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Im heißen, gemächlichen Sommer von 1783 läuft der zweite Abend in Dublin sogar noch besser als der erste, also ist der Saal auch für die dritte Nacht gebucht, und eilig werden Plakate in Druck gegeben. Nach jahrzehntelanger Schufterei und Enttäuschung, in denen er seine Kneipe ausgewischt, schlafende Betrunkene vor die Tür geschleppt und die feuchten Sägespäne auf die Straße gekippt hat, steht Samuel Bisset wieder im Rampenlicht, weil sein schwarzes Schwein ein Star ist: Die Leute lieben das Tier. Warum auch nicht? Es ist ein gut aussehendes Vieh mit kräftigem Nacken und Hüften, dabei aber nicht riesig oder schwabbelig. Es ist ein Schwein, wie es jeder zu Hause im Stall hat, nur vielleicht schlanker, mit mehr Glanz im Fell, und es macht ein nettes Trippelgeräusch, wenn es über die Bretter der Bühne trottet. Außerdem hat es einen Ausdruck in seinen Augen, den sie bei ihren Hinterhofschweinen nicht kennen: ein Glitzern, ein wissendes Leuchten; sicherlich ein Zeichen seiner Weisheit. Das hier, darin sind sie sich einig, ist ein einmaliges Schwein, ein Wunder seiner Rasse, ein Wunder der Natur, von dem sie Zeugnis ablegen dürfen. »Wunderbar und außergewöhnlich«, verkünden die Zeitungen.
Stück für Stück finde ich mehr Einzelheiten über Samuel Bisset und seine wechselvolle Geschichte heraus. So wie ich Big Pig und Little Pig besser kennenlerne, da sie mehr und mehr meiner Zeit in Beschlag nehmen, fasziniert mich dieses andere Schwein zunehmend, dieses schwarze Schwein aus einer längst vergangenen Zeit, das es von einem unbekannten Tier zu einer bizarren Berühmtheit gebracht hat. Die Aufführung ist recht schlicht. Eine Reihe von Buchstaben- oder Zahlenkarten wird in einem Kreis vor dem Schwein ausgelegt, und wenn Bisset dem Schwein eine Frage stellt, zeigt es – Buchstabe für Buchstabe oder Zahl für Zahl – auf die Antwort. Einige Fragen sind einfach zu beantworten – Wie heißt die feine Dame in dem blauen Kleid? –, andere erfordern eindeutig Überlegungen, Berechnungen oder sogar telepathische Fähigkeiten: Wie viele der Anwesenden haben mehr als 500 Pfund Schulden? Was denkt der Herr mit dem Stock jetzt gerade? Im Raum sind keine Handlanger oder Komplizen positioniert. Bisset und sein Schwein arbeiten allein – so viel ist klar –, und die Zuschauer können keine Hinweise auf Tricksereien oder Schummeleien entdecken: Bisset macht keine offensichtlichen Zeichen, er gibt weder ein Flüstern noch ein Quieken, Stampfen oder Niesen von sich. Die Menschen sind verwirrt von dem, was sie sehen, sie wundern sich über dieses kluge Schwein. Aber es schlägt sie in seinen Bann, und sie lassen sich schnell von seinem geübten Auftritt überzeugen. Niemand bezweifelt, dass es die wundersame Intelligenz des Schweines ist, die es ihm ermöglicht, solche Kunststücke vorzuführen. Eine Intelligenz, die nur durch Bissets vorsichtiges Training zur Vollendung gelangt ist.
Außerhalb der Bühne ist Bisset sehr ruhig, vielleicht um seine Gedanken zu sammeln. Ich kann nur sehr wenig darüber herausfinden, wie er in diesen Dubliner Tagen lebt, oder was er tut, wenn er nicht auftritt. Sehr wahrscheinlich ist er überrumpelt von seinem plötzlichen Erfolg. So viele Jahre hat er von den Erinnerungen an die aufregenden Tage damals in London gezehrt, dass diese dünn und blass geworden sein dürften. Da wäre es verständlich, wenn er vom leuchtenden Triumph und dem Lärm seines neuen Erfolges überwältigt wäre. Ich stelle ihn mir in einem ruhigen Pensionszimmer sitzend vor, glücklich, das Schwein neben sich zu haben, den gewohnt herben Geruch nach Dung in der Nase und das angenehme Gefühl rauer Haut unter seiner Hand, während er seinen neuen Star streichelt, ihm die Ohren krault und ihm dieses oder jenes über den Tag zuflüstert. Und ich frage mich, wie es dem Schwein geht, so hineingeworfen in eine seltsame, lärmende neue Welt, einen Ort der beunruhigenden Aufregung. Ich kann es grummeln hören, so wie meine Schweine grummeln, und an den staubigen Ritzen zwischen den Bodendielen schnüffeln. Zweifelsohne verbringen sie die Stunden zwischen einer Aufführung und der nächsten miteinander, unzertrennlich, im Dämmerlicht ihrer Unterkunft. Das Schwein muss fressen und trinken, Kräfte und Geist schonen. Bisset lässt sich von dem Feuer treiben, unsicher, wie es wieder dazu gekommen ist. Seine Gedanken gären wie Hefe im Bier, er hegt lebhafte Träume für die Zukunft. Er streckt seine Hand aus, um den Rumpf seines Tieres zu tätscheln und sich zu beruhigen.
Ich muss feststellen, dass ich die Zeit genieße, die ich mit Big Pig und Little Pig verbringe, in der ich sie einfach nur beobachte und berühre. Es liegt etwas Beruhigendes in der Art, wie sie die Dinge anpacken, in ihrem Rhythmus, ihrer unaufgeregten Futtersuche, ihrer Zuversicht, dass sie Futter finden werden. Es macht Freude, diesen stämmigen, wohlgeformten Tieren zwischen den Bäumen zuzusehen. Sie sind unablässig auf eine langsame Art geschäftig, unaufhaltsam in Aktion, bewegen sich dauernd weiter. Ich habe schon immer gewusst, dass Tiere Platz brauchen, um gut zu gedeihen, und ich habe immer – wo es möglich war – Schweine- und Geflügelfleisch aus Freilandhaltung gekauft. Aber beobachten zu können, wie die Schweine herumtrippeln, wie sie graben und wühlen, die ständige Aktivität zu sehen, die ihren Tag ausfüllt, das hat mir bewusst gemacht, wie grausam es ist, ein Schwein so einzuengen, dass es sich nicht rühren kann, dass es nichts tun und nirgendwo hingehen kann. Schweine brauchen Raum, um sich zu bewegen, Erde zum Wühlen und Arbeiten, außerdem ein Minimum an Futter und Wasser. Ich kann mir Big Pig und Little Pig nicht in einem Käfig vorstellen.
Als die Tage länger werden und die Sonne immer wärmer scheint, bringen wir einen alten Plastikstuhl mit und stellen ihn im Gehege auf. Manchmal komme ich her, setze mich hin und schaue, manchmal Ed. Es kommt immer nur einer von uns. Das ist eine ruhige, respektvolle Angewohnheit, quasi ein Ausdruck von Freundschaft, eine Möglichkeit, den Tag zusammen zu verbringen. Langsam kenne ich die kleinen Gewohnheiten der Schweine, ihren immer wieder gleichen Tanz beim Kampf um das Futter, die Art, wie der eine dem anderen folgt, ihre nie enden wollende Neugier auf das, was sich unter der nächsten Schicht klebrigen Bodens befindet. Wenn ich sehe, wie sie graben oder nebeneinander faul in der Sonne dösen, freue ich mich. Ich lache über die vielen Arten, wie sich Ferkel erschrecken, in wilder Angst vor einem plötzlichen Geräusch – ein Ast, der von dem Baum herunterfällt, den sie gerade schütteln, ein schreiender Esel, das Müllauto –, und im nächsten Augenblick sind sie schon wieder ruhig, haben das schreckliche Ereignis komplett vergessen.
Auf diese Weise, ruhig und bedächtig, lerne ich Big Pig und Little Pig kennen. Sie wachsen vor meinen Augen heran. Und wenn ich ihnen so zusehe, muss ich manchmal auch an ihren Tod denken. Ed und ich sprechen nur selten über das Töten der Schweine. Ich weiß, dass Ed recht zufrieden ist mit den getroffenen Vereinbarungen. Er versteht, dass wir sie schlachten müssen. Dass wir keine Wahl haben werden. Und ich verstehe das auch – aber ich versuche mir auch vorzustellen, wie es sein wird, das Messer in der Hand zu halten, wie es sein wird, jetzt und hier ein Schwein zur Seite zu ziehen und ihm die Kehle aufzuschlitzen.
Ich könnte es nicht. Das weiß ich. Wenn ich jetzt dazu aufgefordert würde, eines meiner Ferkel – nehmen wir zum Beispiel Little Pig – quietschend und sich windend aus der Einfriedung herauszuzerren und ihm ein Messer in die weiche schwarze Haut zu stechen, ich könnte es nicht tun. Ich scheue sogar vor dem bloßen Gedanken daran zurück, stoppe meine Vorstellungen an dieser Stelle, verweigere meinen Blick der näheren Betrachtung. Schließlich wollen wir die Schweine jetzt noch nicht töten. Sie haben noch sechs Monate oder mehr zu leben. Und dann wird es der richtige Zeitpunkt sein, und deshalb wird es uns richtig vorkommen, es zu tun. Bis dahin werde ich vorbereitet sein, und es wird alles so passieren, wie es soll. Alles zu seiner Zeit.
So konstruiere ich logische Argumente, die mir vormachen sollen, dass die Dinge absolut in Ordnung sind. Aber ein Teil von mir, der weniger vernünftige Teil, schreckt vor dem Schlachten zurück, und ich beginne mich zu fragen, ob die Vernunft am Ende genügen wird. Ich beginne mich zu fragen, ob die Schweine vielleicht alle Logik und umsichtige Tierhaltung am Ende genauso zertrampeln werden, wie sie die härtesten und knorrigsten Wurzeln zertrampeln. Dann würden nur noch die weichen Dinge bleiben: das Gefühl von mir und ihnen; die Zeit, die wir zusammen verbracht haben; der Ort, den wir hier miteinander geteilt haben. Ich hätte bloß noch das Gefühl, dass die Tiere getötet werden müssen. Und ich habe überhaupt keine Ahnung, wie das wäre.
Aber von Ed weiß ich, dass er fest entschlossen ist, er beschäftigt sich gedanklich mit den praktischen Fragen rund ums Fleisch – und ich spreche nicht mit ihm über meine Bedenken. Stattdessen begrabe ich sie vorerst unter kleinbäuerlichen Sorgen. Während wir den Schweinen mit wachsender Vertrautheit und zunehmendem Stolz gemeinsam zuschauen, werden wir mehr und mehr wie Bisset: Auch wir sind entschlossen, das Beste aus unseren Schweinen herauszuholen. Natürlich hatte er die Auftritte im Blick, die Kunst- und Bravourstücke, das Geld, das zu machen war. Allerdings nehmen auch unsere täglichen Diskussionen dieselbe zwanghafte Fokussierung auf Details an, denselben forschenden Blick und dieselbe Erwartungshaltung. Wir reden darüber, wie wir diese Sache gut machen können, wie wir das Wohlergehen unserer Schweine sicherstellen können, wie wir sie bei allerbester Gesundheit halten können. Wie sehen die...