2Historisches über Hypnose und hypnotische Geburtsvorbereitung
In den Kulturen der Frühzeit war Trance meist in kultischen Handlungen und religiös geprägten Ritualen eingebettet. Die Menschen erlebten sich als Teil eines geistig spirituellen Weltgefüges, in dem alles beseelt war und in dem noch höhere und mächtigere geistige Wesen außer den Menschen existierten. Der Trancezustand war so etwas wie ein Tor, durch welches es ausgebildeten oder berufenen Frauen und Männern (Schamaninnen, Medizinfrauen und -männern) möglich war, mit diesen Wesen einer anderen Ebene – seien es Geister, Ahnen, Götter, Dämonen oder Elementarwesen – in Kontakt zu treten, um von ihnen Schutz, Jagdglück, aber auch Heilung oder Segen für eine neue Lebensphase zu erhalten.
Viele der heute noch existierenden schamanistischen Kulturen im hohen Norden, in Sibirien, Zentralasien, Afrika und Südamerika sind von dieser Weltsicht geprägt.
Auch in den frühen Hochkulturen, lange vor Christi Geburt, tauchen Hinweise oder Anleitungen zur Herbeiführung und Anwendung von Trance auf. Bei den Assyrern und Babyloniern z. B. gab es Anleitungen zur Austreibung von krankmachenden Dämonen. Die Ägypter, Griechen und Römer hinterließen Hinweise auf Trance und die Verwendung von suggestiver Sprache. Aus dem antiken Griechenland ist uns sowohl das berühmte Orakel zu Delphi als auch der Tempel des Asklepios bekannt. Auch dort spielte Trance eine wichtige Rolle. Nach einer langen rituellen Prozedur konnten die Hilfesuchenden in ihren Träumen schließlich Hinweise auf Heilung erwarten, die von den Priestern des Gottes in der richtigen Weise gedeutet werden mussten. Aus der Zeit um 1500 vor Christus stammt ein ägyptischer Papyrus, auf dem die Einleitung einer Trance beschrieben wird, wobei das Licht einer Öllampe fixiert werden soll (vgl. Gerl 1998).
Gegenüber den Jahrtausenden, in denen Trance als Möglichkeit angesehen wurde, sich zu Heilzwecken mit einer höheren Kraft außerhalb des alltäglichen Rahmens zu verbinden, erscheinen die ca. 240 Jahre der neuzeitlichen Erforschung und die Entwicklung neuer Erklärungsmodelle für dieses Phänomen extrem kurz. Mit dem Zeitalter der Aufklärung und der Entstehung der modernen Wissenschaften tauchte plötzlich auch eine veränderte, der neuen Zeit eher entsprechende Erklärung von Trance auf.
Franz Anton Mesmer und der »animalische Magnetismus«
Der erste Vertreter dieser Sichtweise war Franz Anton Mesmer (1734–1815), ein Doktor der Philosophie und Medizin. Er vertrat die Auffassung, dass Trancephänomene und Erfolge bei der Heilung nicht durch den Kontakt mit einer höheren Macht (Jesus), sondern durch ein ganz natürliches, physikalisches Phänomen zustande kommen, das er als »animalischen Magnetismus« bezeichnete. In seiner Theorie gab es ein »universelles Fluidum«, an dem jedes Lebewesen teilhabe. Im Falle einer Krankheit habe der betreffende Mensch nicht genug von diesem Fluidum aufgenommen oder es nicht richtig im Köper verteilt. Ein gesunder Mensch habe dagegen genügend von diesem »animalischen Magnetismus«, wie Mesmer dieses Phänomen schließlich nannte, und könne sich damit jederzeit auch wieder aufladen. Mesmer glaubte, dass nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren jemand, der mit viel Magnetismus ausgestattet sei, diesen auf einen Kranken mit wenig Magnetismus übertragen könne.
Mesmer demonstrierte, wie Patienten zitterten und sich unkontrolliert bewegten, wenn er in Kombination mit intensivem Blickkontakt in bestimmten Bahnen (»Passes«) über deren Körper strich. Diese von ihm als »Krise« bezeichnete Reaktion und der darauf folgende sogenannte »magnetische Schlaf«, ein Trancezustand, dienten ihm als Beweis dafür, dass die magnetische Kur wirksam war. Mesmer war damals äußerst erfolgreich mit seiner Methode und konnte viele Heilerfolge vorweisen.
Zahlreiche Ärzte begannen ebenfalls zu »mesmerisieren«, wie die Prozedur zu Ehren ihres Entdeckers genannt wurde. Einige englische Ärzte, wie z. B. James Esdaile (1808–1859) und John Elliotsen (1791–1868) wendeten in den damaligen englischen Kolonien das »Mesmerisieren« an. Sie entdeckten dabei, dass die Patienten in diesem Zustand schmerzfrei operiert werden konnten. Darüber hinaus gelang es ihnen damit, den gefürchteten physiologischen Schock bei ihren Patienten zu vermeiden (vgl. Gerl 1998). Dies war ein unglaublicher Fortschritt, weil es damals noch keine wirksamen Betäubungsoder Schmerzmittel gab – was lag also näher, als das »Mesmerisieren« auch zur Schmerzbefreiung in der Geburtshilfe einzusetzen?
Später fiel Mesmer mit seiner Theorie des »animalischen Magnetismus« in der akademischen Welt in Ungnade, nachdem es 1784 zwei zur wissenschaftlichen Untersuchung eingesetzten Kommissionen nicht gelungen war, den »animalischen Magnetismus« messbar nachzuweisen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Erfolge Mesmers auf der Einbildung seiner Patienten beruhten, auf deren Imagination und/oder deren Imitation von anderen Patienten.
Interessanterweise gehört das Wissen darüber, dass Imaginationen in der Trance zu intensiven physiologischen und psychologischen Veränderungen führen können, heute zum hypnotherapeutischen Standardwissen. Man arbeitet in der Therapiesituation sogar darauf hin, dass Patienten plastische innere Bilder entwickeln, um die gewünschten Ziele besser zu erreichen.
Obwohl Mesmers Theorie wissenschaftlich diskreditiert war, stellte niemand seine Erfolge infrage. Trotzdem wurde es eine Zeit lang ruhig um das »Mesmerisieren«. In Frankreich erwähnte 1833 erstmals Pierre Foissac in seinen »Notes explicatives« die Anwendung von Hypnose in der Geburtshilfe. Damals wurde immer noch nicht von Hypnose, sondern von »magnetisme animale« gesprochen. Foissac zitierte in seinem Buch die magnetischen Erfahrungen von Husson, darunter auch die folgende:
»Eine kleine Zahl von Beobachtungen erlaubt es zu hoffen, dass man durch dieses Verfahren die oft unerträglichen Schmerzen bei der Entbindung herabsetzen könne« (Chertok u. Langen 1968, S. 15).
In der Folgezeit beschrieben etliche Magnetiseure wie Charles Lafontaine, Baron M. du Potet und später der berühmte Liébeault aus Nancy ihre Erfahrungen mit dem Einsatz der hypnotischen Analgesie zur Verringerung des Geburtsschmerzes. Du Potet schilderte 1854 im Journal du Magnetisme auch den Fall einer Patientin, bei der Cutter durch magnetischen Schlaf einen Wiedereinsatz der Wehen nach Wehenstillstand erreichte (Chertok u. Langen 1968, S. 15).
Entstehung des Begriffes »Hypnose«
Nachdem die Theorie des »animalischen Magnetismus« wissenschaftlich nicht bewiesen werden konnte, entwickelte sich allmählich ein neues Modell der Trancezustände. Neue Ansichten, wie diese im menschlichen Bewusstsein entstehen, setzten sich allmählich durch. Der englische Augenarzt James Braid kam 1843 aufgrund seiner Beobachtung an Patienten zu dem Schluss, dass der Trancezustand weder aufgrund äußerer physikalischer oder übernatürlicher Einwirkung zustande komme, sondern sich durch Prozesse im Inneren des Patienten selbst entwickele, sobald dieser dazu gebracht werden könne, seine Aufmerksamkeit auf eine Sache oder Idee zu konzentrieren. Braid zeigte, dass dies beispielsweise gelinge, wenn sich die Augen eines Patienten längere Zeit auf einen Punkt fixieren (Augenfixation). Er glaubte, dass das Bewusstsein des Patienten und dessen Wille weiterhin intakt seien, sodass niemand in Trance zu einer kriminellen Handlung gebracht werden könne (vgl. Gerl 1998). Er bezeichnete diesen Zustand als »Monoideismus«, später prägte er erstmals das Wort »Hypnose« (griech.: Schlaf) dafür – aufgrund seiner äußeren Ähnlichkeit mit dem Schlaf. Seit dieser Zeit hat sich der Begriff Hypnose allgemein als Bezeichnung für den künstlich herbeigeführten Trancezustand durchgesetzt.
Die Schule von Nancy und die Geburtsvorbereitung durch Suggestion
Eine neue Blütezeit erlebte die Hypnose in Europa durch die Aktivitäten der beiden französischen Ärzte Auguste Liébeault (1823 –1904) und Hippolyte Bernheim (1840–1919) in Nancy. Ihrer Initiative und Forschung verdankt die »Schule von Nancy« ihre spätere europaweite Berühmtheit. Ähnlich wie Braid gingen sie davon aus, dass Hypnose ein normaler menschlicher Bewusstseinszustand ist, der von keinerlei äußeren Faktoren abhängt, sondern ausschließlich ein Produkt innerer psychischer Prozesse ist. Dabei wuchs der Suggestion eine wichtige Bedeutung zu. Ebenso wurde angenommen, dass eine suggerierte Idee physiologische Folgen und/oder Verhaltensreaktionen hervorrufen kann. Bernheim und Liébeault benutzten erstmals den Begriff der Suggestibilität für die individuell...