3. Methodik
Häufig, wenn es gilt, Felder wie Szenen zu beleuchten, wird die qualitative Forschung angewandt, die Lebenswelten „von innen heraus“ beschreibt. Da mir über die zu untersuchende Szene keine Daten vorlagen und ich daher kaum Materialien zur Anschauung hatte, suchte ich mir eine Möglichkeit, um flexibel und explorativ an das Neue heranzutreten. Aufbauend auf der Richtlinie, sich methodisch Vertrautes fremd und Fremdes vertraut zu machen, war es meine Absicht, offen und ohne spezifische theoretische Vorannahmen oder Hypothesen in die Szene zu gehen.32
Alle Ereignisse sollten dazu dienen, die Eigenschaften der zu beobachtenden Szene näher kennen zu lernen und sie gegebenenfalls von der typischen Struktur einer Szene oder Kultur abzugrenzen, um unter anderem das fremde „Gewöhnliche“ zu erkennen. Genauso soll der Einfluss dieser Szene und seiner Eigenarten auf die Identitätsentwicklung Jugendlicher betrachtet und bewertet werden.
Bei dieser Zielsetzung galt es, in Bezug auf die Vorgehensweise eine Dreiteilung vorzunehmen. Dabei soll zunächst der Zugang zum Feld erläutert, dann auf die Datenerhebung mit ihren einhergehenden Erfahrungen und schließlich auf die Datenauswertung eingegangen werden.
3.1. Zugang zum Feld
Zunächst musste ich nach umfassender Recherche feststellen, dass sich kaum Literatur zu der Cosplay-Szene bietet. So begab ich mich in die Weiten des Internets und versuchte über eine Suchmaschine, die unter anderem Zeitschriften- und Zeitungsartikel zeigte, erste Informationen zu erhalten. An erste brauchbare Informationen gelangte ich aber über Foren und den Kontakt mit Szene-Mitgliedern. Auf diesem Wege erfuhr ich von sogenannten „Conventions“, das sind bestimmte Arten von Treffen, die für die Szene-Mitglieder Hauptthema sind. Auf diesen würden Hunderte aus dieser Szene zusammenkommen um sich darzustellen. Für meine Datenerhebung erschien es mir also von Vorteil, auf einer solchen Convention anwesend zu sein. Eine der größten ihrer Art in Deutschland sollte vom 12.-15. März 2009 auf der Leipziger Buchmesse stattfinden. Laut erster Recherchen auf www.animexx.de und www.cosplay-heaven.de würden sich hier weit mehr als 5000 Cosplayer treffen.
Ein Besuch auf dieser Convention würde sowohl meinen Blick auf das Feld als auch die Zugänge zu der Szene erleichtern. Zudem sollte die hohe Cosplay-Besucherzahl die Datenerhebung einfacher gestalten.
3.2. Datenerhebung
Die Convention auf der Leipziger Buchmesse sollte also genügend Information für die Datenerhebung liefern. Fragebögen erschienen als erste plausible Hilfsmittel, um alles Unklare zu erfragen und Neues dazuzulernen.33 Dabei ging es mir besonders darum, dass die Befragten offen und ehrlich auf ihre Fragen eingehen und ich genügend Informationsmaterial über das Cosplayen selbst und die Entwicklung der Jugendlichen mit dieser Szene erhalten werde. Neben dem Fragebogen entwarf ich einen groben Interviewleitfaden.
Ich hoffte, dass sich mir mehr als nur der äußere Einblick in die Cosplay-Szene bieten würde. Weiterhin hatte ich den Wunsch, an den Ständen Informationsmaterial erhalten zu können. Für sehr wichtig hielt ich es aber, die Erlaubnis für das Fotografieren der Cosplayer zu erhalten.
Vom 13. bis 14. März 2009 besuchte ich die Leipziger Buchmesse, auf der ich Fragebögen ausfüllen ließ, beobachten konnte, das Geschehen filmte, fotografierte und einige Cosplayer interviewte. Die auffällig gekleideten Cosplayer ließen sich schnell erkennen und für das Ausfüllen von Fragebögen gewinnen. Auch zu einem Interview konnte ich einige der Cosplayer bewegen.
Zur Datenerhebung nutzte ich die Methode der teilnehmenden Beobachtung34, die ich durch selbst angefertigte Filme und Fotos abzurunden versuchte. Weiterhin war ich darauf bedacht, auffällige Interaktionen aufzuzeichnen und Informationsmaterialien zu sammeln. Als Hauptgegenstand der Datenerhebung wendete ich fünfzig Fragebögen und halbstandardisierte Interviews35 an. Dabei wird nur eines der Interviews als entscheidend eingestuft, da dieses eine Art Durchschnittscosplayer widerspiegelt und als Erhebungsmaterial für die weitere Anfertigung dieser Arbeit genutzt wird.
3.3. Erfahrungen mit der Datenerhebung
Bei dem Ausfüllen der Fragebögen ergab sich oft ein kleines Problem, denn fast immer mussten sich die Cosplayer Gelegenheiten suchen, die sie als Schreibunterlage nutzen konnten. Es wäre daher sinnvoll gewesen, an Klemmbretter zu denken. Aber die meisten sahen darin keine große Problematik und setzten sich mit den Bögen mitten in den Hallen auf den Boden und füllten diese aus, was ihre Unbekümmertheit in Bezug auf fragende Blicke zeigte. Mit der Zeit entwickelte sich eine Art Muster bei der Ansprechweise der Cosplayer, das ich anwendete um Fragebögen zu verteilen. So fragte ich zunächst, ob ich ein Foto von ihnen schießen dürfte. Im Anschluss daran zeigte ich den Cosplayern ihr Foto und stellte mich kurz vor, um dann auf meinen Fragebogen aufmerksam zu machen. Dabei erwähnte ich, dass er auch ein wenig mehr Zeit in Anspruch nehmen könnte. Keine angesprochene Person verneinte meine Bitte, den Fragebogen auszufüllen. Jedoch bekam ich zweimal die Rückmeldung, dass der Bogen zu viele Fragen hätte und insgesamt sehr komplex wäre. In diesem Zusammenhang sei hier kurz erwähnt, dass die Fragen ursprünglich für ein Interview vorgesehen waren, ich mich aber auf Grund von vermuteter Lautstärke auf der Messe für die Bögen entschied und meine Fragen nur grob abänderte. Wegen der Komplexität hätten einige ihren Bogen lieber mitgenommen und später an einem Stand abgegeben. Doch einen solchen konnte ich leider nicht anbieten. Meinen ersten Besuchstag verließ ich mit dreißig ausgefüllten Fragebögen, die ich für diesen Tag vorgesehen hatte. Weiterhin erhielt ich ein ausführliches Interview.
Am nächsten Tag war die Messe so stark besucht, dass ein Durchkommen schwierig wurde. Wege, die ich am Vortag innerhalb von ein paar Minuten absolvierte, dauerten nun fast eine halbe Stunde. So hielt ich mich überwiegend in dem Congress Center (CCL) auf, in dem der Wettbewerb unter den Cosplayern stattfinden sollte. Hierzu sammelten sich Tausende von Cosplayern im Foyer des Congress Centers und warteten auf ihren Auftritt. Hier konnte ich erneut weitere Fragebögen verteilen. Diese wurden wieder mit Begeisterung angenommen und ausgefüllt. Leider bot sich an diesem Tag aber eher weniger die Chance, viele Bögen zu verteilen, weshalb ich versuchte, Interviews zu führen. Am Ende des Tages hatte ich zwei Interviews mit insgesamt fünf Cosplayern geführt. Zwei von ihnen traten an diesem Tag auch bei dem Wettbewerb auf, deren Auftritt ich filmte. Im Comicbereich der Halle Zwei sollte an diesem Samstag die Mangaka, eine Manga-Zeichnerin, Matsuri Hino auftreten und interviewt werden. Treffpunkt hierfür war das „Schwarze Sofa“ im Comicbereich. Leider durfte weder gefilmt, noch fotografiert werden. Dem Interview zu folgen, fiel mir sehr schwer, da mittels eines Dolmetschers verständigt wurde und nicht immer jede Frage übersetzt werden konnte. Nach all diesen Eindrücken verließ ich Leipzig.
3.4. Datenauswertung
Für die Datenauswertung erstellte ich für manche Bereiche Tabellen.36 Anderweitig nutze ich Stichproben aus den Antworten in den Fragebögen, um Tatsachen verständlicher und deutlicher werden zu lassen. So wertete ich im weiteren Verlauf meines Vorhabens einige Punkte der Fragebögen aus, andere verwende ich als Zitate zur Demonstration und Hervorhebung.
Auf dieser Grundlage entwickelten sich erste Gedanken zu einer Gliederung. Ich hielt es für notwendig, eine Szene oder Kultur, die bisher so unerforscht ist, von den typischen Merkmalen einer solchen abzuheben und Besonderheiten hervorzuheben. So möchte ich zunächst einen Einblick in typische Jugendkulturen und Jugendszenen geben, um dann in einem weiteren Punkt auf die Cosplay-Szene selbst einzugehen. Hierzu wird in mehrere Unterabschnitte unterteilt, die hauptsächlich durch die Antworten der Fragebögen entstanden sind. Um diese Aussagen exemplarisch zu unterstützen, füge ich den Punkt „Porträt“ an. Diese Vorstellung, die auf einem der geführten Interviews aufgebaut ist, soll die Lebensweise eines für mich „typischen“ Cosplayers noch einmal ganz stark verdeutlichen. Mit dieser Veranschaulichung wird nachfolgend darauf eingegangen, inwiefern Cosplay als Jugendszene verstanden werden kann und inwieweit es die Identitätsentwicklung Jugendlicher beeinflusst. Abschließend wird zur Schlussbetrachtung übergegangen und ein Fazit gezogen.
29 Vgl. Bucher/Hitzler/Niederbacher 2005, S. 22 ff.
30 Bucher/Hitzler/Niederbacher 2005, S. 26.
31 Vgl. Bucher/Hitzler/Niederbacher 2005, S. 26...