum anderen lernen die lokalen Unternehmen dazu und entwickeln sich, auch in Bezug auf ihre Fertigungs- und Produktqualität, schnell weiter. Selbst Unternehmen, die sich in zunächst sicheren engen Nischenmärkten angesiedelt hatten, werden dort zunehmend erfolgreich von anderen Unternehmen angegriffen.
Die Unübersichtlichkeit chinesischer Teilmärkte kann ein Hindernis sein. Häufig sind relevante Informationen nur sehr schwer zu beschaffen. In vielen Märkten ist China noch ein Entwicklungsland. So sind Marktpotentiale oder Volumina kaum abzuschätzen, Marktgrenzen verschwimmen. Dies kann sich natürlich dann zum Vorteil wandeln, wenn die eigene Unternehmung die Marktbarrieren leichter überwinden kann als andere.
Kapitel 4.3.1, Der Schutz geistigen Eigentums in China: Der unzureichende Schutz geistigen Eigentums ist eine der meistdiskutierten und damit wohl auch relevantesten Unzulänglichkeiten des chinesischen Marktes.
Eine Studie von Schwärmer und Lynton im Jahr 2002 identifizierte den unzureichenden Schutz geistigen Eigentums als eine der größten Markteintrittsbarrieren für deutsche KMU. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kam das Beratungsunternehmen KPMG. Laut ihrer Studie sehen 82% der Befragten hierin ein ernsthaftes Hindernis. Insbesondere Unternehmen, deren Hauptgeschäftsfeld in entwicklungsintensiven Bereichen, wie Unterhaltungselektronik, medizinische Geräte, Medikamente, Software etc., liegt, stehen einem Technologietransfer nach China, oftmals zu Recht, skeptisch gegenüber.
Ungeachtet dieser Tatsache ist China einer der größten Technologieimporteure weltweit. Dies mag darin begründet liegen, dass die vermeintlichen Marktchancen von den meisten Unternehmen höher gewertet werden als das Risiko des Know-how Verlustes. Hinzu kommt, dass entsprechendes Risiko seit einigen Jahren konstant abnimmt.
Auf Druck der internationalen Gemeinschaft, aber auch auf das zunehmende Drängen inländischer Technologieproduzenten, verschärft die chinesische Regierung seit einigen Jahren den Druck auf Produzenten von Plagiaten. Der Umgang mit geistigem Eigentum wie Know-how und Markenrechten war in der chinesischen Vergangenheit sehr unbedarft. Einfache Technologien wurden zumeist als Gemeinwohl gesehen und auch entsprechend behandelt.
Erst mit zunehmendem Zufluss ausländischer Unternehmen in den vergangenen 20 Jahren stieg die Sensibilisierung langsam an. Parallel wird seitens der chinesischen Regierung der rechtliche Rahmen verbessert.
Regelmäßig werden neue Gesetze zum Patentrecht erlassen und China hat diverse internationale Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums unterzeichnet. In vielen Fällen wird von ausländischen Unternehmen von dreisten Plagiaten ihrer Technologien berichtet.
Dennoch, nach wie vor beklagen ausländische Unternehmen den unzureichenden Schutz ihrer Erzeugnisse. Insbesondere Hersteller von Industriemaschinen sehen sich bedroht. Ihre Produkte stehen weit weniger im Interesse der Öffentlichkeit als z.B. die der Film- oder Musikindustrie. Der Vertreter eines deutschen KMU, Hersteller von Textilmaschinen, sieht sein Unternehmen in der Existenz bedroht. Nachahmer greifen das Unternehmen nicht mehr nur auf dem chinesischen, sondern auf dem Weltmarkt an. Fälle wie dieser sind keine Seltenheit. Aber die Schuld hierfür ist nicht allein bei der chinesischen Autorität zu suchen.
Nach Meinung von Dietz, Shao-Tin Lin und Yang betreten viele Unternehmen den chinesischen Markt zu übereilt und unbedarft. Man verlässt sich zu stark auf das Rechtssystem und versäumt es, den Schutz des eigenen Know-hows grundlegend in die Strategie des Unternehmens zu implementieren.
Spezielle interkulturelle Schulungen können die Sensibilität für den Schutz geistigen Eigentums erhöhen, das Zurückhalten einiger besonders sensitiver Produkte vom chinesischen Markt sollte bisweilen dem kurzfristigen ökonomischen Erfolg vorgezogen werden.
Abschließend ist festzuhalten, dass nach wie vor große Probleme mit dem Schutz geistigen Eigentums bestehen, diese aber bei entsprechender Vorgehensweise keine unüberwindliche Markteintrittsbarriere darstellen.