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Caféhäuser in München

Geschichte(n) aus drei Jahrhunderten

AutorChristine Riedl-Valder
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783791761428
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Anders als in Wien, wo man der Legende nach der Belagerung durch die Türken die Liebe zu diesem Getränk verdankt, äußern sich in München vielfältige Einflüsse und eine starke Bindung zum Süden. Ab dem späten 18. Jahrhundert wurde München auch in Sachen Kaffeegenuss zur 'nördlichsten Stadt Italiens' und ist es bis heute geblieben. In der Geschichte der Münchner Cafés spiegelt sich das facettenreiche Gesellschaftsleben der Landeshauptstadt wider. Nicht zuletzt spielten die Cafés auch eine wichtige Rolle als Schauplatz weiblicher Emanzipation. Daneben bezeugen bayerisches Konfekt, Torten, Kuchen und Gebäck seit jeher die sinnliche Daseinsfreude, die man in der Isar-Metropole zu genießen weiß.

Christine Riedl-Valder, Dr. phil., geb. 1957, arbeitet seit ihrem Studium in Wien und Regensburg als Kulturjournalistin. Sie hat bereits zahlreiche Beiträge zur Literatur, Kunst und Geschichte Bayerns veröffentlicht.

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Leseprobe

„… unstreitig die Ursache für so viele körperliche Erschlappungen“ Zögerliche Ausbreitung der Caféhauskultur im 18. Jahrhundert


Die Widersacher des Cafégewerbes


Es sollte noch mehrere Jahrzehnte dauern, bis der Kaffeekonsum in München wirklich in der Bürgerschaft verankert war, denn es gab zunächst großen Widerstand gegen das aufkommende Modegetränk. Dem Gewerbe haftete der Makel des Unseriösen an. Die Riege der Kaffeesieder setzte sich im 18. Jh. aus einer bunt gemischten Schar von ausländischen Schauspielern, Händlern, ehemaligen Kammerdienern, Hofköchen und -schreibern zusammen, die sich damit meist nur ein Zubrot verdienten, oft keine Abgaben leisteten und daher von den Städtern angefeindet wurden. Außerdem genossen die Serviererinnen in diesen Etablissements anfangs einen zweifelhaften Ruf. Das erste deutschsprachige „Frauenzimmer-Lexikon“, das 1715 in Leipzig erschien, stellte ihnen ein vernichtendes Urteil aus: „Caffe-Menscher, heissen nach heutiger Art zu reden, diejenigen verdächtigen und liederlichen Weibes-Bilder, so in denen Caffe-Häusern das anwesende Mannsvolck bedienen, und ihm alle willigen Dienste bezeugen.“ Für Damen galt überhaupt der Besuch von Lokalen ohne männliche Begleitung bis ins 19. Jh. als unschicklich. Der Historiker Lorenz von Westenrieder widmete sich in seinem Münchner Stadtportrait von 1782 auch den herrschenden Sitten und schrieb dazu: „Was den Wohlstand betrifft: so besuchen wohlerzogne Frauenspersonen, ohne Begleitung eines Manns, kein Wirthshaus …“ Ganz anders sah die Situation in Frankreich aus. Das Verdienst, das Caféhaus dort schon früh gesellschaftsfähig gemacht zu haben, gebührt dem Sizilianer Francesco Procopio Coltelli, der sein „Café Procope“ um 1689 gegenüber dem Théâtre Français in Paris eröffnete. Dessen verschwenderische Ausstattung mit großen Spiegeln, Kristalllüstern, edlen Tapisserien und Marmortischen erregte in ganz Europa Aufsehen und zog die vornehme Gesellschaft an. Es wurde über Jahrhundert hinweg vorbildlich für alle Caféhäuser von Rang. Die erste namhafte Adresse dieser Art in München entstand erst mit dem „Hofgartencafé“ des Italieners Sarti Anfang der 1780er-Jahre und seines Nachfolgers Luigi Tambosi, gefolgt dann von einer Reihe prunkvoller Lokale in der Prinzregentenzeit.

Als Sittenwächter gebärdeten sich auch die gutsituierten Wirte der Münchner Weingasthöfe, die im Äußeren Rat der Stadt zahlreich vertreten waren. Sie versuchten mit einer Beschwerde an Kurfürst Karl Albrecht die wachsende Konkurrenz der Kaffeesieder einzudämmen. Darin heißt es: „Zum luxuriösen Leben wird viel beigetragen durch die Vermehrung der Kaffeehäuser, die Tag und Nacht dem Übermut offen stehen und wo die unnötigen und wollüstigen Getränke wie Kaffee, Tee, Rosoglio (= eine Likörart, hauptsächlich Orangenlikör), Wein etc., jederzeit angeboten werden“. Der Kurfürst versprach daraufhin, keine neuen Lokale mehr zuzulassen. In einem Dekret vom 20. April 1727 ist vermerkt, dass der Regent beabsichtige, „die Caffeehäuser … nach und nach gar abgehen zu lassen“. Die meisten Genehmigungen seien sowieso nur befristet oder auf Lebenszeit ausgegeben worden. Bestehende Kaffeeschenken würden zwar geduldet, jedoch ohne Ausstattung mit Stühlen oder Bänken, damit sich die Gäste nicht zu lange dort aufhielten. Diesem Schreiben fügte Vizekanzler Wiguläus Kreittmayr, der unter dem Nachfolger von Kurfürst Karl Albrecht die Grundlagen der bayerischen Rechtsordnung schuf, rund 40 Jahre später einen knappen Kommentar bei: „Dem ohngeacht wird dieses schwerlich jemand erleben, und so lang die Welt nicht ihren Gusto verändert, so wird sie auch nicht ohne Caffeehaus verbleiben.“

Bis gegen Ende des 18. Jhs. rückten sittenstrenge Aufklärer und Moralapostel immer wieder gegen den braunen Muntermacher zu Felde. Sie verdammten Kaffee und das „Tabaktrinken“, wie das Rauchen anfangs genannt wurde, als Verursacher eines gesundheitsschädlichen, verderblichen Luxuslebens. Zum Beispiel belehrte die Münchner Zeitung ihre Leser 1781 wie folgt: „Meine liebe Leinewäscherin, du sollst dir statt Kaffee Brot kaufen und Rindsuppe essen und du wirst weniger kränkeln als beim schwarzen Laxierdekokte (= Kaffee) … Ehemals erhielt manche Dame ihre Kinder eichelfrisch mit Rhabarber- und Holunderbeerensaft und man kannte noch keine Blähungen, Koliken, Hypochondrien und Magenkrämpfe.“ Die Münchner Nachrichten orakelten im selben Jahr, dass man mit den „verwünschten Kaffeeplempern“ und dem täglich anwachsenden „Bohnenröstergewerbe“ noch so weit kommen werde, dass die großen Städte bald mehr Kaffee- als Bierschenken besäßen. Auch Johann Franz Seraph von Kohlbrenner, der Herausgeber des Münchner Intelligenzblattes, schrieb 1783, „… dass der Caffee ein schädliches und schleichendes Gift ist, das haben schon sehr viele Ärzte aus zureichenden Gründen erwiesen …“, und machte das Getränk ebenfalls verantwortlich für Koliken, Magenkrämpfe und Hypochondrien. Er riet seinen Lesern zu dem angeblich gesunden Zichorienkaffee.

Der Domkapitular, Poesie-Professor und Historiker Lorenz von Westenrieder, Münchner „Kulturpapst“ in den Jahrzehnten um 1800, hatte stets eine große Palette schriftstellerischer Arbeiten auf seinem Schreibtisch zu bewältigen. Seinem Freund Franz Xaver Hueter verriet er 1776 in einem Brief, dass er sein Pensum nur schaffe, indem er die Nächte durchschreibe und sich mit sehr viel Kaffee wach halte. Offensichtlich war ihm dies aber schlecht bekommen, denn 1788 warnte er, „der allgemeine Gebrauch des Kaffees (sei) unstreitig die Ursache für so viele körperliche Erschlappungen, Gebrechen und Schwachheiten, auch für die Hämorrhoiden“. Er riet allen, die noch keine Sehnsucht nach Kaffee hätten, lieber bei den Bier- und anderen Suppen zu bleiben, da diese bekömmlicher seien. In einer Untersuchung, die im selben Jahr erschien, verstieg er sich gar in Überlegungen darüber, ob Kaffee- und Bierwirte neben „Juden, Tändlern, Galanteriekrämern, Pfuschern, Bettlern“ u. a. überhaupt zur eigentlichen Bevölkerung gehören würden. In seinem Buch „Hundert Sonderbarkeiten oder das neue München im Jahr 1850“ von 1824 malte er sich die weitere Entwicklung der Stadt aus. Er wünschte sich dabei einen zahlenmäßigen Rückgang der Lokale und mutmaßte, dass viele Mitbürger in Zukunft den Zeitaufwand für einen Cafébesuch nicht mehr aufbringen wollen: „Es gibt jetzt in München nur noch 12 Kaffee- und in und außer der Stadt nur noch 100 Bierschenken … Man würde jetzt nicht begreifen, wo man die Zeit hernehmen könnte, um tagtäglich die vollen Nachmittage und bis Mitternacht bey dem Billard und anderen Spielen sich einfinden zu können.“ Mit dieser Prognose sollte er zum Teil richtig liegen, denn mit dem Erstarken der Wirtschaftskraft und einer neuen ideologisch-positiven Bewertung von nützlicher Arbeit, Produktion und Konkurrenz im 19. Jh. kam das Caféhaus als „Spielhaus“, in dem man nur seine Zeit verplemperte, ins Kreuzfeuer zeitgenössischer Kritik.

Westenrieder bekam 1781 Besuch von dem Verlagsbuchhändler Friedrich Nicolai, einer zentralen Gestalt der Berliner Aufklärung, der damals eine ausgedehnte Reise durch Deutschland und die Schweiz unternahm und dabei auch die bayerische Residenzstadt besichtigte. Seine Eindrücke und Erkenntnisse aus dieser Tour veröffentlichte er ab 1783 in zwölf Bänden, zwei davon widmete er Bayern und München. Darin berichtete er mit beißender Ironie über die katholischen Andachtsübungen und das Brauchtum der Bevölkerung, äußerte aber auch sein Unverständnis über die Zunftzwänge, die in München herrschten und die seiner Meinung nach der wirtschaftlichen Entfaltung entgegenstanden. Er war der Ansicht, dass man das nützliche Handwerk gegenüber dem Luxusgewerbe zu wenig fördere, und zitierte in diesem Zusammenhang Westenrieders Tabelle der Münchner Handwerkermeister und Gewerbegerechtigkeiten, in der 18 Kaffeesieder, die ein Caféhaus betreiben, und 6 „Chocolatmacher“ genannt sind, dagegen aber nur vier Riemer und 15 Tuchmacher.

Die Münchner „Caféhausdichte“ im Jahr 1782 entsprach mit 18 Adressen in etwa der von Berlin, das 1769 offiziell 13 Cafés verzeichnete; in Wien belief sich die Anzahl dagegen auf 68 im Jahr 1787 und Paris besaß 1716 schon 300 Cafés. Mit der zunehmenden Etablierung als seriöses Gewerbe vermehrte sich auch die Anzahl der Ausschankstätten. In der Folgezeit entwickelten sich verschiedene Typen von Cafés: einfache, kleine Lokale und Stände auf und um die Marktplätze, in denen Dienstboten, Händler und einfache Bürger verkehrten, Kaffeezelte und -pavillons in den öffentlichen Parks für das sonntägliche Ausflugsvergnügen und Cafésalons für die höheren Stände des Bürgertums, der Beamtenschaft, des Militärs und des Adels.

Geschäfte mit Kaffeegeschirr – Die Nymphenburger Porzellanmanufaktur


Für den verfeinerten Lebensstil, zu dem der Kaffeegenuss gehörte, brauchte man besondere Gefäße, mit denen ausgeschenkt und aus denen getrunken wurde. Im 17. Jh. gab es in Europa noch kein passendes Material. Die Becher und Pokale aus verschiedenen Metallen waren ungeeignet, da man sich mit ihnen beim Trinken des heißen Inhalts die Lippen verbrennen konnte. Glas barg die Gefahr, zu zerspringen; Holz beeinflusste den Geschmack; Keramik war zu dickwandig, schlecht zu reinigen und wurde bei diesem Gebrauch unansehnlich. Aus dem fernen Osten brachten die Seefahrer von ihren Reisen weißes, blau bemaltes Porzellan mit, das mit dem dunklen Getränk einen schönen Farbklang ergab. Außerdem war Porzellan ein schlechter...

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