Die Bremse im Kopf lösen
Es ist merkwürdig, wie geistige Güter von den Menschen
so vollkommen anders gewertet werden als materielle.
Franz Marc (1880–1916), dt. Maler
Es war ein wunderschöner Sommertag, und auf meinem Trainingsplan standen 100 Kilometer Radfahren in Wettkampfgeschwindigkeit, also 36 km/h, um mich für den nahenden IRONMAN®-Wettkampf in Klagenfurt vorzubereiten. Alles lief wie geplant, nur dass sich an diesem Tag meine Beine eigenwillig schwer anfühlten und auch der Puls circa 15 Schläge höher war als sonst.
Als ich dann nach guten zwei Stunden und 46 Minuten, also genau nach der Zielvorgabe, zu Hause ankam, brachte ich das Bike in den Trainingskeller. Und als ich das Rad in die Halterung abstellen wollte, bemerkte ich, dass die Hinterradbremse die ganze Tour über an der Felge geschleift hatte. Das war der Grund, warum der Puls erhöht und die Beine so schwer waren.
Diese Geschichte zeigt, welche Kraft begrenzende, limitierende Glaubenssätze auf unsere Leistung haben können. Auch wenn wir bewusst etwas wollen, ist es manchmal schwer zu erreichen, und oft boykottieren wir uns, bevor wir überhaupt anfangen. Wir können bewusst Gas geben und uns alles abverlangen. Wenn wir unbewusste Glaubenssätze haben, die dem Ziel entgegenwirken, wird es schwer, es zu erreichen. Wenn wir positiv denken, schaffen wir mehr, als wir ahnen. Die schleifende Bremse zeigt es.
»Du musst hart arbeiten, um erfolgreich zu sein«, ist ein Spruch, der negative Glaubenssätze fördern kann. Wir akzeptieren, dass es schwerfällt, statt genau hinzuschauen. So, wie ich mein Hinterrad vorher hätte untersuchen können, so kannst du auch in den Bereichen, wo etwas »schwer« läuft, genauer hinschauen. Nur durch bewusste Reflexion, durch das Beobachten der Gedanken und durch die Wahrnehmung unserer Gefühle lässt sich diese Schwere überwinden.
Wenn sich etwas schwer anfühlt, hat das nicht nur mit der Sache als solcher zu tun. Es gibt einen sehr engen Zusammenhang zwischen Gedanken und Emotionen. Und wenn wir unser Leben verändern wollen, dürfen wir lernen, unsere Emotionen bewusst wahrzunehmen und genau hinzuschauen beziehungsweise zu überlegen, welche Gedanken wir hatten, als unsere Emotionen entstanden sind.
Die ältesten Fundstücke des modernen homo sapiens stammen aus Afrika und sind etwa 160.000 bis 195.000 Jahre alt. Die Sprechfähigkeit setzte möglicherweise schon vor 1,5 Millionen Jahren beim homo erectus ein, vielleicht aber auch erst beim homo sapiens. Belegbare Hinweise gibt es nicht. Der heutige moderne Mensch, also homo sapiens, existiert also im Verhältnis zum Entwicklungsbeginn der Lebewesen, vor 4000 Millionen Jahren in der Erd-Urzeit, erst seit verschwindend kurzer Zeit.
Der Mensch ist also ein sehr junges Produkt der Evolution, welches immer noch tierischen Mustern folgt. Wir folgen uralten Trieben, auch wenn wir das als moderne Menschen nicht gern hören und es an unserem Ego kratzt. Der Psychologe Hans-Georg Häusel beschreibt dieses Verhalten in seinem Buch Limbic Success! im sogenannten Instruktionsmodell. Das limbische Areal in unserem Gehirn, das für Emotionen zuständig ist, instruiert uns zu folgendem Verhalten:
1. Die Balance-Instruktion
Emotional Festigkeit und Sicherheit erhalten, das Alte bewahren. Ein Gleichgewicht anstreben. Jede Veränderung als Bedrohung abwehren, Störungen und Überraschungen vermeiden. Energie nicht unnötig einsetzen.
Wir neigen alle stark zu innerer und äußerer Stabilität, wobei dieses Streben unterschiedlich ausgeprägt ist. Häusel spricht daher von limbischen Typen.
2. Die Dominanz-Instruktion
Das Überleben sichern, gegebenenfalls mit Kampf, sich sexuell durchzusetzen, um die Fortpflanzung sicherzustellen. Nach Macht streben, Status zeigen, die Konkurrenz ausstechen, die Autonomie bewahren.
Du bemerkst, wie stark unser Leben in Wirtschaft und Politik von der Dominanz-Instruktion bestimmt ist. Hier wird auch das Unmenschliche des Menschseins deutlich. Es geht ums nackte Überleben. Aber: Das Streben nach Dominanz ist sicherlich auch der Nährboden für Entwicklung und Fortschritt.
3. Die Stimulanz-Instruktion
Nach Innovationen und Kreativität streben. Unbekannte Reize und Abwechslung suchen. Risiken eingehen, um das Unbekannte kennenzulernen oder auszuprobieren.
Der starke und schnelle Medienkonsum, u.a. Fernsehen und Facebook sind dieser Stimulanz-Instruktion geschuldet. Gern brechen so geprägte Menschen mit Gewohnheiten.
Kennst du das auch, dass du Dinge tust und dich im Nachhinein fragst: »Was zur Hölle hat mich dazu denn bitte getrieben?«
Du ahnst es schon. Jemand mit starker Balance-Instruktion wird sich schwerer tun mit Veränderungen im Leben als jemand, der eher von Stimulanz getrieben ist.
Falls wir alle die gleichen physischen und psychischen Grundlagen haben, warum freut sich dann der eine auf Veränderung und der andere macht einen großen Bogen darum?
Hier spielt unsere Prägung eine Rolle. In welcher Umgebung du groß geworden bist, welche Schlüsselerlebnisse du hattest und vor allem die Frage: Wie hast du diese Erfahrungen bewertet und verarbeitet? Was wurde dir vorgelebt? Manche Wissenschaftler gehen sogar davon aus, dass unsere Vorlieben und Verhaltensweisen von der vorvorigen Generation mitgeprägt sind. Wenn also deine Oma vergewaltigt oder dein Großvater als Kind regelmäßig geschlagen wurde, hat das – so die Meinung dieser Wissenschaftler – Konsequenzen für dein Leben. Die Information dieser traumatischen Erlebnisse wird danach in den Zellen und somit in den Genen gespeichert. Und dieses veränderte Erbgut wird an die nächste Generation übertragen.
Ich kann mir vorstellen, dass dies für viele Menschen eine sehr merkwürdige Vorstellung ist, und es gibt dafür meines Wissens auch noch keine wissenschaftlich gültigen Beweise. Heißt es deswegen, dass es nicht sein kann? Die einzige Frage, die dich bewegen sollte, lautet: Was machst du mit dieser Information? Ich bin ein Freund des JETZT! Egal, wie die Ausgangsbedingungen sind, du hast JETZT die Kraft, etwas zu verändern.
Lass uns deine Einstellung zur Veränderung prüfen. Wie stark stimmst du folgenden Sätzen auf einer Skala von eins bis zehn zu? Zehn bedeutet starke Zustimmung, eins ist die absolute Verneinung:
Das haben wir schon immer so gemacht. | | | | | | | | | | |
Das haben wir noch nie so gemacht. | | | | | | | | | | |
Ich liebe meine Routinen und Rituale. | | | | | | | | | | |
Ich kann ja sowieso nichts ändern. | | | | | | | | | | |
Wenn meine Umwelt sich endlich ändern würde, dann … | | | | | | | | | | |
Ich habe als kleines Würmchen ja sowieso... |