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E-Book

Cradle to Cradle

Einfach intelligent produzieren

AutorMichael Braungart, William McDonough
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783492964791
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Autos aus Autos? Schuhe als Düngemittel für unsere Balkonblumen? Zukünftig gibt es nur noch zwei Arten von Produkten: Verbrauchsgüter, die vollständig biologisch abgebaut werden können, und Gebrauchsgüter, die sich endlos recyclen lassen. Nicht weniger müssen wir produzieren, sondern verschwenderisch und in technischen und biologischen Kreisläufen. Eine ökologisch-industrielle Revolution steht uns bevor, mit der Natur als Vorbild. Dieses Buch wurde mit nachhaltigen Materialen produziert.

Professor Dr. Michael Braungart ist Professor an der Leuphana Universität Lüneburg. Zudem ist er Gründer von EPEA Internationale Umweltforschung in Hamburg, der Wiege von Cradle to Cradle, Mitbegründer und wissenschaftlicher Leiter von McDonough Braungart Design Chemistry (MBDC) in Charlottesville, Virginia (USA) sowie Gründer und wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Umweltinstituts (HUI). Seit Jahrzehnten pioniert Prof. Dr. Michael Braungart das Cradle to Cradle-Designkonzept. Er arbeitet mit vielen Organisationen und Unternehmen unterschiedlicher Branchen zusammen und entwickelte Werkzeuge zur Gestaltung öko-effektiver Produkte, Geschäftsmodelle und intelligentes Material Pooling. Für seine Arbeit wurde Michael Braungart u.a. im Jahr 2019 mit der Goldenen Blume von Rheydt, dem ältesten Umweltschutzpreis Deutschlands, ausgezeichnet.

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Leseprobe

Michaels Geschichte

Ich stamme aus einer Familie, in der Geisteswissenschaften besonders geschätzt werden. Chemie begann mich erst zu interessieren, als wir in der zehnten Klasse eine junge und schöne Chemielehrerin bekamen. Seit Mitte der siebziger Jahre gab es in Deutschland eine politische Debatte über die Verwendung von Pestiziden und anderen problematischen Chemikalien sowie über Grenzen des Wachstums, so dass ich mein Studium gegenüber meiner Familie als sinnvoll rechtfertigen konnte. Ich studierte an Universitäten, an denen ich etwas über Umweltchemie lernen konnte, und wurde vor allem von Professor Friedhelm Korte beeinflusst, der wesentlich dazu beitrug, die »Ökologische Chemie« zu entwickeln. 1978 gehörte ich zu den Gründungsmitgliedern der »Grünen Aktion Zukunft«. Aus dieser ging die Partei der Grünen hervor, deren Hauptanliegen damals der Umweltschutz war.

Gleichzeitig machte ich mir einen Namen als Umweltschützer. Greenpeace, damals eine Gruppe von Aktivisten, unter denen kaum studierte Naturwissenschaftler oder Umweltforscher waren, bat mich, mitzuarbeiten. Ich leitete die Chemieabteilung von Greenpeace und verhalf der Organisation zu einem Protest auf wissenschaftlicher Grundlage. Doch schon bald wurde mir klar, dass es nicht ausreichte, zu protestieren und Probleme anzuprangern. Es müssen Lösungen gefunden werden. Für mich persönlich kam der Wendepunkt nach einer Protestaktion gegen eine Reihe von Chemieunfällen durch die damalig Schweizer Unternehmen Sandoz und Ciba-Geigy: Nachdem ein Feuer in einer riesigen Lagerhalle von Sandoz mit gefährlichen Chemikalien gelöscht und das giftige Löschwasser in den Rhein geflossen war und auf einer Strecke von über 160 Kilometern das Ökosystem des Flusses massiv geschädigt hatte, koordinierte ich eine Greenpeace-Aktion, bei der wir auf einen der Ciba-Geigy-Schornsteine in Basel kletterten. Als wir nach zwei Tagen unsere Aktion beendeten, empfing Anton Schaerli, der Direktor des Unternehmens, uns mit Blumen für die Aktivistinnen und heißer Suppe. Obwohl er die Art, wie wir unseren Protest zum Ausdruck gebracht hatten, ablehne, habe er sich Sorgen um unsere Sicherheit gemacht. Er teile persönlich unser Anliegen und wolle hören, was wir zu sagen hätten.

Es ergab sich daraus eine ganze Serie von Gesprächen mit dem Ciba-Geigy-Vorstand. Wir sprachen auch über meinen Plan, mit finanziellen Mitteln von Greenpeace ein Umweltinstitut zur Entwicklung von Lösungen zu gründen, das ich EPEA (Environmental Protection Enforcement Agency) nennen wollte. Der Direktor war begeistert und schlug eine kleine Änderung des Namens vor: »Encouragement« statt »Enforcement«. Das klinge nicht so feindselig und sei für Manager in Industrieunternehmen akzeptierbar. Ich beherzigte seinen Rat.

Und so wurde ich 1987 Leiter der EPEA (Internationale Umweltforschung GmbH), die Büros in mehreren Ländern einrichtete und die Beziehung zum Top-Management in diesem großen Unternehmen intensivierte.

Mit Unterstützung von Alex Krauer, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden von Ciba-Geigy, untersuchte ich in anderen Kulturen den Umgang mit dem Kreislauf von Nährstoffen. So verbrennen zum Beispiel die Yanomani-Indianer in Brasilien ihre Toten und rühren die Asche in Bananenbrei ein, den der Stamm dann bei einem rituellen Fest verspeist. Viele Menschen glauben an Karma und Reinkarnation, an ein »Upcycling« der Seele, wenn Sie so wollen. Diese Perspektiven erweiterten meinen Horizont und veränderten meinen Umgang mit dem Abfallproblem in der westlichen Tradition.

Aber es blieb schwierig, andere Chemiker zu finden, die an diesen Fragen überhaupt Interesse hatten, ganz zu schweigen von irgendwelchen Erfahrungen. Das Studium der Chemie klammert Lösungen von Umweltfragen noch immer weitgehend aus, und die Wissenschaft an Hochschulen als Ganzes ist mehr an der strukturellen Erforschung von Problemen als an Strategien des Wandels interessiert. Wissenschaftler werden gewöhnlich dafür bezahlt, Probleme zu untersuchen, und nicht, Lösungen zu finden. Es ist in der Tat so, dass normalerweise keine weiteren Forschungsgelder bewilligt werden, sobald eine Lösung für das zu untersuchende Problem gefunden wurde. Das bringt die Wissenschaftler, die sich – wie alle anderen auch – den Lebensunterhalt für ihre Mitarbeiter, Diplomanden und Doktoranden verdienen müssen, in eine seltsame Situation: Probleme werden für »ungeklärt« erklärt, um den akademischen Nachwuchs zu finanzieren; Politik und Industrie sind glücklich, denn solange geforscht wird, muss nicht gehandelt werden. Außerdem sind wir Wissenschaftler eher in der Analyse als der Synthese ausgebildet. Ich könnte Ihnen alles über die Bestandteile und potenziell negativen Wirkungen von Weichmachern, PVC, Schwermetallen und vielen anderen schädlichen Substanzen erzählen, mit denen ich mich während meiner Grundlagenforschungszeit beschäftigte. Aber meine Kollegen und ich hatten keine Vorstellung davon, wie sich dieses Umweltwissen mit gutem Design verbinden ließ.

Als ich Bill kennen lernte, sahen die Umweltschützer, die ich kannte, erwartungsvoll dem Weltgipfel von 1992 entgegen, bei dem die Themen »Nachhaltige Entwicklung« und »Globale Erwärmung« im Vordergrund stehen sollten. Dort sollten Vertreter der Industrie ebenso wie Umweltschützer vertreten sein. Ich hielt es strategisch für geeignet, der Industrie böse Absichten und dem Umweltschutz ethische Überlegenheit zu unterstellen, auch wenn ich für mich persönlich, wohl wissend, warum ich mich für Ökologische Chemie ursprünglich interessiert hatte, nie eine allgemeine moralische Überlegenheit in Anspruch genommen habe. Ich konzentrierte mich darauf, die oft gefährlichen oder fragwürdigen Materialien zu analysieren, die für Produkte des alltäglichen Gebrauchs, wie beispielsweise Fernseher, verwendet wurden, und hoffte, eine Strategie zu entwickeln, die es uns ermöglichen würde, die schlimmsten Folgen der Industrialisierung zu vermeiden.

Bill und ich lernten uns 1991 kennen, als die EPEA auf einem Dachgarten in New York City einen Empfang gab, um die Eröffnung ihres ersten amerikanischen Büros zu feiern. (Die Einladungen waren auf biologisch abbaubare Windeln gedruckt, um die Tatsache hervorzuheben, dass die konventionellen Wegwerfwindeln als Einzelprodukt den größten Anteil des Abfalls auf Mülldeponien ausmachten.) Wir sprachen über Toxizität und Design. Michael erklärte seine Idee von der Schaffung einer biologisch abbaubaren Mineralwasserflasche, in der Samen von seltenen Pflanzen enthalten sein sollten und die man nach Gebrauch auf den Boden werfen könne, wo sie dann zu Kompost zerfallen und der Samen im Boden aufkeimen würde. Es gab Musik und Tanz und wir sprachen über einen anderen Gegenstand moderner Herstellung: den Schuh. Michael witzelte, dass seine Gäste »gefährlichen Abfall« an den Füßen trügen, denn während sie auf dem rauen Boden des Dachgartens herumwirbelten, würden Partikel abgerieben und Staub erzeugt, den die Menschen einatmeten. Er erzählte, beim Besuch der größten Chromchemikalienfabrik Europas – Chrom ist ein Schwermetall, das bei den meisten industriellen Ledergerbungsverfahren verwendet wird – sei ihm aufgefallen, dass dort nur ältere Männer arbeiteten, die alle Gasmasken trugen. Der Aufseher habe erklärt, dass es im Durchschnitt zwanzig Jahre dauere, bis Arbeiter, die Chrom ausgesetzt seien, an Krebs erkrankten. Deswegen habe das Unternehmen entschieden, nur Arbeiter über fünfzig mit dieser gefährlichen Substanz arbeiten zu lassen.

Das konventionelle Design von Schuhen habe, wie Michael sagte, noch weitere negative Folgen. »Leder«-Schuhe sind eine Mischung aus biologischem Material (dem Leder, das biologisch abbaubar ist) und technischen Stoffen (dem Chrom und anderen Substanzen, die für die Industrie einen Wert darstellen). Bei den gegenwärtigen Methoden der Herstellung und Beseitigung lasse sich, so Michael, keiner dieser Stoffe erfolgreich zurückgewinnen, nachdem der Schuh ausrangiert sei. Von einem materiellen und ökologischen Standpunkt aus könne das Design des durchschnittlichen Schuhs wesentlich intelligenter sein. Wir diskutierten die Idee einer mit biologisch abbaubarem Material beschichteten Sohle, die nach Gebrauch abgelöst werden könne. Der Rest des Schuhs könne aus Kunststoff und Polymeren hergestellt werden, die unschädlich seien und zu neuen Schuhen recycelt werden könnten.

Während über nahe gelegene Dächer Emissionen aus einer Hochhausmüllverbrennungsanlage herüberwehten, diskutierten wir die Tatsache, dass typische Abfälle mit ihrer Mischung aus industriellen und biologischen Stoffen nicht sicher verbrannt werden können. War es nicht möglich, so fragten wir uns, statt deren Verbrennung zu verbieten, bestimmte Produkte und Verpackungen so herzustellen, dass sie sich gefahrlos verbrennen ließen, nachdem der Kunde keine Verwendung mehr für sie hatte? Wir stellten uns eine Industriewelt vor, die die Rücksicht auf Kinder zum Sicherheitsstandard machte. Wie wäre es mit Designs, die, wie Bill sich ausdrückte, »alle Kinder aller Lebewesen für alle Zeiten liebten«?

Auf den unter uns liegenden Straßen nahm der Verkehr zu, ein für New York typischer Verkehrsstau mit lautem Hupen, wütenden Fahrern und zunehmendem Chaos. Im frühen Abendlicht stellten wir uns ein geräuschloses Auto vor, das fahren konnte, ohne fossile Brennstoffe zu verbrennen oder schädliche Abgase auszustoßen. Wo immer wir hinschauten, sahen wir schlecht entworfene Produkte, Verpackungen, Gebäude, Transportmittel, ja sogar ganze Städte. Und uns war klar, dass die konventionellen Methoden des Umweltschutzes – selbst die bestgemeinten und fortschrittlichsten – nicht der...

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