Seit langem kontrovers diskutiert wird die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang der Bürge vor den Folgen seiner Bürgschaftsübernahme zu schützen ist. Stephan Dreismann befaßt sich mit der sog. Freistellungslösung. Diese will den als notwenig erachteten Bürgenschutz durch die Statuierung von Gläubigerpflichten zur Aufklärung vor Vertragsschluß und zur Rücksichtnahme auf die Belange des Bürgen während des Laufes der Bürgschaft gewährleisten. Verletzt der Bürgschaftsgläubiger eine ihn im Einzelfall treffende Verhaltensanforderung, hat er den Bürgen von der übernommenen Verpflichtung freizustellen. Der Autor unterzieht die hierzu in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen einer kritischen Überprüfung. Dabei zeigt sich, daß die wissenschaftliche Auseinandersetzung die dogmatischen Grundlagen des Bestehens von Nebenpflichten in Schuldverhältnissen durchweg vernachlässigt. Anhand dieser entwickelt der Verfasser vertragsspezifische Parameter für die Existenz von Gläubigerpflichten im Bürgschaftsverhältnis. Hierdurch weist er nach, daß viele der im Laufe der Jahre von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Pflichten des Bürgschaftsgläubigers mit den Vertragserklärungen der Parteien, dem Sicherungszweck der Bürgschaft sowie der vorgesehenen Risikoverteilung unvereinbar sind und für den Schutz des Bürgen die gesetzlichen Schutzinstrumente regelmäßig ausreichen. Lediglich in Ausnahmefällen, namentlich im Zusammenhang mit vertragsuntypischen Risiken, läßt sich die Annahme von Pflichten des Bürgschaftsgläubigers zur Rücksichtnahme auf die Bürgeninteressen rechtfertigen.
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