1 Den mentalen Laser aktivieren
1.1 Leuchtspuren im Unterbewusstsein
Werkzeuge des menschlichen Geistes
Was Sie auf der Abbildung hier sehen, ist das wohl genialste Werkzeug, welches die Evolution der Spezies Mensch zur Verfügung gestellt hat.
Diese Taschenlampe ist natürlich nur eine Metapher, um Ihnen so einfach wie möglich zu verdeutlichen, wie dieses geniale Werkzeug, unser menschlicher Geist, funktioniert. Insbesondere geht es dabei um unsere gerichtete Aufmerksamkeit. Die Bedienung einer Taschenlampe ist simpel und im wahrsten Sinne des Wortes „einleuchtend“: anknipsen und einfach auf die Stelle ausrichten, die man näher beleuchten möchten. Was wäre, wenn die Bedienung unserer mentalen Fähigkeiten genauso unkompliziert wäre? Wenn dieses simple Prinzip – den Lichtstrahl auf einen bestimmten Punkt auszurichten – ganz genauso im Bereich mentaler Fähigkeiten funktionieren würde? Unsere gerichtete Aufmerksamkeit ist gleichzeitig die Fähigkeit unser Unterbewusstsein zu lenken. Und diese Mentalkraft lässt sich möglicherweise anknipsen wie eine Taschenlampe.
Bei vielen Menschen ist es leider reiner Zufall, wie sie ihre mentale Taschenlampe bedienen. Der Lichtschein ist im achtlosen Normalbetrieb gestreut, unfokussiert und sie schwenken den Strahl der Aufmerksamkeit wie zufällig von einem Punkt zum nächsten. Wir haben am Tag zigtausende Gedankenimpulse. Und genauso können Sie sich auch die Bedienung Ihrer mentalen Taschenlampe in einem solchen Fall vorstellen: ein zufälliges, unregelmäßiges und meistens vollkommen unzweckmäßiges Hin- und Herschwenken der geistigen Aufmerksamkeit. Buddhisten vergleichen unseren untrainierten Geist mit einer Horde wilder Affen, die wild und planlos herumspringen.
Es geht sogar noch schlimmer: Einige Menschen fokussieren sich auf das, was sie eigentlich vermeiden wollen. Denken Sie einmal daran, was passiert, wenn Sie in eine angstbeladene Situation gehen müssen, z. B. einen Zahnarztbesuch, eine Prüfungssituation oder ein Vorstellungsgespräch! Diese Situationen beschäftigen Sie schon Tage im voraus, Sie müssen dauernd daran denken und malen sich die schlimmsten Szenarien aus, was alles schief gehen könnte. Mit diesem wenig zielführenden Verhalten sind Sie nicht alleine: Meistens leuchten Menschen mit ihrer mentalen Taschenlampe auf alle möglichen Schwierigkeiten oder ihre persönlichen Schwachstellen, sie malen sich Blackouts und das eigene Versagen in den grellsten Farben aus. Sie fokussieren sich oftmals geradezu auf die schlimmste Horrorvision des bevorstehenden Ereignisses.
Kontrollversuch durch Selbstsabotage
Aber warum tun wir das? Warum richten wir unsere Aufmerksamkeit auf diesen persönlichen Super-Gau aus, sodass es möglicherweise irgendwann tatsächlich zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung kommen kann?
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an den Anruf einer Klientin in meiner Praxis. Sie betonte, wie dringend ihr Hilferuf sei und dass sie unbedingt kurz mit mir sprechen müsse, um sich nicht schon wieder ihre Zukunft zu „versauen“. Dann schilderte sie mir hektisch, dass in drei Tagen ein wichtiges Bewerbungsgespräch anstehe und sie sich seit längerem selbst sabotiere. Ihre ständig wiederkehrenden selbstabwertenden Gedanken könnte man so zusammenfassen: „Ich kann nichts und werde sowieso versagen. Das schaffe ich nicht.“ Sie schluchzte verzweifelt und sagte: „Ich weiß, dass ich mich selbst regelrecht fertig mache und damit alles zerstöre. Seit der Schulzeit kenne ich dieses Verhaltensmuster. Ich ziehe mich durch mein negatives Denken selber runter, aber ich kann nicht anders.“ Auf meine Frage, ob es möglicherweise eine positive Absicht hinter diesem Verhaltensmuster gäbe, schwieg sie einen Moment nachdenklich. Dann antwortete sie überaus klar: „Ich habe dann wenigstens die Sicherheit, dass ich es mir selber kaputt mache.“ Diese Selbstsabotage war also ihr Versuch, über die angstauslösende Situation noch eine Spur Kontrolle zu behalten. Ein Verhaltensmuster mit extrem zerstörerischer Wirkung.
Mit dieser Geschichte möchte ich Sie auf eine Besonderheit unseres Denkorgans aufmerksam machen: Unser Gehirn ist mit einfachen Worten gesagt ein großer Sicherheitsfanatiker und ein absolutes Gewohnheitstier. Es liebt alte Muster, die sich in der Vergangenheit bewährt haben und wiederholt diese wieder und wieder und wieder. Selbst wenn das Verhalten schon längst keinen Sinn mehr macht oder sogar eine zerstörerische Wirkung hat.
1.2 Theater der inneren Stimmen
Wildgewordene „Gedanken-Äffchen“ zähmen
Ein buddhistisches Sprichwort besagt, ein unruhiger Geist sei wie eine Horde wilder Affen. Unsere Gedankenäffchen springen in unserem Kopf wild hin und her. Unsere Aufgabe ist es, Ruhe in die chaotische Horde zu bringen, die Äffchen zu zähmen und auf ein Ziel auszurichten. Genauso können wir auch unsere mentale Taschenlampe auf ein Ziel ausrichten. Unser freier Wille ist dann wie ein Dompteur, der die Gedankenäffchen zähmt und es schafft, sie in eine Richtung zu lenken oder zu locken. Tatsächlich ist „locken“ im Sinne der Ausrichtung auf ein Ziel wohl die beste Formulierung. Mit roher Gewalt erreichen wir bei unseren Gedankenäffchen nämlich rein gar nichts. Womit könnten wir sie also locken? Äffchen mögen Bananen, und das Gehirn mag Belohnung und Endorphine. Diese körpereigenen Botenstoffe werden ausgeschüttet, sobald wir uns auf etwas freuen. Es wäre also gut, unseren geistigen Affenzirkus zunächst auf angenehme Vorstellungsbilder auszurichten.
Die Fähigkeit zur Fokussierung, also das Bündeln all unserer Gedankenimpulse auf ein Ziel, kann man trainieren. Auch die Äffchen im Zirkus werden schließlich über Monate oder sogar Jahre dressiert, bevor man die Sicherheit hat, dass der Trick auch vor Publikum funktioniert. Wir müssen also das innere Ausrichten unserer Gedankenimpulse schulen. In den Griff bekommen wir sie nur durch regelmäßiges Training, also durch das Prinzip der Wiederholung. Wir können lernen, unsere Gedanken zu lenken und so unser volles Potenzial entfalten. Aber wie läuft das Denken in unserem Kopf eigentlich ab? Wie denken wir?
Übung 1.1: „Gedanken beobachten“
Halten Sie bitte zwei bis drei Minuten inne, legen Sie dieses Buch zur Seite und hören oder schauen Sie kurz in sich hinein mit der Frage: Was passiert in meinem Kopf?
Beobachten Sie sich bitte wie ein Zuschauer von außen und lassen Sie Ihre typischen Gedankengänge einfach ablaufen!
(Bitte jetzt kurz das Buch weglegen und Augen schließen!)
Kopf-Aktivitäten bewusster machen
Was ist Ihnen aufgefallen? Vielleicht haben Sie innere Bilder gesehen? Wir arbeiten zum einen mit Vorstellungen und inneren Bildern. Denken Sie z. B. an einen schönen Sonnenuntergang. Oder an Ihre Wohnung oder das letzte Treffen mit einem guten Freund. Diese Bilder existieren in Ihrem Kopf und sind dort jederzeit abrufbar. Wie ein Fotoalbum, oder besser gesagt eine ganze Reihe von Fotoalben.
Wenn Sie Ihre Gedanken noch genauer beobachten, entdecken Sie vielleicht, dass es zu den Standbildern auch ganze Filmsequenzen in Ihrem Kopf gibt. Szenen aus Ihrem Leben, die aufregend waren, wie z. B. das erste Mal verliebt zu sein. Schauen Sie sich diese Filmsequenz in Ihrem Inneren kurz an! Oder erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie richtig entspannt waren! Schließen Sie bitte einen Moment die Augen und lassen Sie diese kurze Filmsequenz vor Ihrem inneren Auge ablaufen!
Neben den inneren Bildern und Filmsequenzen gibt es aber noch etwas anderes: Wir hören in unserem Kopf auch so etwas wie innere Stimmen. Das hat rein gar nichts mit einer drohenden Geisteskrankheit zu tun. Jeder Mensch hört in seinem Inneren Stimmen – wohltuende, aufbauende, genauso wie bremsende oder zerstörerische Stimmen. Diese inneren Stimmen sind meistens Sätze und Überzeugungen internalisierter Bezugspersonen. Also die verinnerlichten Stimmen, Meinungen, Ratschläge oder Vorurteile unserer Eltern, Lehrer, Freunde und Geschwister.
Die aufbauenden, stärkenden Stimmen sowie auch die destruktiven, bremsenden Stimmen haben wir im Laufe unserer Geschichte tief verinnerlicht. Wir können den Taschenlampen-Lichtstrahl unserer Aufmerksamkeit ganz bewusst auf die positiven Stimmen lenken, auf die angenehmen Gedanken und Emotionen. Diese Stimmen können z. B. so klingen:
- „Das Leben ist schön.“
- „Ich bin dankbar für meine Gesundheit.“
- „Ich freue mich auf die Zukunft.“
- „Lernen macht Spaß.“
- „Cool bleiben – ich schaffe das schon.“
- „Ich liebe meine Familie.“
- „Ich bin stolz auf das, was ich geleistet habe.“
- „Ich vertraue auf meine Fähigkeiten.“
Leider passiert uns in der Realität häufig Folgendes: Wir lenken unsere Aufmerksamkeit automatisch und hochfokussiert auf die Stimmen des Zweifels und der Selbstkritik und das kann dann z. B. so klingen:
- „Immer nur Stress und Ärger im Leben.“
- „Ich schaffe das nicht!“
- „Ich kann einfach nicht mehr – ich muss...