In diesem Kapitel werden die Radioangebote in NRW und ihre Entwicklung im Zeitverlauf beschrieben. Dabei wird die Radiolandschaft zunächst grob in öffentlich-rechtliche und private Sender in NRW aufgeteilt. Ein eigener Abschnitt ist dem Digitalradio in Nordrhein-Westfalen gewidmet.
Der Westdeutsche Rundfunk, kurz WDR, ist die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt für Nordrhein-Westfalen. Zugleich ist sie auch die mit den meisten Beschäftigten in ganz Deutschland und die mit den zweitmeisten Beschäftigten in ganz Europa (nach der BBC). Der WDR entstand 1956 durch die Spaltung des NWDR in den NDR und den WDR.[88] Rechtsgrundlage des WDR ist das Gesetz über den „Westdeutschen Rundfunk Köln“ (WDR-Gesetz), das das Land Nordrhein-Westfalen am 25. April 1998 bekanntgemacht hat. Der WDR stellt fast alle der landesweit empfangbaren Radioprogramme in Nordrhein-Westfalen.
Die WDR-Programme via UKW:
1LIVE[89] – Zielgruppe 14–39[90], „der Hinhörsender“[91]
WDR 2 – Zielgruppe 25–59[92], „der Nachrichten- und Infosender“[93]
WDR 3 – Kulturradio des WDR[94], keine Werbung
WDR 4 – „Gute-Laune-Qualität für die Zielgruppe 45–69“[95]
WDR 5 – wortgeprägtes Kultur- und Infoprogramm, keine Werbung
Funkhaus Europa – „Global Sounds Radio“[96], werbefreies Radio in Zusammenarbeit mit dem RBB und Radio Bremen.[97]
Über das Digitalradio kommen noch weitere WDR-Programme hinzu, die teils auch via Mittelwelle zu empfangen sind:
1 Live diggi – „Radioexperiment“, „Versuchslabor“[98], Moderation zwischen 16 und 20 Uhr. Die Musikauswahl solle "jünger und zugespitzter" sein als bei 1LIVE.
KIRAKA – seit 2006 gesendetes Kinderprogramm (KInderRAdioKAnal)
WDR Info – textbasierter Datendienst des WDR
WDR Event – „WDR Event ist bei großen Ereignissen auf Sendung: Sportereignisse, Bundestagsdebatten, Preisverleihungen und andere kulturelle Events“[99] (auch Mittelwelle)
WDR VERA – Verkehrsnachrichten von einem Computer gesprochen nonstop in voller Länge, die bei besonders stauträchtigen Verkehrslagen auch von den anderen Mittelwellensendern übernommen werden (auch Mittelwelle)
Diese Programme werden fast ausschließlich aus Köln bespielt, wo der WDR seinen Hauptsitz hat. Nur WDR4 hat seinen Hauptsitz in Dortmund. Es gibt aber auch noch zehn weitere Studios des WDR:
Aachen
Bielefeld
Bonn
Dortmund
Düsseldorf
Duisburg
Essen
Münster
Siegen
Wuppertal
Von dort aus werden für den Hörfunk die Regionalnachrichten auf WDR2 produziert. Außerdem werden größere Themen in den Gebieten auch inhaltlich von den regionalen Mitarbeitern für die großen Wellen geliefert. Für den Bereich Fernsehen werden in den Regionalstudios die Lokalzeiten produziert.
Während es in anderen Bundesländern eine Vielzahl privater Radioanbieter gibt (in Berlin 17, in Nürnberg und Umgebung 15), gibt es in im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands, Nordrhein-Westfalen, nur „radio NRW“. Radio NRW ist in seinen Aufgaben verschiedenartig zu definieren. Zum einen sendet radio NRW das Mantelprogramm für die 45 Lokalradios mit über 100 Frequenzen in NRW. Zum anderen gibt radio NRW aber auch das Format, den Klang, die Musik und Gewinnspiele vor, die die Lokalradios übernehmen müssen.
Die Lokalradios selbst sind unter der Woche drei bis zwölf Stunden mit lokal geprägten Inhalten on air, am Wochenende weniger. Sie senden in den Hauptsendezeiten, meistens morgens von sechs bis zehn und nachmittags von 14 Uhr bis 18 Uhr. Die Lokalnachrichten jeweils um halb werden meistens von 6:30 Uhr bis 18:30 Uhr durchgehend gesendet. Den Rest des Programms bespielt radio NRW zentral aus Oberhausen. Unter anderem Nachts kann man daher auf jedem Lokalfunksender exakt dasselbe hören. Aber auch in den lokalen Sendestrecken kommen Inhalte aus Oberhausen vor. Kollegengespräche über weltpolitisches Geschehen oder Kinotipps werden von Radio NRW geliefert und von den Lokalmoderatoren ins Programm eingebunden.
„Um tatsächlich lokalen Rundfunk verwirklichen zu können, wurden per Satzung 46 Verbreitungsgebiete festgelegt. In der Regel umfasst ein Verbreitungsgebiet einen Kreis oder eine kreisfreie Stadt, um zusammenhängende Kommunikations-, Kultur- und Wirtschaftsräume abzudecken.“[100]
In dieser Satzung wurde auch das Zwei-Säulen-Modell festgelegt.
Die Idee hinter dem Zwei-Säulen-Modell (vgl. Abb. 4) ist die Trennung wirtschaftlicher und programmlicher Interessen. Dies ist in Deutschland bisher einmalig. „Danach besteht jeder Sender aus zwei rechtlich selbständigen Einrichtungen: der Veranstaltergemeinschaft (VG) und der Betriebsgesellschaft (BG).“[101]
4.2.1.1 Die Veranstaltergemeinschaft
„Die Veranstaltergemeinschaft ist Veranstalterin des Programms und trägt hierfür die alleinige Verantwortung.“[102] Sie besteht aus Vertretern gesellschaftlich wichtiger Gruppen wie Kirchen, Gewerkschaften und Politik. Die Mindestgröße beträgt acht Mitglieder, die Maximalgröße 23 Mitglieder.[103]
Die Veranstaltergemeinschaft kann in ihren Mitgliederversammlungen unter anderem über Tarifverträge, Programmlänge- und Schema sowie das Redaktionsstatut bestimmen. Außerdem benennt die VG auch einen Chefredakteur.[104]
4.2.1.2 Die Betriebsgesellschaft
Auf den Inhalt und das Programm eines Radiosenders darf die Betriebsgesellschaft keinen Einfluss nehmen.[105] Ihr Aufgabenbereich liegt vor allem auf der wirtschaftlichen Seite eines Senders – sie soll den Veranstaltergemeinschaften Geld aus Kapitaleinlagen und Werbeeinnahmen für das Programm zur Verfügung stellen.[106]
„Eine Betriebsgesellschaft muss erwarten lassen, dass sie zur Gewährleistung einer freien und vielfältigen Presse den Belangen aller im Verbreitungsgebiet (§ 54) erscheinenden Tageszeitungen mit Lokalausgaben angemessen Rechnung trägt.“[107]
Konkret bedeutet dies, dass die ortsansässigen Zeitungsverlage 75 Prozent und die Kommunen 25 Prozent der Anteile an der wirtschaftlichen Säule zugewiesen bekommen haben. Eine weitere Aufgabe der BG: Sie „stellt für jedes Kalenderjahr einen Stellenplan und einen Wirtschaftsplan auf, in den alle zu erwartenden Aufwendungen und Erträge einzustellen sind.“[108]
Abbildung 4: Das Zwei-Säulen-Modell[109]
4.2.1.3 Kritik am Zwei-Säulen-Modell und dem System NRW-Lokalfunk
Kritiker sehen im Zwei- Säulen-Modell eine Einschränkung des Privatfunks in Nordrhein-Westfalen. Denn die NRW Lokalradios stehen komplett außerhalb der privaten Konkurrenz. Verfechter des Modells führen daraufhin an: „Dafür haben die Verleger aber damals den Bürgerfunk hinnehmen und auf ihren Frequenzen mit ausstrahlen müssen."[110]
Die Privatradios sind per Gesetz dazu verpflichtet, ein Programmfenster für radiointeressierte Amateure zur Verfügung zu stellen, werktags von 20 bis 21 Uhr und sonntags von 19 bis 20 Uhr.[111] Nach § 40a des Landesmediengesetzes, dient dies dazu,
„das lokale Informationsangebot zu ergänzen und den Erwerb von Medienkompetenz, insbesondere von Schülerinnen und Schülern, zu ermöglichen und damit auch zur gesellschaftlichen Meinungsbildung beizutragen.“[112]
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