1 Einleitung
Mit der zunehmenden Verbreitung des Internets bis in unsere Wohn- und Arbeitsräume wächst bei vielen der Wunsch, dieses Medium um eine dritte Dimension zu erweitern. Forciert durch die moderne Medienelektronik und Kinofilme, die vor computergenerierten Effekten nur so strotzen und nun auch im Wohnzimmer als Stereo-(3D-)Bilder ankommen, möchten viele Menschen auch einmal solche Effekte produzieren oder zumindest verstehen, wie diese Effekte funktionieren. Mit Blender ist ein Programm erhältlich, das genau diesen Einstieg bietet, ohne dabei den fortgeschrittenen und professionellen Anwender einzuschränken.
Als eines der wenigen Programme berechnet Blender sowohl Bilder und Animationen, die man aus Kino- und Fernsehproduktionen kennt, als auch interaktive 3D-Grafik, wie sie in so gut wie allen modernen Spielen eingesetzt wird.
1.1 Die Geschichte von Blender
Blender ist ursprünglich eine Entwicklung des niederländischen Animationshauses »NeoGeo«. Als firmeninterne Animationssoftware wuchs Blender dort mit den Aufträgen und wurde stetig weiterentwickelt. Nahezu zeitgleich mit der Veröffentlichung einer freien Version von Blender im Internet (Mai 1998) zog sich »NeoGeo« aus dem Geschäft zurück. Dies war der Zeitpunkt, an dem sich Ton Roosendaal sowie Frank van Beek, »Väter« und Hauptprogrammierer von Blender, entschieden, die Firma »Not a Number« zu gründen, um Blender weiterzuentwickeln.
Blender 1.x
Damit wurde Blender zu einem Produkt – allerdings zu einem in der Geschäftswelt sehr ungewöhnlichen, denn die frei erhältliche Variante von Blender war keine stark eingeschränkte Demoversion, sondern voll funktional, und die Lizenz ließ die uneingeschränkte Verwendung auch für kommerzielle Produktionen zu. Die Verbreitung von Blender auf CD war aber ausdrücklich von einer Genehmigung abhängig. Neben dem Vertrieb des Blender-Handbuchs wurde ein Softwareschlüssel von »Not a Number« vertrieben, der den freien Blender zum »Complete Blender« mit vielen weiteren Funktionen freischaltete (der sogenannte C-Key).
C-Key
Abb. 1.1 Fast 15 Jahre Blender-Entwicklung (V1.63 und 2.67b)
Blender 2.x »Game Blender«
Mit der Weiterentwicklung von Blender gingen immer wieder Eigenschaften des »Complete Blender« in den freien Blender über, bis in Version 1.80 alle ehemaligen C-Key-Features freigeschaltet wurden.
Die Blender-Version 2.x wurde dann mit Funktionen erweitert, mit denen man komplette interaktive 3D-Welten oder -Spiele erstellen und auch in Blender abspielen konnte. Besonderer Schwerpunkt war hier die Erstellung von Spielen. Hiermit sollte ein Standard für 3D-Grafik im Internet geschaffen werden inklusive der entsprechenden geschäftlichen Möglichkeiten. Leider waren die Ziele sehr hoch gesteckt, die Konkurrenz groß, und das Geschäftsziel konnte nicht erreicht werden. Nach einem Neustart (April 2001) als Nachfolgefirma »NaN« mit stark reduzierter Belegschaft musste auch diese Idee aufgegeben werden. Blender drohte in der Versenkung zu verschwinden, sämtliche Rechte an Programm und Quellcode gingen an den Konkursverwalter.
»Freikaufen« des Quellcodes
Um Blender zu retten, wurde als Initiative von Ton Roosendaal die »Blender Foundation« gegründet, die durch Verhandlungen mit dem Konkursverwalter erreichte, dass der komplette Quellcode für eine Einmalzahlung von 100.000 Euro »freigekauft« werden konnte. Am 18. Juli 2002 wurde die Spendenaktion in der Blender-Community gestartet und bereits am 7. September 2002 konnte verkündet werden, dass genügend Geld bereitstand. Und so wurde Blenders Quellcode schließlich am 13. Oktober 2002 unter der GNU General Public License [GNU] veröffentlicht.
Blender Conference
Seit der Veröffentlichung von Blender unter der GPL wird jedes Jahr die Blender Conference in Amsterdam veranstaltet, jeweils ein Wochenende, an dem Künstler und Entwickler ihre Arbeiten präsentieren können und heftig über die weitere Entwicklung von Blender diskutiert wird.
Elephants Dream
Heute hat die Entwicklung von Blender ein Tempo angenommen, das in der Softwarewelt seinesgleichen sucht. Einen großen Anteil an der aktuellen Entwicklung hatte sicherlich das von der Blender Foundation initiierte »Orange«-Projekt, das das erste »Open Movie« produzierte, also einen mit Open-Source-Software produzierten Film. Der Film selbst, wie auch alle seine Produktionsdateien, wurden parallel auf DVD und im Internet veröffentlicht und können gemäß der Open-Content-Lizenz frei genutzt werden. Finanziert wurde das Projekt wie alle folgenden Blender-Filme aus DVDVorverkäufen, Spenden und Sponsorings. »Elephants Dream« [ELE] stellte außerdem einige Rekorde auf, unter anderem als erste in Europa erschienene HD-DVD. Alle während des Projekts entwickelten Features von Blender gingen mit Version 2.42 in den Quellcode von Blender ein.
Elephants Dream
Nach dem großen Erfolg von »Elephants Dream« (als Film, aber auch als »Entwicklungshilfe« für Blender) folgten weitere Projekte. Mit dem »Project Peach« wurde ein ganz anderer Stil geplant: »Niedlich und flauschig« war das Ziel von Ton Roosendaal, und so kam es, wie es kommen musste: »Big Buck Bunny«, so der Filmtitel, bekam als Hauptdarsteller vier Nagetiere. Wieder erhielt Blender mit diesem Open Movie einen enormen Entwicklungsschub, besonders bei der Partikeldarstellung und der Renderpipeline. Durch den Film selbst erhielt Blender weltweite Anerkennung als 3D-Software.
Big Buck Bunny
Mit den Charakteren und Assets aus »Big Buck Bunny« entstand im folgenden »Apricot«-Projekt ein »Spiel zum Film«. Trotz andauernder Schwierigkeiten und dem Weggang der Entwickler, deren Game Engine an sich genutzt werden sollte, kam am Ende ein Spiel mit mehreren Leveln und einer guten grafischen Anmutung heraus. Hier profitierte hauptsächlich die Blender-Game Engine von den Entwicklungen.
Yo Frankie!
Im Mai 2009 wurde schließlich das Projekt »Durian« begonnen, das einige hochgesteckte Ziele verfolgte: Es sollte komplett mit der neuen (nicht einmal fertigen) Blender-Version 2.5x produziert werden – und das in 4K, also einer Auflösung von ca. 4000 Bildpunkten in der Horizontalen, was etwa dem Doppelten normaler Kinoprojektoren entspricht. Dabei wurde von Anfang an Wert auf auf eine wirkliche Story gelegt und so konnte das Projekt mit Fördermitteln der Niederländischen Filmförderung so weit verlängert werden, dass fast alle Ziele erreicht wurden und die Premiere von »Sintel« – so der offizielle Titel – pünktlich, wenn auch nur in 2K stattfinden konnte. Die 4K-Version wurde dann etwas später nachgeliefert.
Sintel
Das Besondere an der Produktion von Sintel war, dass gleichzeitig eine lange vorbereitete, fast komplette Umstellung im Blender-Sourcecode stattfand, die zu einem leichter zu erweiternden Kern und einer einfacher zu bedienenden grafischen Oberfläche führte.
Tears of Steel
Mit Projekt »Mango« wurde dann Ende 2011 ein neuer Open Movie »Tears of Steel« [TOS] begonnen. Ziel war es diesmal, einen Mix von Realaufnahmen und Computergrafik zu machen. Dies erforderte unter anderem einen Motion Tracker, mit dem Kamerabewegungen der realen Kameras aus den Aufnahmen extrahiert und dann auf die Blender-Kameras übertragen werden, um eine perfekte Integration zu erzielen. Aber auch die komplette Pipeline an Tools wurde für die Arbeit an visuellen Effekten und Color Grading verbessert. Gerendert wurde fast ausschließlich mit der neuen Renderengine »Cycles«.
Zukunft
Wenn Sie dieses Buch in den Händen halten, hat die Entwicklung von Blender nicht gestoppt, seit Mango wurden die Tools konsequent weiterentwickelt, die Stabilität von Blender nochmals erhöht und die Bedienbarkeit weiter verbessert. Auch für die weitere Zukunft können wir gespannt sein, was sich in Blender tun wird.
1.2 Wen spricht das Buch an?
Dieses Buch soll kein Handbuchersatz für Blender sein. Das »richtige« Handbuch zu Blender ist die Blender-eigene komplette Referenz, die im Moment allerdings nur online zu erhalten ist [WIKI]. Das vor Ihnen liegende Buch (oder das auf Ihrem Reader angezeigte eBook [EBOOK]) bietet stattdessen einen schnellen, praktisch orientierten und kompakten Einstieg in die Welt der 3D-Grafik und -Animation, ohne dass man dafür teure oder in ihrer Funktionsvielfalt eingeschränkte Programme benötigt.
Blender ist durch seine Flexibilität für nahezu alle Arten der Computergrafik geeignet und spricht zahlreiche unterschiedliche Zielgruppen an:
- Allgemein Computerinteressierte können mit Blender kostenlos in die Welt der 3D-Grafik und -Animation einsteigen.
- Studenten lernen die Grundlagen der 3D-Grafik mit einem Programm, das auch für den heimischen Rechner geeignet ist.
- Lehrer können jeden Schülerarbeitsplatz kostenlos mit dem Programm ausrüsten.
- Videoamateure erzeugen Animationen und...